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Attacke auf Grüne-Politikerin: "Ich habe der Frau das Ei auf die Stirn gehau’n"

Ein 61-Jähriger Ottendorfer muss eine satte Geldstrafe zahlen. Er hatte sich an einem Grünen-Infostand in Dresden-Weixdorf zu Übergriffen hinreißen lassen.

Von Alexander Schneider
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Maske, Mütze, Sonnenbrille und ein rechtes Magazin: Der Mann, der im Mai der Grünen-Stadträtin Ulrike Caspary ein Ei ins Gesicht schlug, stand nun vor dem Amtsgericht Dresden.
Maske, Mütze, Sonnenbrille und ein rechtes Magazin: Der Mann, der im Mai der Grünen-Stadträtin Ulrike Caspary ein Ei ins Gesicht schlug, stand nun vor dem Amtsgericht Dresden. © Foto: Rene Meinig

Dresden. Ob der Mann von Anfang an geplant hatte, der Grünen-Stadträtin Ulrike Caspary ein Ei ins Gesicht zu klatschen? Das bleibt auch in seinem Prozess unklar. Am 23. Mai besuchte der 61-Jährige den Info-Stand in Weixdorf, wo Caspary für OB-Kandidatin Eva Jähnigen warb. In der hitzigen Diskussion mit Handwerkern ging es aber nicht um lokale Themen, sondern um Waffenlieferungen an die Ukraine. Caspary argumentierte, sie habe mit dem Bundesvorstand ihrer Partei nichts zu tun, teile aber die Haltung zum Ukraine-Krieg – patsch, da hatte sie das rohe Hühnerei im Gesicht.

Am Donnerstag, einen guten Monat nach jener Montagseskalation, steht Jörg T. aus Ottendorf-Okrilla als Angeklagter vor dem Amtsgericht Dresden. Die Staatsanwaltschaft hatte ein sogenanntes beschleunigtes Verfahren gegen ihn angestrengt. Viel zu ermitteln gab es nicht, T. hatte seine Taten schon zwei Tage später gestanden, als Polizisten ihm zu Hause mit einer sogenannten Gefährderansprache die Konsequenzen derartiger Gewaltausbrüche verdeutlichten.

„Es tut mir leid"

Die Anklage wirft dem Mann nun Körperverletzung in zwei Fällen vor. Nach dem Schlag mit dem Ei habe T. auch den Ex-Stadtrat Norbert Engemaier mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Der 40-Jährige hatte T. hinüber zum Lidl-Parkplatz verfolgt und fotografiert. Engemaier trug eine Prellung, eine blutende Nase und eine geschwollene Oberlippe davon und war zwei Tage arbeitsunfähig.

Jörg T., nicht vorbestraft, gelernter Elektriker und Inhaber eines kleinen Hausmeisterdienstes in finanziellen Nöten, kommt vermummt in den Saal. Sein Gesicht versteckt er der Zeitschrift eines rechtsextremen Leipziger Verlags. Nun gibt er sich reuig: „Es tut mir leid. Ich habe der Frau das Ei auf die Stirn gehau’n.“ Jemand habe ihn verfolgt und fotografiert. Er habe den Mann weggestoßen, aber nicht geschlagen.

"Die können alles machen!"

„Haben Sie immer Eier dabei?“, fragt der Richter. Die habe er zuvor gekauft, im Zehnerpack. Er sei bewusst zu dem Infostand gefahren, um mit Caspary zu sprechen. Der Mann klagt, er sei seit 1992 selbstständig und habe für seine Fehler die Verantwortung zu übernehmen. In der Politik werde niemand zur Verantwortung gezogen: „Die können alles machen!“

Warum er dabei ausgerechnet auf Caspary kam, die 55-Jährige ist selbst Handwerksmeisterin mit eigener Tischlerei, sagt er nicht. Aber: Mit der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine sei eine Grenze erreicht gewesen. Darauf entgegnet der Richter, Ulrike Caspary sei eine der wenigen lokalen Politikerinnen, die sich den Bürgern auf der Straße stellt, „andere machen das ganze Jahr den Mund nicht auf“.

„Es hat vielleicht die Falsche getroffen“, räumt der 61-Jährige ein, der sich einen Pazifisten und Christen nennt. „Ich weiß, dass man keinen Konflikt mit Gewalt lösen kann“, es gehe um Leben und Tod, um Krieg und Frieden: „Es ging alles so schnell.“

Die Zeugin Caspary sagt, sie sei offen für andere Einstellungen und habe versucht, ins Gespräch zu kommen. Nach dieser Sache sei sie vorsichtiger geworden, sie gehe nicht mehr alleine an Stände. In seiner Entschuldigung, T. lächelt dabei, was einige irritiert, sagt er zu der Geschädigten: „Man fühlt sich wie ein Spielball, hat keine Möglichkeit der Einflussnahme."

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Norbert Engemaier sagt, dass er dem Angeklagten, der schnellen Schrittes das Weite suchte, mit dem Handy in der Hand gefolgt sei. Er habe Abstand gehalten und ihn überholt, um ihn fotografieren zu können. T. habe ihm mit der Faust ins Gesicht geschlagen, das gehe auch aus seinen Fotos hervor.

Der Richter verurteilt Jörg T. wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 4.400 Euro und sagt, das sei eine „dumme und nicht hinzunehmenden Aktion“ gewesen. Die Staatsanwältin hatte in ihrem Plädoyer sogar 7.500 Euro gefordert. Sie sagte, sie nehme dem Angeklagten die Reue nicht ganz ab. Sie sehe auch Selbstmitleid in seinen Äußerungen. Es könne nicht hingenommen werden, dass sich Stadträte und andere Politiker Gedanken machen müssen, ob sie sich künftig alleine an einen Infostand stellen.

Verteidiger Achim Schmidtke wunderte sich, dass die Justiz diese Sache so schnell und als beschleunigtes Verfahren angeklagt habe: "Ich halte das für unangebracht." Eine Geldstrafe in Höhe von 1.200 Euro sei ausreichend. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.