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Ostern. Trotz alledem!

Das zweite Mal findet das höchste Fest der Christen im Lockdown statt. Warum gerade Ostern in diese graue Zeit hinein passt. Ein Gastbeitrag.

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Aus kargem Boden dem Licht entgegen: Wie auch die Osterglocke ein Zeichen der Hoffnung sein kann.
Aus kargem Boden dem Licht entgegen: Wie auch die Osterglocke ein Zeichen der Hoffnung sein kann. © dpa-Zentralbild

Von Tobias Petzold

Wer weiß, ob die Blume jemand bewusst dort gepflanzt hat. In jedem Fall passt sie sehr gut hin: Direkt neben einem grauen Stein, in den in alter Zeit ein Kreuzsymbol gehauen wurde, wächst es grün und gelb in einem ansonsten noch kargen Boden. Diese Beobachtung konnte ich am Montag dieser Woche bei einem kirchlichen Haus in der Nähe von Dresden machen, sie war mir ein hoffnungsvolles Zeichen. In aller Kargheit, direkt neben dem zeitlosen Symbol von Leid und Leiden blüht neues Leben. Dies hat mich am Beginn der Karwoche, wie die Tage vor Ostern genannt werden, berührt und einen bildhaften Ausblick gegeben auf das Kommende, auf das Fest der Auferstehung und den Sieg über den Tod.

Ein zweites Mal erleben wir Ostern nun anders, man hat sich an das vormals Ungewohnte ja fast gewöhnt. Es scheint Ewigkeiten her, dass man liebe Menschen zur Begrüßung umarmte und Bekannten die Hand gab, als im Einkaufszentrum eingekauft und von Bühnen Kultur dargebracht wurde. Als man Menschen ins lachende Gesicht schauen und Termine festlegen konnte, und zwar richtig real mit Leuten vor Ort, ohne auf Zeiten und Zahlen zu achten. Nach 13 Monaten Ausnahmezustand, der sich auch in den Familien und Arbeitsstellen, in Einsamkeit und Beschäftigungslosigkeit zeigt, verlieren manche nun den Mut, die Hoffnung und die Nerven. Andere, die noch vor einem Jahr „Wir bleiben zuhause“ postulierten, posten inzwischen Selfies von Balearischen Stränden. Und in diese seltsame Zeit hinein will Ostern werden, einmal mehr.

Auf's Grau folgt das Licht

Dabei passen die biblischen Überlieferungen von Passion und Ostern in jeder Zeit und in diese ganz besonders. Im Rahmen der Geschichte des Leidens, Sterbens und der Auferstehung Jesu geht es nämlich um sehr aktuelle Menschenthemen wie Leugnen und Verrat, Zweifel und Verzweiflung, Dösen und Rechthaberei. Die Anklage gegen Jesus beginnt mit einer Volksabstimmung, die Meinung der Masse wechselt dabei von „Hosianna“ zu „Kreuzige ihn“. Derweil wäscht der obere Richter vorbildlich seine Hände - in Unschuld, wie es heißt - und die Leute üben sich in sozialer Distanz.

Denn auch vor 2000 Jahren wurde das Festmahl daheim und nur mit den engsten Angehörigen gefeiert. Am Kreuzweg standen die Menschen in sicherem Abstand oder blieben im Haus aus Furcht und Vorsicht. Drei Tage später war man zu allermeist zu zweit unterwegs zur Grabeshöhle, zum Stein, nach Emmaus. Und etlichen Menschen ward angst und bange im Blick auf das, was nun werden und wie es weitergehen wird.

Wenn wir morgen Ostern feiern glauben Christen, dass die Geschichte von Jesu Tod kein sinnfreies menschliches Scheitern war, sondern ein göttliches Happy End hatte. Nach der dunklen Nacht, in der nach biblischem Befund die Felsen rissen wie der Vorhang des Tempels, dämmert der Schein des Ostermorgens herauf. Auf die schreckliche Finsternis folgt das Morgengrauen, bald wird es heller und hell. Bis schließlich ins rechte Licht gesetzt ist das leere Grab, bis ans Licht kommt der auferstandene Christus und den Menschen ein Licht aufgeht. Trübsal, Tod und Trauer sind vorbei. Manche einer von Jesu Freunden kann das nicht glauben, bis er selbst den Finger in die Wunde und seine Zweifel ablegen kann.

Der große Drang des Lebens

Daran dürfen wir uns morgen erinnern, wenn in aller Herrgottsfrühe die Glocken unserer Kirchen läuten und zum Gottesdienst einladen. Manche meinen in diesem Jahr mit Blick aufs leere Grab scherzhaft, dass schon vor 2000 Jahren der Drang des Lebens größer war als alle Ausgangsbeschränkungen im Lockdown. Dieser Vergleich passt vor allem dann, wenn man weiterliest. Denn Jesus sagt zu denen, die ihm begegnen „Rühre mich nicht an“ (Joh 20, 17) und allen Mutlosen ruft er zu „Fürchtet euch nicht“ (Mt 28,10). Denn es liegt in der Natur Gottes, dass auf Grau und Grauen für Glaubende begründete Hoffnung und neues Leben folgen. Die junge Pflanze neben dem alten Steinkreuz, eine Osterglocke übrigens, zeigt das gut. Trotz alledem.

Tobias Petzold ist Buchautor, evangelischer Religionspädagoge sowie Institutsleiter und Dozent für Evangelische Bildungsarbeit am Diakonenhaus Moritzburg.

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