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Mildes Urteil für Fälscher

Um die Haft zu vermeiden, manipulierte ein Dresdner Junkie ein Klinik-Schreiben. Die Sache ging zwar schief, aber nicht ganz.

Von Alexander Schneider
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Ludwig A. kennt das Amtsgericht Dresden und die Justiz kennt ihn. Am Freitag gab es wie Wiedersehen.
Ludwig A. kennt das Amtsgericht Dresden und die Justiz kennt ihn. Am Freitag gab es wie Wiedersehen. © Archiv/Rene Meinig

Dresden. Ludwig A. ist sicherlich mit allen Wassern gewaschen. Davon zeugt schon das lange Vorstrafenregister des 38-jährigen Dresdners. Seit Anfang der 2.000er-Jahre hat er Stress mit Polizei und Justiz. Er hat inzwischen 16 Urteile gesammelt, war mehrfach auch im Gefängnis. Immer ging es dabei um Drogen oder die illegale Beschaffung derselben.

Ludwig A. ist langjährig drogenabhängig, hat viel Ärger hinter sich, einschließlich gescheiterter Entzugstherapien. Er steckt in einem für Suchtkranke typischen Teufelskreislauf, für den jedoch nicht nur er, sondern auch seine Opfer einen hohen Preis zahlen müssen.

Doch als es im Mai 2019 vor Gericht wieder einmal um die Frage ging, ob der 38-jährige Dresdner tatsächlich erneut einfahren muss, geriet der Mann in Panik. Im November 2018 hatte ihn das Amtsgericht Dresden zu einer Freiheitsstrafen von zwei Jahren wegen Betruges in zig Fällen verurteilt. Natürlich akzeptierte der Mann das Urteil nicht und hoffte nun im Mai auf die Gnade des Landgerichts, das ihm in dem Berufungsprozess noch einmal eine allerletzte "Bewährung" geben möge.

Guter Eindruck - verpasst

Erfahrene Knackis wissen, dass sie die Zeit bis zum Berufungsprozess sinnvoll nutzen müssen, um einen guten Eindruck auf die Richter zu hinterlassen. Doch Ludwig A. blieb lethargisch. Er kümmerte sich etwa nicht um eine mögliche Entzugstherapie. Er selbst sprach von seinen "Depressionen", in die er gefallen sei. Er habe sich viel um seinen Sohn gekümmert, aber es sonst schleifen lassen. Die rettende Idee will ihm erst kurz vor dem Berufungstermin gekommen sein. Er fälschte eine Therapiezusage einer Klinik, die er sich per E-Mail kurzerhand von einem Kumpel habe schickten lassen.

Die Rechnung ging tatsächlich auf. Die Berufungskammer des Landgerichts Dresden hatte sich von dem gefälschten Schreiben blenden lassen und setzte die Freiheitsstrafe des Amtsgerichts doch zur Bewährung aus, möglicherweise nicht einmal mit den üblichen Bauchschmerzen bei solchen Entscheidungen.

Therapie-Schwindel fliegt auf

Natürlich flog die Sache später auf. Im Herbst vergangenen Jahres wurde bemerkt, dass A. nicht zur Langzeittherapie angetreten war - seine "Bewährung" wurde widerrufen. Seit August dieses Jahres sitzt A. die Freiheitsstrafe ab, seine Chancen, vorzeitig entlassen zu werden, dürften nicht besonders groß sein. Die zweite Folge neben dem Widerruf: Ein neues Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung, weshalb der 38-Jährige am Freitag wieder in Handschellen ins Amtsgericht gebracht wurde.

Dennoch kann sich der langjährige Junkie jetzt über ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk des Amtsgerichts Dresden freuen. Die Sache mit der Urkundenfälschung ging für ihn vergleichsweise glimpflich aus. Ludwig A. wurde zu einer Geldstrafe von 240 Euro (120 Tagessätze zu jeweils 2 Euro) verurteilt. In dieser Strafe ist auch noch eine frühere Geldstrafe wegen Drogenbesitzes enthalten, die mit 600 Euro (60 Tagessätze zu je 10 Euro) ursprünglich weit teurer war, als die jetzige Gesamtgeldstrafe.

Wundersame Justiz-Arithmetik

Wie das geht, hat wenig mit Mathematik, aber viel mit dem Strafrecht zu tun. Daher hier ein kleiner Ausflug in die Justiz-Arithmetik. Die Ursache dafür, dass eine Gesamtstrafe gebildet werden musste ist, liegt darin, dass die Urkundenfälschung vor der Verurteilung wegen Drogenbesitzes stattgefunden hatte. Das Gericht musste beide Verurteilungen zusammenfassen.

Die Richterin verurteilte den Angeklagten zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen. Die Tagessätze haben den Sinn, Geldstrafen mit Freiheitsstrafen vergleichen zu können. Zahlt der Angeklagte eine Geldstrafe nicht, muss er die Anzahl der Tagessätze in der Haft absitzen. Individuell auf die finanziellen Möglichkeiten zugeschnitten werden Geldstrafen über die Tagessatzhöhe.

Ein Tagessatz entspricht dem 30. Anteil des monatlich verfügbaren Einkommens des Betroffenen. Für Gutverdiener liegt der Tagessatz schon mal im dreistelligen Bereich, Sozialhilfe-Empfänger liegen im Bereich von zehn Euro und Gefangene folgen noch weiter unten in dieser Hierarchie.

Da Ludwig A. nun in Haft sitzt, ergibt sich für ihn nun nach der Schätzung der Richterin eine neue Tagessatzhöhe von nur zwei Euro, die natürlich auf alle 120 Tagessätze anzurechnen ist.

Staatsanwaltschaft wollte Haftstrafe

Ob das Urteil aber rechtskräftig werden wird, ist unklar. Die Staatsanwaltschaft hatte für A. keine Gesamtgeldstrafe mehr, sondern eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten Haft ohne Bewährung gefordert. Neben 16 Vorstrafen des Angeklagten betonte sie auch die hohe kriminelle Energie, mit der A. beim Fälschen des Schreibens vorgegangen sei, um sich seiner strafrechtlichen Verantwortung zu entziehen.

Verteidiger Peter Hollstein hatte dagegen auf eine Gesamtgeldstrafe plädiert, deren Höhe er ins Ermessen der Richterin stellte. Letzten Endes folgte die Richterin dem Verteidiger. Sie erkenne diese "hohe kriminelle Energie" nicht, sagte sie und betonte, dass der Angeklagte die Fälschung sofort nach Bekanntwerden zugegeben habe.

Im Gericht hatte L. mehrfach gesagt, dass ihm die Sache leid tue. Er habe sich in dem Moment damals nicht anders zu helfen gewusst. Er habe versucht, sein Leben umzukrempeln, es aber nicht geschafft. Das ist das große Problem von Suchtkranken.

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