Nach Wahl-Chaos in Dresden: "OB Hilbert ist ein Möchtegern-Diktator"

Dresden. Seit etwa zwei Wochen beschäftigt Dresdens Politiker die turnusmäßige Wahl von fünf der sieben Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Am Donnerstag stand der Tag der Entscheidung an.
Doch er endete ergebnislos, mit reichlich zerschlagenem Porzellan und heftigen Vorwürfen gegenüber OB Hilbert.
Obwohl der Stadtrat mit klarer Mehrheit Amtsinhaber Peter Lames (SPD) als Finanzbürgermeister wiedergewählt hat, erteilte Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) sein Einvernehmen nicht. Als im Stadtrat die erforderliche Zweidrittelmehrheit knapp verpasst wurde, um den OB zu überstimmen, brach Chaos aus.
Es brodelt im Stadtrat
Als nach mehreren Auszeiten die Wahl im Stadtrat begann, erhielt als erster - und wie später klar wurde einziger an diesem Tag - Lames eine deutliche Zustimmung vom Rat. Doch dann erklärte Hilbert: "Ich erteile mein Einvernehmen nicht." Das galt immerhin dem Finanzbürgermeister, mit dem der OB seit sieben Jahren zusammenarbeitet und dem einzigen Kandidaten.
Im zweiten Wahlgang gab es noch mehr Stimmen für Lames (41 von 66), aber das reichte nicht, um den OB zu überstimmen. Aus diesem Grund wurde gefordert, die weiteren Wahlen zu vertagen. Die Mehrheit folgte dem.
In vielen Stadträten brodelt es nun. Lames wollte lieber nichts dazu sagen. "Der Oberbürgermeister hat auf unverantwortliche Art und Weise die Stadt ins Chaos geführt", so dagegen SPD-Fraktionschefin Dana Frohwieser. "Herr Hilbert betreibt Postenschacher für seine FDP." Tatsächlich ist es ein offenes Geheimnis, dass der OB die FDP-Landesvorsitzende und Bürgermeisterin von Lommatzsch auf dem Posten haben möchte.
Um dies durchzusetzen, sei der OB nicht konstruktiv in die Verhandlungen mit den Fraktionschefs gegangen. "Stattdessen hat er uns jetzt erneut ein Papier hingeschmissen, aber nie über die Inhalte mit uns diskutiert", kritisiert Frohwieser. Das Chaos sei vor allem von Hilbert verursacht. "OB Hilbert ist ein Möchtegern-Diktator", so Frohwieser.
Wut auch bei den Grünen
Auch die Grünen schäumen vor Wut auf den Oberbürgermeister. "Er vergrault alle, die bisher konstruktiv mit ihm zusammengearbeitet haben", so Fraktionschefin Christiane Filius-Jehne. Damit meint sie neben den Grünen auch CDU, Linke und SPD. Damit Hilbert seine FDP mit einem Bürgermeisterposten ausstatten kann, habe man den Liberalen einen "roten Teppich ausgerollt." So sei der FDP unter anderem ein Bereich mit Ordnung, Sicherheit, Sport und noch mehr angeboten worden.
"Für die Bürger bedeutet das, es wird ab 12. September keine funktionsfähige Verwaltung geben, weil Bürgermeisterposten nicht besetzt sind", sagt Filius-Jehne. "Bürgermeister sind aber kein Hofstaat des OB, sondern werden vom Stadtrat gewählt, um mit diesem zu arbeiten. "Herr Hilbert agiert wie ein Großfürst, das funktioniert aber nicht. Er hat alle maximal provoziert. Jetzt muss er einen konstruktiven Weg mit allen Beteiligten finden."
Dem pflichtet auch auch die Linke bei. "Die Destruktionspolitik des Oberbürgermeisters hat nun dazu geführt, dass die Stadt Dresden in Kürze ohne eine funktionierende Verwaltungsspitze dasteht", so Fraktionschef André Schollbach. "Der Kampf um einen Posten für seine FDP ist Herrn Hilbert offensichtlich wichtiger als das Wohl der Stadt."
"Das richtet sich nicht gegen einzelne Personen"
Der Attackierte wehrt sich damit, dass er seit mindestens sechs Monaten eine Umstrukturierung der Verwaltung fordere. "Erst in den vergangenen Tagen ist es zu ernsthaften Gesprächen gekommen." Vermutlich sei jetzt die Zeit zu kurz geworden. Er wolle nun weitere Gespräche führen, um eine Einigung zu finden.
Sein nicht erteiltes Einvernehmen für Lames begründet er damit, dass die Strukturen ja noch nicht geklärt seien und die Fraktionen noch nicht die von ihm vorgelegt Vereinbarung wie von ihm gefordert unterschrieben haben. Die Vereinbarung ist Hilberts Versuch, die Räte auf sein Wahlprogramm einzuschwören. "Eine fixierte Vereinbarung ist Voraussetzung für mein Einvernehmen. Das richtet sich nicht gegen einzelne Personen", versichert Hilbert. Er habe es es 2001 auch erlebt, wie schwierig es für die Betroffenen ist. "Damals wurde sogar gegen die Besetzung der Bürgermeister geklagt", so der OB.
Hilbert war 2001 gegen den ausdrücklichen Willen des damaligen Oberbürgermeisters Ingolf Roßberg (FDP) ins Amt des Wirtschaftsbürgermeisters gekommen, weil es damals noch keine Einvernehmens-Regelung gab. Diese wurde erst später im Gesetz verankert. Die SPD hatte gegen die Besetzung der Bürgermeister insgesamt geklagt, weil nur CDU und FDP diese unter sich ausgehandelt hatten.
Das Papier, die sogenannte Vereinbarung, hat Hilbert den fünf Fraktionschefs vor etwa zwei Wochen zukommen lassen. Die haben aber noch erheblichen Änderungsbedarf. Hilberts Interesse sei es weiterhin, mit den Fraktionen, die den Haushalt beschlossen haben, zusammen zu arbeiten - also Grünen, CDU, Linke, SPD und auch seine FDP.
Hilbert geht davon aus, dass im September erneut gewählt werden könne, wenn es eine Einigung zwischen den fünf Beteiligten gibt.