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Der Duft der Beute

Tharandter Forstwissenschaftler haben entdeckt, wie man die Feinde des Borkenkäfers zu ihrem Lieblingsessen lockt.

Von Jörg Stock
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Der Ameisenbuntkäfer (l.) hat den Borkenkäfer zum Fressen gern. Mit einem Designerduftstoff will der Tharandter Waldschutz-Professor Michael Müller den Jäger auf die Spur des Schädlings bringen.
Der Ameisenbuntkäfer (l.) hat den Borkenkäfer zum Fressen gern. Mit einem Designerduftstoff will der Tharandter Waldschutz-Professor Michael Müller den Jäger auf die Spur des Schädlings bringen. © Daniel Schäfer

Die Borkenkäfer fressen den Wald auf. Warum nicht zurückschlagen und die Käfer aufessen? An der Fachrichtung Forstwissenschaften in Tharandt wird darüber tatsächlich nachgedacht. Es läuft eine Forschungsarbeit, sagt Michael Müller, Chef der Professur für Waldschutz, die zusammen mit Lebensmittelchemikern ergründet, welche Stoffe in Borkenkäfern enthalten sind, und ob man diese prinzipiell essen könnte. Zum wirklichen Fressfeind der Käfer wird der Mensch wohl dennoch nicht werden. Das muss er auch nicht, den diesen Feind gibt es längst: den Ameisenbuntkäfer.

Buntkäfer sind die perfekten Jäger

Ameisenbuntkäfer sind die perfekten Borkenkäferjäger. Flach gebaut, wendig und bewaffnet mit zangenartigen Mundwerkzeugen, patrouillieren sie auf den Baumstämmen umher, packen erspähte Borkenkäfer blitzschnell mit ihren Vorderbeinen, reißen ihnen Kopf und Flügel ab und verputzen die Weichteile. Die Buntkäfer dezimieren auch den Borkenkäfernachwuchs, indem sie ihre eigenen Eier in die Bohrlöcher legen. Schlüpfen die Buntkäferlarven, so fressen sie die Eier, Larven und Puppen der Borkenkäfer auf.

Der Ameisenbuntkäfer ist in echt etwa einen Zentimeter groß. Er vertilgt ausgewachsene Borkenkäfer, vernichtet aber auch deren Brut, indem er seine Eier in die Borkenkäferkinderstuben legt.
Der Ameisenbuntkäfer ist in echt etwa einen Zentimeter groß. Er vertilgt ausgewachsene Borkenkäfer, vernichtet aber auch deren Brut, indem er seine Eier in die Borkenkäferkinderstuben legt. © Fachrichtung Forstwissenschaften

Die Buntkäfer leben überall in den Wäldern Europas. Doch sie vermehren sich weit weniger stark als die Borkenkäfer. Ein Pärchen des jetzt so gefürchteten Großen Fichtenborkenkäfers erzeugt bei so günstigem Wetter wie jetzt jährlich zwanzig- bis dreißigtausend Nachkommen. Gegen diese Massenvermehrung, sagt Michael Müller, kann der Buntkäfer nicht anfressen. In normalen Jahren jedoch würde es helfen, sie gezielt an die Befallsherde zu locken. Müllers Team hat dafür einen Weg ausgeforscht. Der Borkenkäfer soll mit seinen eignen Waffen geschlagen werden.

Feinde der Borkenkäfer sind nicht wählerisch

Diese Waffe nennt man Pheromone. Das sind Duftstoffe, mit denen die Borkenkäfer kommunizieren. Sie locken damit Artgenossen an, um sich zu paaren, aber auch, um in der Masse einen Baum zu überwinden, damit er als Brutplatz dienen kann. Bestimmte Anteile der Borkenkäferdüfte kann auch der Ameisenbuntkäfer riechen. So findet er zu den Orten, wo es Nahrung gibt.

Nachgebaute Lockstoffe der Borkenkäfer werden schon heute zum Fangen der Insekten genutzt. Diese Tiere stammen aus einer Falle im Tharandter Wald.
Nachgebaute Lockstoffe der Borkenkäfer werden schon heute zum Fangen der Insekten genutzt. Diese Tiere stammen aus einer Falle im Tharandter Wald. © Daniel Schäfer

Pheromone nachbauen kann der Mensch schon länger. Borkenkäferfallen werden damit bestückt, um anhand der eingefangenen Käfermenge auf die Entwicklung der Population zu schließen. Ameisenbuntkäfer folgen diesen Ködern ebenfalls. Will man aber das Holz beschützen, bräuchte man einen Stoff, der nur die Borkenkäferfeinde anlockt, keinesfalls aber die Borkenkäfer selbst.

