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Mehr Dresdner kämpfen mit Schulden: "Haushalte mit knappem Einkommen trifft es hart"

Hohen Mieten und steigende Kosten für Energie und Lebensmittel sind für viele Betroffene ein großes Problem. Die Dresdner Beratungsstellen werden nahezu überrannt.

Von Julia Vollmer
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Für immer mehr Dresdner werden die steigenden Kosten zum finanziellen und existenziellen Problem.
Für immer mehr Dresdner werden die steigenden Kosten zum finanziellen und existenziellen Problem. © Claudia Hübschmann

Dresden. Die steigenden Lebenshaltungskosten bringen viele Dresdner an ihr Existenzminimum. Das Geld reicht nicht mehr. Dabei sind nicht nur Menschen, die Bürgergeld beziehen, sondern auch Frauen und Männer, die einen Beruf ausüben. Die Schuldnerberatungsstellen in Dresden warnen vor einer drohenden Überschuldung durch die massiv gestiegenen Energie- und Lebensmittelkosten.

Besonders die gestiegenen Energiepreise beobachten die Berater in den Schuldnerberatungsstellen mit Sorge. Jens Heinrich, Leiter der AWO-Schuldnerberatung, sagt: "Mehr und mehr Menschen machen sich insbesondere hinsichtlich der Energie- und Heizkosten Sorgen und sind verunsichert, wie sie die Zukunft bewältigen können."

Das erleben sein Team und er täglich in den Gesprächen mit den Klienten. "In unseren Beratungsstellen ist der Anteil der Ratsuchenden mit Energieschulden um 20 Prozent in Pieschen und um 28 Prozent in Gorbitz im Vergleich zum Vorjahr gestiegen." Die Dresdner Beratungseinrichtungen der freien Träger verzeichnen knapp 4.000 Ratsuchende pro Jahr. Es müssen Wartezeiten eingeplant werden, so die Berater der Awo.

Überschuldungsrisiko der Dresdner steigt

Eine immer weiter steigende Nachfrage nach Schuldnerberatung beobachtet auch Anke Schinkel, die Leiterin der Schuldnerberatung des Caritasverbandes für Dresden. "Das Überschuldungsrisiko steigt", sagt sie. "Viele Menschen machen sich große Sorgen und sind verunsichert, wie sie die Zukunft bewältigen können. Das erleben wir tagtäglich in unserer Schuldnerberatung."

Allein im ersten Quartal 2023 suchten 238 neue Klienten die Caritas-Schuldnerberatung auf. Das waren über 50 Prozent mehr als noch im gleichen Quartal des Vorjahres mit 158 Hilfesuchenden, so Sozialarbeiterin Lisa Holfert von der Caritas. Ein großes Problem seien die steigenden Mieten.

Es sei deutlich zu spüren, dass die meisten Waren, Energie, Mieten und andere Dinge teurer geworden seien. "Haushalte mit knappem Einkommen trifft es besonders hart", sagt Schinkel. Nicht wenige Haushalte müssten bereits ein Drittel ihres Einkommens allein für Wohnraum ausgeben, eine Entspannung der Situation sei nicht in Sicht. Umso schwieriger werde es, die gestiegenen Energiekosten und deutlich teureren Lebenshaltungskosten zu stemmen. Das führe auch zu mehr Privatinsolvenzen.

Weitere Ursachen sind unbezahlte Rechnungen vom Versandhandel, überfällige Kreditraten oder Inkasso-Firmen, die mit dem Gerichtsvollzieher drohen. Wer nicht zahlen kann, gilt dann als überschuldet. In Dresden traf das Ende 2022 auf rund 37.250 erwachsene Menschen zu, teilte die Wirtschaftsauskunftei Creditreform mit. Diese schätzt - ähnlich der Schufa - die Kreditwürdigkeit von Personen ein.

Dresdner Beratungsstellen helfen bei finanzieller Not

Meist bieten die Beratungsstellen für besonders kritische Notsituationen einen kurzfristigen Erstkontakt an, um zumindest das dringendste Anliegen zu erfassen und zu bearbeiten, so die Awo. Wer sich Hilfe holt, hat bessere Chancen, aus der Überschuldung zu kommen. Dafür sind die Schuldner- und Insolvenzberatungen da.

Sie zeigen Wege auf, um die eigene finanzielle Situation zu stabilisieren und nachhaltig zu verbessern. Die soziale Schuldner- und Insolvenzberatung der freien Träger ist kostenfrei. Sie wird von der Landeshauptstadt Dresden und dem Freistaat Sachsen gefördert.

"Wir brauchen einen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung", sagt Anja Schinkel von der Dresdner Caritas. Das sei angesichts des deutlich wachsenden Beratungsbedarfs dringend notwendig.

Finanzielle Abwärtsspirale ist vorprogrammiert

Die Schuldnerberaterin fordert einen generellen Pfändungsschutz von existenzsichernden Leistungen. Solange es den nicht gebe, sei eine finanzielle Abwärtsspirale für viele Haushalte vorprogrammiert. Diese führe dann auch dazu, dass die grundlegendsten Dinge wie Strom oder Gas nicht mehr bezahlt werden könnten, sodass es zu Energiesperren komme.

"Mit allen Schuldnerberatungen der Verbände fordern wir: Keine Energiesperren für Verbraucherinnen und Verbraucher", sagt Schinkel. Es müsse ein unbürokratischer Zugang zu Sozialleistungen gewährleistet werden.

Die Caritas-Beraterin beobachtet auch, dass für viele ihrer Klienten in Folge der Inflation die Zinsen für Kredite deutlich teurer würden. "Auch der ohnehin schon teure Dispokredit wird noch kostspieliger. Aber gerade Haushalte mit knappem Einkommen müssen diesen viel häufiger nutzen", sagt Schinkel.