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Immer mehr Schulverweigerer in Dresden - Stadt verhängt Bußgelder in Höhe von 38.000 Euro

Die Zahl der Kinder in Dresden, die aufgrund von psychischen Problemen nicht zur Schule gehen können, wächst. Das ist nicht nur rechtlich ein Problem für die Familien. In Dresden gibt es nun ein weiteres Hilfsangebot.

Von Julia Vollmer
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In Dresden wächst die Zahl der Schulverweigerer, die medizinische Hilfe in Anspruch nehmen.
In Dresden wächst die Zahl der Schulverweigerer, die medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. © Jens Kalaene/dpa-Zentralbild (Symbolbild)

Dresden. Spannende Bücher lesen, kleine Kunstwerke malen und Freunde treffen. Das alles sollen Kinder und Jugendliche in der Schule lernen und erleben dürfen. Klar macht Unterricht nicht immer nur Spaß und Mathematik, Chemie und Co. können auch richtig nerven, aber Schule sollte nicht krankmachen. Viele Dresdner Kinder und Jugendliche bekommen allerdings vermehrt Angst davor, ins Klassenzimmer zurückzukehren.

"Manche von den Mädchen und Jungen, die wir hier behandeln, waren seit mehreren Monaten oder Jahren nicht mehr regelmäßig in der Schule", sagt Andreas Lachnit, Oberarzt für Psychosomatik und Psychotherapie in der Kinder- und Jugendmedizin am Krankenhaus Neustadt. Er und sein Team und behandeln Kinder und Jugendliche, die aus psychischen Gründen nicht in die Schule gehen können. Schulabsentismus nennen das die Experten.

Schüler leiden unter Kopf- und Bauchschmerzen sowie Panikattacken

Es ist wichtig zu wissen, dass die Betroffenen nicht zu Hause bleiben, weil sie "keinen Bock" haben - das seien die Ausnahmen. Viel mehr sind sie psychisch nicht in der Verfassung dazu, wenn sie an die Schule und den dort herrschenden Druck denken. Manche Kinder und Jugendliche mussten Erfahrungen mit Mobbing durch Mitschüler machen. Auch Depressionen werden als Ursache diagnostiziert.

Die Station von Andreas Lachnit ist immer voll, alle zehn Plätze sind dauerhaft belegt. Der Bedarf sei riesig. "Die Warteliste ist immer noch da, über die Sommerferien waren die Anfragen ein bisschen zurückgegangen, aber jetzt wird es wieder mehr", sagt er. Es sei wichtig, frühzeitig eine Therapie zu machen, wenn sich erste Anzeichen bei den Betroffenen zeigen, und nicht zu warten. Schüler leiden häufig unter Kopf- und Bauchschmerzen sowie Panikattacken.

"Die Fälle sind gleich verteilt über Gymnasien und Oberschulen und Grundschulen. Meist werden die Kinder erstmal vom Gymnasium auf die Oberschule heruntergestuft. Die Probleme werden damit aber nicht behoben", so der Mediziner. Wenn sie zu ihm ins Städtische Klinikum kommen, bleiben die Kinder und Jugendlichen etwa zehn Wochen stationär.

Die meisten seiner Patienten seien 14 bis 16 Jahre alt, meist Mädchen. Aber auch Elf- und Zwölfjährige sind dabei. Oft gab es schon vor der Corona-Pandemie Probleme, der Wegfall der sozialen Kontakte hätte das "Einigeln" zu Hause aber verstärkt. Als die Schule dann wieder in Präsenz begann, fiel es den Betroffenen schwer, sich dem Leistungsdruck, den sie oft verspüren, auszusetzen. Lachnit und sein Team setzen während der stationären Behandlung auf Gespräche, aber auch auf Kunst- und Musiktherapie.

Die Stadt hat nun ein zusätzliches Hilfsangebot geschaffen. Die Fachstelle Schulabsentismus befasst sich mit allen Formen des Schulabsentismus und berät und unterstützt junge Menschen sowie Eltern und andere Angehörige.

181 Bußgeldbescheide in Höhe von insgesamt 38.700 Euro

Als wären die psychischen Probleme nicht belastend genug, so kommen rechtliche dazu, wenn sich die Schülern weigern, zum Unterricht zu gehen. Im Kalenderjahr 2022 wurden durch die Bußgeldbehörde der Stadt 529 Bußgeldbescheide an Schüler versendet, die aufgrund von Fehlstunden oder Fehltagen gegen das Sächsische Schulgesetz verstoßen und damit ordnungswidrig gehandelt haben, so die Stadt. Die Summe der Bußgelder beträgt insgesamt 123.100 Euro.

Auch in diesem Jahr mussten die Familien schon viel zahlen. Für Fehltage und Fehlstunden im Kalenderjahr 2023 wurden mit Stand vom 30. August genau 181 Bußgeldbescheide in Höhe von insgesamt 38.700 Euro an Schüler versendet, so die Stadt. Hinzu kommen jeweils Verfahren gegen die entsprechenden Sorgeberechtigten. Die Ordnungswidrigkeiten können mit einer Geldbuße von bis zu 1.250 Euro geahndet werden.

Die Höhe des Bußgeldes richtet sich nach der Schulart und ob es sich um ein wiederholtes Vergehen handelt. "Ein Bußgeld kann gegen einen oder alle Sorgeberechtigte und gegen den Schüler oder die Schülerin ab dem 14. Lebensjahr verhängt werden", so die Stadt.

Schulabsentismus ist nicht ausschließlich ein Dresdner Problem. So hat sich in Sachsen die Zahl der entsprechenden Ordnungswidrigkeitsverfahren aufgrund unentschuldigten dauerhaften Fehlens in den Schulen seit 2006 etwa vervierfacht – 2018 wurden rund 7.000 Verfahren eingeleitet, so die Fachstelle der Stadt.

Die Folgen werden auch bei den Zahlen derjenigen sichtbar, die ohne Abschluss die Schule verlassen: In Sachsen waren 2018 etwa 2.500 junge Menschen und damit 8,5 Prozent aller Schulabgängerinnen und -abgänger von der Erkrankung betroffen.