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Ein Mann für alle Fälle

Wie baut man ein Theater? Lutz Hofmann weiß es. Als Technik-Chef hat er zehn Jahre lang das TJG geplant.

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© Christian Juppe

Von Nadja Laske

Diese Geburt ist nicht nur schwer, sie dauert eine halbe Ewigkeit. „Vor knapp 14 Jahren bin ich ans Theater Junge Generation gekommen, da begann dort die Planung für ein neues Theaterhaus“, sagt Lutz Hofmann. Als „Geburtshelfer für künstlerische Prozesse“ sieht sich der Technische Direktor. Mit seinem Team sorgt er im Hintergrund dafür, dass Vorhänge sich öffnen, Schauspieler agieren und Zuschauer Kunst erleben können. Parallel dazu den Bau eines neuen Jugendtheaters vorzubereiten und zu begleiten, war von Anfang an seine Aufgabe.

Erste Arbeiten am alten Standort hatten schon begonnen, da fing das politische Ziehen und Zerren um eine neue Staatsoperette an. Und schließlich stand der Beschluss: Beide Ensembles werden künftig das Kulturkraftwerk bewohnen. Besser gesagt das Areal, auf dem Neubauten entstehen würden. So startete der Technische Direktor des TJG von vorn. Auf ungewöhnliche Weise: Er musste ein Luftschloss bauen, das erst über viele Jahre reale Gestalt annehmen würde.

Wenn der 50-Jährige jetzt, so kurz vor der Eröffnung des Kulturzentrums Kraftwerk Mitte am Freitag, durch die endlos langen Gänge und über die Bühnen in frischem Schwarz läuft, dann gibt es keine Steckdose, keinen Lüftungsschacht, keinen Scheinwerfer, keine Treppenstufe, die er nicht kennt. Zehn Jahre lang hat ihn die Frage beschäftigt: Wie soll ein neues TJG gemacht sein, was braucht das Ensemble, was braucht der Zuschauer?

Ohne Räume und Grundrisse zu kennen, beschrieb Lutz Hofmann das Theater der Zukunft. „Das war ein völlig abstraktes Arbeiten, bei dem es darum ging, alles so in Worte zu fassen, dass Architekten und Bauherren verstehen, was wir uns vorstellen.“ Wie viele Bühnen und Probebühnen soll es geben? Wie groß müssen sie sein? Wie viele Quadratmeter sind für das Aufbewahren und Bewegen der Kulissen nötig? Wie viel Lux Licht braucht jeder Raum? Und wie funktionieren Laufwege optimal?

Theatersprache, schwere Sprache

Weil Worte häufig nicht eindeutig sind und Theaterleute ihre eigene Sprache haben, von Fachbegriffen ganz abgesehen, gab es hier und da Aha-Effekte: Ach so, eine Vorstellungsmaske kommt nicht aufs Gesicht. Sie ist ein Raum, in dem Schauspieler für ihren Auftritt geschminkt und frisiert werden. Und was ist eine Theaterakademie? Für Lutz Hofmann und seine Kollegen gehören diese Bezeichnungen zum Alltag. Andere Fachleute müssen sie lernen.

Nach den Momenten des größten Nervenkrieges jener Zeit vor dem Baustart gefragt, erinnert sich der Technische Direktor an die Stunden vor Vertragsunterzeichnung. Im Rahmen der Kosten- und Terminplanung zu bleiben und trotzdem alles Nötige für die Theaterarbeit zu haben – ein Hexenwerk. „Heute sehe ich, wie viele unserer Ideen wirklich in das neue Theater eingeflossen sind. Das ist schön.“

Traurig aber macht Lutz Hofmann, dass trotz harten Ringens Möglichkeiten vergeben sind, vermutlich für immer. „So knapp vor dem Ziel fehlt es dann doch hier und da an den 100 Prozent, an der optimalen Lösung.“ Das schmerzt. Besonders die räumliche Trennung von den Werkstätten der beiden Theater. Sie haben ihren Platz nicht auf dem Kraftwerksgelände, sondern vor den Toren der Stadt. „Das wird viele Abläufe, die leicht und schnell funktionierten, schwieriger machen.“ Noch mehr bedauert Hofmann, die Werkstättenkollegen abgekoppelt vom Theaterleben zu sehen.

Die Bretter, die die Welt bedeuten, zu finden, auch dieses Abenteuer hat der Technische Direktor begleitet. „Früher waren die Bühnenbretter aus kanadischer Oregon Pinie gefertigt. Das ist heute viel zu teuer.“ Die Suche nach Alternativen brachte die Entscheider auf die Idee, im Theater Junge Generation vier verschiedene Alternativ-Bodenbeläge zu verlegen. Nächtelang verdienten vier Studenten ihr Geld damit, darauf zu springen, zu klopfen, Kulissenwagen hin und her zu schieben und auf diese Weise Spielbetrieb zu simulieren. Nun werden die TJG-Schauspieler auf Schwarzkiefer und auf Buchensperrholz probieren und spielen. Optisch verschwindet der Untergrund unter schwarzer Farbe. „Das hat Diskussionen mit den Bauleuten gekostet. Sie fanden schrecklich, dass bei uns immer alles schwarz ist – sogar Steckdosen und Wasserhähne.“ Doch nur so kann der Raum hinter Projektionen und Fantasien verschwinden. „Sichtbar soll nur sein, was darin ist, nicht der Raum selbst“, erklärt Lutz Hofmann.

Neue Orientierung finden

Doch was braucht ein Theater für kleine und junge Menschen? „Ein gutes Wegeleitsystem. Orientierung ist ganz wichtig.“ Niedrige Türklinken? „Das nicht. Zu Hause sind sie doch auch in normaler Höhe.“ Aber flexibel und beweglich müssen die Räume gestaltet sein, um viele verschiedene Spielmöglichkeiten zu erlauben. Das geschafft zu haben, zählt Lutz Hofmann zum großen Erfolg. „Wir haben nun Möglichkeiten, die es am TJG nie gab. Das ist großartig.“

Super wird er auch irgendwann ein halbwegs normales Arbeitspensum finden. „Ich habe meine Familie und Freunde schon aufs nächste Vierteljahr vertrösten müssen“, sagt Lutz Hofmann. Kinderkrankheiten kennt jedes Projekt. Es gibt noch viel zu tun. Nicht so viel, wie ganz junge und alte Besucher zum Theaterfoyer im Industrie-Design oft meinen: „Hier muss aber noch einiges gemacht werden.“ „Ja“, sagt dann der Technik-Chef gelassen, „Es wird schon noch mal durchgewischt.“

www.tjg-dresden.de