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Bekommt Dresden dauerhaft böllerfreie Zonen?

Zwei Jahre in Folge konnte in Dresden wegen Corona zu Silvester nicht geknallt werden. Erste Initiativen fordern das auch für die Zukunft. Was konkret geplant ist.

Von Dirk Hein
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Zum letzten Mal wurde Anfang 2020 so imposant in Dresden geböllert.
Zum letzten Mal wurde Anfang 2020 so imposant in Dresden geböllert. © kairospress

Dresden. Coronabedingt durften zwei Jahre in Folge zu Silvester keine großen Feuerwerke in Dresden verkauft werden. Auch das Abbrennen war teilweise verboten. Jetzt liegen Daten vor, ob Kliniken und Müllabfuhr dadurch wirklich entlastet wurden. Das Böllerverbot wird erneut zum Thema im Stadtrat.

Hat das Böllervebrot Kliniken und Stadtreinigung entlastet?

Auf Anfrage der Linken hat sich dazu jetzt das Rathaus mit wichtigen Zahlen geäußert. In den Notaufnahmen des Städtischen Klinikums Dresden wurden demnach an Silvester und Neujahr 2020 zusammengerechnet 254 Patienten behandelt. In den folgenden Jahren ohne Feuerwerksverkauf waren es 178 und 207 Personen.

"Eine Entlastung aufgrund des 'Böllerverbotes auf öffentlichen Plätzen' haben die Kollegen unserer Notaufnahmen nicht erfahren", so Kliniksprecherin Viviane Piffczyk. Neben den Verletzungen durch Feuerwerkskörper gab es zahlreiche Aufnahmen nach tätlichen Angriff sowie nach übermäßigen Alkohol- und Drogenkonsum.

In den beiden Notaufnahmen des Uniklinikums wurden rund um den Jahreswechsel auf 2020 zusammen 238 Patienten behandelt. In den Folgejahren waren es 165 und 183 Menschen.

Deutlich entspannter konnte jedoch die Stadtreinigung ins neue Jahr starten. Im Januar 2020 betrug der Mehraufwand zur Beseitigung der Silvesterverunreinigungen 102 Arbeitsstunden, im Jahr 2021 hingegen lediglich 10,5 Stunden. 2022 waren es zwölf Arbeitsstunden.

Wer spricht sich für ein Böllerverbot aus?

"Es wäre so wichtig, wenn wir jetzt diese Diskussion starten würden. Uns geht es darum, die komplett ungeregelte private Böllerei einzudämmen", sagt Louise Hummel-Schröter. Die 37-jährige Dresdnerin engagiert sich bei "Parents for Future", beim BUND und seit 2019 auch für starke Einschränkungen beim Feuerwerk.

"Tiere werden aufgeschreckt, sie können Knalltraumata erleiden, sie können verletzt werden, die Winterruhe wird gestört", begründet Louise Hummel-Schröter. Bei ihr spielt aber auch ein persönlicher Aspekt mit. "Ich habe Angst vor Feuerwerk. Neujahr war für mich daher immer mit Sorgen behaftet."

Louise Hummel-Schröter und Ronny Geißler wünschen sich böllerfreie Bereiche in der Stadt, zum Beispiel an den Elbwiesen oder in dicht bewohnten Gebieten.
Louise Hummel-Schröter und Ronny Geißler wünschen sich böllerfreie Bereiche in der Stadt, zum Beispiel an den Elbwiesen oder in dicht bewohnten Gebieten. © René Meinig
Eine einzelne Rakete vor dem Panorama von Elbflorenz: So feierte Dresden in den letzten beiden Jahren.
Eine einzelne Rakete vor dem Panorama von Elbflorenz: So feierte Dresden in den letzten beiden Jahren. © René Meinig
Aufräumen nach Silvester: Die Müllabfuhr hatte in den letzten beiden Jahren deutlich weniger Arbeit.
Aufräumen nach Silvester: Die Müllabfuhr hatte in den letzten beiden Jahren deutlich weniger Arbeit. © René Meinig

Unterstützung bekommt sie von Ronny Geißler. Der Dresdner hilft seit Jahren ehrenamtlich bei "Wir lieben Elbe". Jahr für Jahr lesen die Freiwilligen zum Jahresbeginn den Müll von den Elbwiesen. "Es frustriert mich, dass die Stadt zu Neujahr immer so aussieht, überall liegt Müll und Dreck, die Abfälle werden in die Elbe geweht."

