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Schleuserfahrt mit Todesfolge: Was steckt dahinter?

Nach einem tödlichen Schleuser-Unfall auf der A17 im Sommer wird jetzt am Landgericht gegen zwei Männer verhandelt, die sich bei ihren Aussagen oft in Widersprüche verstricken.

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Der Prozess im Landgericht Dresden hat begonnen. Im Foto: der 23-jährige Georgier Gasan Pashaevi (Mitte), mit Dolmetscherin (l.) und Anwalt Ronald Mayer (r,) aus Freital.
Der Prozess im Landgericht Dresden hat begonnen. Im Foto: der 23-jährige Georgier Gasan Pashaevi (Mitte), mit Dolmetscherin (l.) und Anwalt Ronald Mayer (r,) aus Freital. © Marko Förster

Von Friederike Hohmann

Eine Frau starb, als ein Schleuser im Juli auf der A17 vor der Polizei flüchtete. Gegen den Georgier und einen möglichen tadschikischen Komplizen begann am Dienstag der Prozess vor der Großen Strafkammer am Landgericht Dresden.

Am Morgen des 13. Juli vorigen Jahres wollte die Polizei bei Bad Gottleuba-Berggießhübel einen Kleintransporter stoppen. Der georgische Fahrer Gasan P. beschleunigte jedoch und beim Versuch zu fliehen, kam er bei Bahratal von der Fahrbahn ab, verlor die Kontrolle über das Fahrzeug und fuhr gegen einen Wildzaun. Der Renault Trafic mit mindestens sieben ungesicherten Erwachsenen und einem Kind überschlug sich einige Male, mehrere Insassen wurden schwer verletzt. Eine 44-jährige Türkin erlag noch an der Unfallstelle ihren schweren Verletzungen.

Widersprüchliche Aussagen zu Schule und Kind

Der 23-jährige Fahrer kam sofort in Haft. Die Staatsanwaltschaft wirft dem bereits wegen Einschleusens von Ausländern Vorbestraften neben der Schleusung mit Todesfolge noch fünf weitere Schleuserfahrten vor. Auch bei denen waren die Insassen nicht gesichert und dadurch gefährdet.

Der damals 24-jährige Tadschike Said S. soll in einem anderen Fahrzeug auf der gleichen Strecke unterwegs gewesen sein. Er habe den georgischen Fahrer durch das Senden von Informationen unterstützt und ist deshalb als Mittäter der Fahrt mit tödlichem Ausgang angeklagt. Auch er wurde im Juli festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Drei bei dem Unfall schwer Verletzte - eine Frau, ein Mann und ein Kind - treten als Nebenkläger auf.

Die Unfallstelle auf der A17 bei Bahretal: Hier kam der Transporter im Juli letzten Jahres von der Fahrbahn ab.
Die Unfallstelle auf der A17 bei Bahretal: Hier kam der Transporter im Juli letzten Jahres von der Fahrbahn ab. © Marko Förster

Der Vorsitzende Richter Herbert Pröls hatte für den ersten Verhandlungstag noch keine Zeugen geladen. So wollte er den beiden Angeklagten die Möglichkeit geben, sich umfangreich zu den Vorwürfen zu äußern. Er hoffe, qualitativ hochwertige Aussagen zu bekommen, die nach der Beweisaufnahme „nicht in höherem Maße der Korrektur bedürfen“, sagte er an die Angeklagten gerichtet. Diese Hoffnung erfüllte sich für ihn zumindest am ersten Verhandlungstag nicht.

Zwar räumte Gasan P. zu Beginn alle Schleuserfahrten ein, machte aber zu seiner Person und den Umständen der Fahrten nur widersprüchliche Aussagen. So gab er zunächst an, in Georgien geboren und sieben Jahre zur Schule gegangen zu sein, um zwei Sätze später zu behaupten, seine Mutter sei mit ihm, als er neun Jahre alt war, in die Türkei gezogen. Dort hätte er arbeiten müssen und sei gar nicht zur Schule gegangen. Nach dem Geburtsdatum seines Kindes befragt, das er zuvor erwähnt hatte, konnte er keine Antwort geben. Ein Jahr alt sei es etwa.