Lockstoffsuche ist ein Millionenprojekt

Aus welchen Komponenten dieser Stoff bestehen müsste, hat Michael Müller mit seinen Kollegen nun herausgefunden. Vier Jahre forschte er im Verbundprojekt "Bioprotect" mit der Uni Göttingen und der Ostdeutschen Gesellschaft für Forstplanung in Potsdam an dem Problem. Rund 1,1 Millionen Euro Fördergelder sind geflossen. Müller hält es für realistisch, dass die Methode in drei bis vier Jahren marktreif ist. "Dann kaufen Waldbesitzer keine Insektizide mehr, sondern naturnahe Stoffe, die sie an Rohholzstapeln anbringen." 

Ein mit Insektizid behandelter Holzstapel voriges Jahr bei Dürrröhrsdorf. Könnte man die Fressfeinde der Borkenkäfer zu solchen Stapeln lotsen, wäre Gift womöglich überflüssig.
Ein mit Insektizid behandelter Holzstapel voriges Jahr bei Dürrröhrsdorf. Könnte man die Fressfeinde der Borkenkäfer zu solchen Stapeln lotsen, wäre Gift womöglich überflüssig. © Dirk Zschiedrich

Bei den Versuchen mit präparierten Stapeln wurde der Borkenkäferbefall dank des neuartigen Dufts und seiner Anziehungskraft für Buntkäfer um 60 bis 70 Prozent reduziert. Entscheidend dabei ist die Erkenntnis, dass die einzelnen Borkenkäferarten nur ihre eigenen Botenstoffe wahrnehmen. Fichtenborkenkäfer können sich untereinander riechen, Fichten- und Buchenborkenkäfer aber nicht. Im Gegensatz dazu ist es dem Buntkäfer egal, welche Käferart das Signal aussendet.

Hightech analysiert den Käferdunst

Der Trick ist also, in den Nadelwäldern genau solche Lockstoffe einzusetzen, die für Laubwälder typisch sind. Die Fichtenborkenkäfer reagieren darauf nicht. Die Laubwaldborkenkäfer kommen zwar angeflogen, können aber mit dem Nadelholz nichts anfangen. Die eintreffenden Fressfeinde hingegen nehmen, was da ist. Hauptsache Borkenkäfer.

Der Duft der Beute muss nicht großflächig auf dem Holz versprüht werden. Ampullen, Fläschchen oder dünne Glasröhrchen mit dem Botenstoff würden genügen.
Der Duft der Beute muss nicht großflächig auf dem Holz versprüht werden. Ampullen, Fläschchen oder dünne Glasröhrchen mit dem Botenstoff würden genügen. © Daniel Schäfer

Für die Zusammenstellung eines wirksamen Bukets müssen die Düfte der Borkenkäfer zunächst eingefangen werden. Dazu dienen abgedichtete Kammern, in denen man die Käfer brüten lässt. Ihre Ausdünstungen werden abgesaugt und die Inhaltsstoffe mit speziellen Analyseverfahren - Gaschromatografie und Massenspektroskopie - bestimmt. Einzelne Komponenten werden dann den Ameisenbuntkäfern vorgesetzt um die Reaktion zu testen. "Das ist ein jahrelanger Weg", sagt Professor Müller", bis die geeignete Komposition gefunden ist."

Mistwetter ist die einzig mögliche Rettung

Gefunden sind die Zutaten nun. Doch wer macht daraus ein fertiges Produkt? Wer immer es tut: Das Ergebnis wird bei Weitem teurer sein als ein herkömmliches Insektizid. Am Markt wird es nur bestehen können, sagt Michael Müller, wenn es vom Staat gestützt wird. Dafür braucht es ein politisches Bekenntnis, vergleichbar vielleicht mit jenem für den Öko-Landbau. Retten können den Wald die Designerdüfte nicht. Das kann nur, der Professor muss es so deutlich sagen, ein volles Jahr Mistwetter.    

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