Die Forderung der beiden an die Politik: Der Stadtrat soll sich mit dem Thema befassen. "Silvester soll so gefeiert werden, dass sich alle Menschen und auch die Umwelt wohlfühlen."

Welche Positionen vertreten die Stadträte?

"Ein komplettes Böllerverbot würde in Dresden wohl nicht mehrheitsfähig sein", sagt Linke-Rat Christopher Colditz. Er befürwortet jedoch deutliche Einschränkungen. "Doch das funktioniert nur, wenn ein Gegenangebot gemacht wird, zum Beispiel öffentliche Events und von Profis gemachte Feuerwerke."

Die Grünen im Stadtrat hatten bereits 2020 einen Eilantrag für ein Feuerwerksverbot in den Rat eingebracht. Der Antrag wurde damals nicht zugelassen. OB Dirk Hilbert (FDP) verbot das Böllern jedoch von selbst per Allgemeinverfügung.

Auch dieses Jahr wollen die Grünen einen vergleichbaren Antrag in den Rat einbringen. Sehr wahrscheinlich wird darin gefordert, das Feuerwerk in der Innenstadt "deutlich zu reduzieren".

Raketen können zum Beispiel an vorab genehmigten Orten gezündet werden. Denkbar wäre laut den Grünen ein Verbot von "Böllern und anderen pyrotechnischen Gegenständen mit ausschließlicher Knallwirkung". Stadträtin Andrea Mühle: "Das ist ein Wunsch aus der Bürgerschaft und von unseren Mitgliedern. Es gibt das Bedürfnis, Silvester anders zu feiern."

Neben Natur- und Tierschutz spiele jetzt auch der Krieg in der Ukraine eine Rolle. Im Angesicht des Krieges solle auf ein ungezügeltes und lautes Silvester verzichtet werden. Mühle: "Der Weg dahin ist nicht leicht, es braucht gute Gründe, um solche Einschränkungen zu beschließen, aber es muss möglich sein."

CDU-Chef Peter Krüger: "Jeder, der verantwortungsvoll feiert, soll selber entscheiden, ob er böllert. Es wird von uns keine Zustimmung zu neuen Verboten geben."

Wie reagiert die Stadtverwaltung auf den Vorstoß der Grünen?

In der Verwaltung seien aktuell "keine Überlegungen zu böllerfreien Zonen in Dresden bekannt", heißt es. Anzeigen für Silvesterveranstaltungen auf städtischen Flächen liegen bislang jedoch auch nicht vor.

Die Verbote der letzten Jahre begründeten sich laut dem städtischen Ordnungsamt aus dem Infektionsschutz gegen Corona. "Im Hinblick auf den Jahreswechsel 2022/23 bleibt abzuwarten, wie sich die Pandemie entwickelt."

Wie eine Abstimmung im Rat zu dem Thema ausgehen wird, ist offen. Zum einen argumentiert das Rathaus, dass solche Erlaubnisse und Verbote gar nicht in den Zuständigkeitsbereich des Rates fallen könnten. Zudem haben sich CDU, AfD, FDP und Freie Wähler bisher immer gegen solche Verbote ausgesprochen.

Die kompletten Pyro-Verbote der letzten beiden Jahre haben zudem die Wirtschaft getroffen. Die Feuerwerksfirma Weco musste ihr endgültiges Aus verkünden.