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Peter Kulka und sein Erbe: Wie Sachsen zu seinem neuen Landtag kam

Der Neue Sächsische Landtag am Elbufer gehört wie Zwinger, Kathedrale und Semperoper zu den Sehenswürdigkeiten Dresdens. Vor 30 Jahren wurde er eröffnet. Wo sich die vorherigen Landtagsgebäude befanden.

Von Ralf Hübner
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Zur Eröffnung des Sächsischen Landtages kamen am 11. Februar 1994 viele Besucher.
Zur Eröffnung des Sächsischen Landtages kamen am 11. Februar 1994 viele Besucher. © Marion Gröning (Archiv)

Dresden. Die Glasfassade des Plenarsaales des Neuen Landtages hat nicht nur einen funktionalen Zweck. Sie soll Transparenz bei politischen Entscheidungen symbolisieren. Als der Plenarsaal vor 30 Jahren am 12. Februar 1994 eingeweiht wurde, war er der erste Bau dieser Art im Osten Deutschlands. Die Pläne dafür stammen vom Architekten Peter Kulka, der Anfang Februar 2024 verstorben ist. Mittlerweile wird an einem Erweiterungsbau gearbeitet.

Zu dem Festakt vor 30 Jahren war auch Berliner Politprominenz an die Elbe gereist. Die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth nannte den in rund zweieinhalb Jahren entstandenen Bau einen "Ausdruck für den Geist des Aufbruchs und der Leistungskraft" Sachsens. Von einem "Zeichen der Moderne" in der Barockstadt Dresden sprach der damalige Landtagspräsident Erich Iltgen. Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) überreichte ihm zur Einweihung eine Sachsen-Fahne und eine Glocke. Tausende Menschen nutzten nach dem Festakt bei einem "Tag der offenen Tür" die Gelegenheit, den neuen Bau auch von innen zu betrachten. Es ist inzwischen der dritte Landtagsbau in Dresden.

"Fliegender Landtag" bis zum 17. Jahrhundert

Die frühen Landtage des 15. und 16. Jahrhunderts wurden unter anderem in Leipzig, Grimma, Oschatz, Chemnitz oder Torgau in landesherrlichen Schlössern, Amtsgebäuden oder auch Kommunalbauten abgehalten. Ab dem 17. Jahrhundert fanden die Landtagssitzungen zumeist in Dresden im Schloss oder Schlossbereich statt. Bis 1701 wurde das Parlament in der Regel im Riesensaal des Schlosses eröffnet. Sachsens erster fester Parlamentsbau war das Landhaus, das heutige Museum für Stadtgeschichte in Dresden. Ab 1776 tagte das Parlament dort.

Der Professor für Baukunst an der Kunstakademie, Friedrich August Krubacius, hatte es auf dem Ruinengrundstück des Flemmingschen Palais errichtet, das bei dem Beschuss der Preußen während des Siebenjährigen Krieges 1760 zerstört worden war. Es vereinte Elemente des Spätbarock, des Rokoko sowie – für Dresden damals neu – auch des Frühklassizismus. Am 16. Oktober 1775 traten die Landstände mit ihren drei Körperschaften, den Standesherren, Rittern und Städten, zu ihrer ersten Sitzung zusammen.

Mit der Einführung der Verfassung von 1831 waren jedoch die Erste und Zweite Kammer des Landtages an die Stelle der bisherigen drei Kurien getreten. Deshalb musste umgebaut werden. Schon 1863 wurde ein Neubau beschlossen. Doch zunächst tat sich wenig. Als 1895 Paul Wallot, der Architekt des Reichstages in Berlin, an die Dresdner Kunstakademie berufen wurde, erhielt er den Auftrag, einen neuen Landtag entwerfen. Dabei wollte Wallot das Brühlsche Palais, das sich an Stelle der Brühlschen Terrasse befand, eigentlich erhalten und lediglich ergänzen. Die Zweite Kammer des Landtages billigte den Entwurf, die Erste Kammer lehnte ihn jedoch ab.

Vor allem der Dresdner Oberbürgermeister Otto Beutler, der dort Abgeordneter war, plädierte für Abriss und Neubau. Wallot legte immer neue Entwürfe vor. Schließlich wurde der Architekt Wilhelm Kreis hinzugezogen, der spätere Erbauer des Hygiene-Museums. Zeitweise war sogar eine Verkürzung der Brühlschen Terrasse diskutiert worden. Im Ergebnis blieb die Terrasse erhalten und ein Turm mit der vergoldeten Figur der Saxonia als Minerva wurde dem neuen Bau angefügt.

Vom Schlossplatz her wurde die Eingangshalle des Hauses über das Vestibül betreten, wo sich zwei Brunnen aus dem ehemaligen Brühschen Palais befinden. Ein vor allem heutzutage kaum vorstellbares Ereignis: Mit 4,248 Millionen Goldmark blieben die Baukosten um 182.000 Goldmark unter der veranschlagten Bausumme. "Die unbedingte Sachlichkeit als sicherer Leitstern und Kompass, sie möge die Erwählten des Volkes in allem Sturm und Drang der Verhandlungen auch im neuen Heim führen“, schrieben die die Dresdner Nachrichten anlässlich der ersten Sitzung im neuen Haus am 14. Oktober 1907.

Erste Nachwende-Sitzung in der Dreikönigskirche

Von der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg blieben lediglich Vestibül, Eingangshalle und die Haupttreppenhäuser erhalten. Die Plenarsäle hingegen wurden völlig zerstört. Jetzt sind in dem Gebäude das Oberlandesgericht und das Landesamt für Denkmalpflege beheimatet. Doch auch der Landtag ist für Repräsentationszwecke weiter mit Räumen im Haus präsent.

Das alte Landesfinanzamt in Dresden wurde nach der Wende um diesen Glasanbau erweitert - heute Sitz des Sächsisches Landtages.
Das alte Landesfinanzamt in Dresden wurde nach der Wende um diesen Glasanbau erweitert - heute Sitz des Sächsisches Landtages. © Matthias Rietschel

Nach dem Krieg tagte der erste, am 20. Oktober 1946 gewählte Landtag zunächst im Ballsaal des 1911 errichten Soldatenheims an der Königsbrücker Straße, dem jetzigen Goethe-Institut. Nach 1990 traten die Abgeordneten des wiedergegründeten Freistaates Sachsen zunächst in der Dreikönigskirche zusammen. Das Ständehaus am Schlossplatz erwies sich für einen modernen Parlamentsbetrieb als nicht mehr geeignet. So geriet das Gebäude des ehemaligen Landesfinanzamtes an der Devrientstraße in den Blick, wo sich nach dem Krieg die Stadt- und Bezirksleitung der Sozialistischen Einheitspartei einquartiert hatten. Der Bau war von 1928 bis 1931 auf rund 1.000 Stahlbetonpfählen errichtet worden. Dieses Gebäude wurde von Kulka um einen Plenarsaal und Bürgerforum erweitert.