Von Reue nichts zu hören

Immer wieder beantwortete er die Fragen des Richters unvollständig oder ausweichend. Selbst als der ihn mit Aussagen, die er selbst bei seinem Prozess am Amtsgericht Görlitz gemacht hatte, konfrontierte, hielt Gasan P. sich bedeckt. Auch zur Symbolik der auffälligen Tattoos auf seinen Handrücken möchte er sich nicht äußern, hält sie für eine Privatangelegenheit. Doch für den Vorsitzenden Richter gibt es da möglicherweise einen Zusammenhang. Er hält es für möglich, dass Gasan P. sich wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Bande nicht äußert. So sind die Äußerungen des Angeklagten aus Richter-Sicht nicht als vollwertiges Geständnis zu werten. Auch hält der Richter Gasan P. vor, dass er von Reue über den Tod der Frau und die schweren Verletzungen der Geschleusten wenig gehört hätte.

Außerdem angeklagt: der 24-jährige Tadschike Said S.(Mitte), mit Dolmetscher (l.) und Anwalt Bert Albrecht (r.) aus Freital.
Außerdem angeklagt: der 24-jährige Tadschike Said S.(Mitte), mit Dolmetscher (l.) und Anwalt Bert Albrecht (r.) aus Freital. © Marko Förster

Auch vom anderen Angeklagten Said S. war über die Umstände der Schleuserfahrt kaum Brauchbares zu erfahren. Er behauptete, dass er in Budapest zwei Frauen und vier oder fünf Männer in einen ihm zur Verfügung gestellten Transporter ohne Sitze einstiegen ließ und dann mit ihnen gewissermaßen im Blindflug quer durch Osteuropa gefahren sei. Er hätte Stück für Stück neue Zieldaten erhalten und erst bei seiner Festnahme von der Polizei erfahren, dass er in Deutschland gelandet war. Von anderen Fahrzeugen, die fast zeitgleich mit ihm mehrere Mautstellen passierten, habe er nichts mitbekommen. Auch die großen Verkehrsschilder auf der Autobahn und an den Grenzübergängen hätte er nicht gesehen, sich nur stur vom Navigationssystem leiten lassen.

Transporter an vereinbartem Ort

Kontakt hätte er ausschließlich mit einem Ukrainer namens Viktor gehabt, selbstredend nur telefonisch. Den Transporter fand er angeblich unverschlossen mit Schlüssel im Fahrzeugraum an einem vereinbarten Ort vor. Der Lohn für die Fahrten sollte ihm am Ende des Monats auf ein Konto überwiesen werden. Zur Übermittlung der Kontonummer hätte er allerdings keine Zeit gehabt. Wovon er denn bis dahin seinen Lebensunterhalt bestreiten wollte, konnte er nicht sagen.

Der Prozess wird am 19. Februar fortgesetzt.

Weitere Prozesse in den nächsten Tagen

Am Amtsgericht Pirna werden zurzeit wöchentlich mehrmals Schleuser zur Haftstrafen verurteilt. Fast immer wurden Menschen ungesichert und oftmals eingepfercht nach Deutschland gebracht. Nun wird aber auch am Landgericht häufiger gegen Schleuser verhandelt. So begann am Dienstag ein weiterer Prozess vor der Großen Strafkammer gegen zwei Männer aus Polen, die bei drei Fahrten bis zu 22 Geschleuste ungesichert an Bord hatten. Am Mittwoch beginnt am Landgericht ein Prozess gegen einen Iraker, der bei sieben Fahrten immer wieder sehr viele Menschen, einmal waren es 34 in Peugeot Boxer, nach Deutschland gebracht haben soll.