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Tausende Dresdner kämpfen mit Schulden

Steigende Mieten und Kosten für Lebensmittel sowie Energie sorgen immer öfter zu Zahlungsschwierigkeiten in Dresden. Kritisch sehen die Schuldnerberater auch die Käufe im Internet.

Von Julia Vollmer
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Hauptgrund für die Schulden der Dresdner in 2023 waren laut Stadt die Folgen der Inflation.
Hauptgrund für die Schulden der Dresdner in 2023 waren laut Stadt die Folgen der Inflation. © Archiv/Monika Skolimowska/dpa

Dresden. Viele Dresdnerinnen und Dresdner kennen das: die Mieten steigen immer weiter - zuletzt um rund zehn Prozent. Vom Lohn bleibt weniger übrig als sonst. Die Preise für Lebensmittel und Energie sind durch die Inflation auch gestiegen. Das Bürgergeld oder das Einkommen gleichen das nur bedingt aus. Tausende Menschen hatten im vergangenen Jahr so große Probleme, ihre Rechnungen zu bezahlen, dass sie sich verschuldet haben.

Viele von ihnen holten sich dann Hilfe bei den Beratungsstellen der Stadt. "Im Jahr 2023 suchten 4.077 Dresdnerinnen und Dresdner Unterstützung in den Schuldnerberatungsstellen der freien Träger, davon 2.986 zum ersten Mal", zieht Jens Heinrich von der Dresdner Arbeiterwohlfahrt (Awo) Bilanz. Er ist für die Beratungen zuständig.

Das sei ein Anstieg um etwa 200 Menschen im Vergleich zu 2022, wie er sagt. 3.854 waren es da. Bereits mit Blick auf die Zahlen 2022 sprach er damals davon, dass in den Beratungsstellen der Anteil der Ratsuchenden mit Energieschulden um 20 Prozent in Pieschen und um 28 Prozent in Gorbitz im Vergleich zum Vorjahr gestiegen seien.

Trennungen und Arbeitslosigkeit können Ursachen für Überschuldung sein

Zu den Hauptursachen der Schulden zählen die Sozialarbeiter Arbeitslosigkeit, Erkrankungen, eine Suchterkrankung oder ein Unfall. Daneben können aber auch sehr persönliche Gründe wie Trennung, Scheidung oder der Tod eines Partners ausschlaggebend sein. Aber auch eine "unwirtschaftliche Haushaltsführung", also mehr Ausgaben als Einnahmen etwa durch Einkäufe und Urlaube.

Aber auch ein dauerhaft niedriges Einkommen und eine gescheiterte Selbstständigkeit können in die Schuldenfalle führen. "Neu ist im letzten Jahr die Inflation als Risikofaktor dazu gekommen", so Heinrich. Das bestätigt auf Anfrage auch das Sozialamt.

Was weiß man über die Betroffenen? In den Beratungsstellen wurde ein etwas höherer Anteil an Männern registriert mit rund 53 Prozent, sagt die Stadt. Über 20 Prozent der Ratsuchenden haben einen Migrationshintergrund, so die Awo. Teilweise seien die Beratungen aufgrund der Sprachbarriere und der fehlenden Kenntnis von Abläufen im deutschen Finanz-, Vertrags- und Sozialsystem aufwändiger. Auch die Überschuldungsquote bei über 60-Jährigen sei in den letzten Jahren signifikant angestiegen.

Über 42 Prozent der neuen Klientinnen und Klienten in den Beratungen bekommen ausschließlich oder ergänzend zu ihrem sonstigen Einkommen Bürgergeld. Etwa 15 Prozent dieser Klienten waren mit Mietschulden, mehr als 10 Prozent mit Schulden beim Energieversorger und rund neun Prozent mit Straf- oder Bußgeldern konfrontiert. Diese Schulden erfordern sofortigen Handlungsbedarf, betont Heinrich von der Awo.

Um Folgen für die Betroffenen wie Verlust der Wohnung, Unterbrechung der Stromversorgung oder gar eine Inhaftierung zu verhindern. Sozialamtsleiter Christian Knappe sagte im Gespräch mit Sächsische.de, dass es eine Zunahme von Zwangsräumungen gab. Zwischen Januar und Anfang Dezember 2023 gab es in Dresden 630 gemeldete Zwangsräumungen, von denen 171 abgewendet konnten.

"Jetzt kaufen - später zahlen" verschärft die Lage

"Die Wirtschaftsauskunft Creditreform spricht in ihrem Schuldner-Atlas Deutschland 2023 von einer Rückkehr der Überschuldung", so Heinrich. Die Inflation habe nochmal dafür gesorgt, dass die finanziellen Spielräume der Dresdner kleiner werden. "Das spiegelt sich in der höheren Nachfrage nach Ratenkrediten und 'Buy now, pay later'-Angeboten wider", sagt er. So könne man bei Plattformen wie "Klarna" erst nach 30 Tagen Rechnungen aus Einkäufen im Internet bezahlen.

Für Dresden hat Creditreform im November 2023 die Überschuldungsquote nach Postleitzahlgebieten ausgewertet. Am höchsten war sie in Teilen von Gorbitz, Naußlitz und Briesnitz. 20 Prozent, also jeder Fünfte, können dort nicht in der Frist ihre Rechnungen begleichen. Dahinter folgen Teile von Prohlis, Reick, Lockwitz sowie Leubnitz-Neuostra.

Hier können sich die Betroffenen Hilfe holen

In Dresden gibt es eine Schuldnerberatung in fünf Beratungsstellen. Diese Beratungsstellen sind gleichmäßig über das Stadtgebiet verteilt und werden von drei freien Trägern angeboten sowie koordiniert: von der Striesen Pentacon, der Caritas und eben der Awo. Im ersten Schritt wird die Schuldensituation bewertet und geschaut, wie viel Geld kommt im Monat rein und wie hoch sind die Ausgaben.

Eine Schuldnerberatung ist für die ersten fünf Stunden kostenfrei und vertraulich. Eine längere, kostenfreie Beratung bis zu 20 Stunden ist möglich, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, zum Beispiel der Bezug von Sozialleistungen oder Bürgergeld, so die Stadt.