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"Nicht hinnehmbar": Flüchtlingskinder in Dresden ohne Schulplatz

Mehr als 100 geflüchtete Mädchen und Jungen dürfen in Dresden keine Schule besuchen. Dresdens Integrationsbeauftragte und der Ausländerrat schlagen Alarm.

Von Julia Vollmer
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Einige der Kinder leben seit Monaten in den Heimen ohne eine Chance auf Unterricht.
Einige der Kinder leben seit Monaten in den Heimen ohne eine Chance auf Unterricht. © Symbolfoto: SZ/Uwe Soeder

Dresden. Sechs Monate. So lange besuchen nach Sächsische.de-Informationen einige geflüchtete Kinder in Dresden schon keine Schule. Sie mussten vor dem Krieg in der Ukraine, Syrien oder aus Afghanistan fliehen und leben in Einrichtungen der Stadt oder dem Freistaat für Flüchtlinge. Die Dresdner Integrationsbeauftragte Kristina Winkler und Geflüchtete-Initiativen schlagen Alarm.

Wie viele Kinder haben aktuell keinen Schulplatz?

Bevor die geflüchteten Menschen einer Stadt oder einen Landkreis zugewiesen bekommen, leben sie in den Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) des Freistaates, in Dresden etwa an der Hamburger Straße.

Die Landesdirektion muss auf Anfrage von Saechsische.de einräumen, dass sich Stand Ende März 138 schulpflichtige Kinder in den Unterkünften der Aufnahmeeinrichtungen Dresden aufhalten. Alle besuchen keine Schule. "Von diesen befinden sich 107 weniger als drei Monate und 31 länger als drei Monate in den Einrichtungen", so Sprecher Ingolf Ulrich. Mindestens 31 Kinder besuchen also schon länger als drei Monate keine Schule.

Auch im Kinder- und Jugendnotdienst der Stadt, wo etwa die in Obhut genommenen geflüchteten Kinder aus Syrien und Afghanistan untergebracht werden, leben nach SZ-Informationen Kinder, die seit Monaten nicht mehr in der Schule waren. Eine konkrete Zahl nennt das Jugendamt nicht. Aktuell leben 67 Kinder dort, manche seit zwei Monaten und länger so die Stadt, wenn keine dauerhafte Unterbringung für sie gefunden wird. Auf die Frage, wie viele Kinder nicht beschult werden, heißt es ausweichend: "Es werden circa 25 Prozent der in Obhut genommenen unbegleiteten ausländischen Minderjährigen beschult", so die Stadt.

Es haben auch noch nicht alle Kinder aus der Ukraine einen Schulplatz. "Mit Stand 30.03.2023 sind in der Stadt Dresden 14 ukrainische Schülerinnen und Schüler keiner Schule zugewiesen", so Clemens Arndt, Sprecher des Landesamtes für Bildung (Lasub). Dabei seien auch Anträge aus dem Monat März.

Warum haben die Kinder keinen Schulplatz?

Die Gründe sind, je nach Unterbringungsart und Herkunftsland, verschieden. Für die Kinder in der Erstaufnahmeeinrichtung gilt keine Schulpflicht. Das wird schon lange kritisiert. Nach langer Debatte und öffentlichen Druck wurde ein Lernangebot eingeführt, dass aber nicht mit regulärem Unterricht verglichen werden kann, sondern nur einige wenige Stunden pro Tag angeboten wird.

Fragt man das Landesamt warum nicht alle Kinder aus der Ukraine einen Platz haben, wird auf die "Vielzahl von neuen Anträgen" verwiesen. Hier müsse vor allem im Bereich der Grundschulen in einzelnen Schulbezirken neue Aufnahmekapazitäten eingerichtet werden.

Für die Kinder im Notdienst der Stadt aus etwa Syrien und Afghanistan heißt es als Begründung vom Jugendamt: "Vor der Klärung des Schulbesuchs findet ein Clearingprozess statt. Erst nach dessen Abschluss erfolgen Schulanmeldungen beziehungsweise Bildungsberatungen." Clearing bedeutet, dass geguckt wird, woher kommen die Kinder und wo können sie bleiben. "Bei vielen Kindern und Jugendlichen müsste auch erst traumatische Erlebnisse aufgearbeitet werden, bevor ein Schulbesuch möglich sei.

Was bedeutet die fehlende Schule für die Kinder?

"Kinder haben ein Schulrecht und eine Schulpflicht, wenn sie als Asylsuchende unserer Stadt zugewiesen wurden", sagt die Integrationsbeauftragte Kristina Winkler. Ihr seien nicht wenige Fälle bekannt, wo Kinder keinen Platz in einer DaZ-Klasse (Deutsch als Zweitsprache) bekommen hätten und bis zum neuen Schuljahr auf den Schulbesuch warten sollten. Dies aber sei nicht hinnehmbar.

Dave Schmidtke vom Flüchtlingsrat betont: "Je länger Kinder ohne Beschulung leben müssen, desto schwerer fällt ihnen der Weg zurück ins Schulsystem." Die Behörden müssten dringend handeln.

So sieht das auch Olga Sperling vom Ausländerrat: "Es geht nicht nur um die Schulpflicht und das Vermeiden von Bildungslücken, sondern auch um einen geregelten Tagesablauf und den Aufbau eines sozialen Umfelds", sagt sie.

Auch die SPD-Fraktion erwarte, dass das Recht auf Schule umgesetzt wird und alle Kinder eine Schule besuchen können, sagt Stadtrat Vincent Drews. "Dafür muss sich der Bildungsbürgermeister Jan Donhauser mit seinem Parteifreund und Kultusminister Christian Piwarz im Freistaat umgehend abstimmen und unbürokratische Lösungen finden." Grünen-Stadträtin Tina Siebeneicher fordert einen Schulplatz spätesten nach drei Monaten und Linken-Stadträtin Pia Barkow fordert Transparenz von den Behörden, wie viele Kinder genau keinen Platz haben.