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Ältere Autofahrer stärker reglementieren?

Senioren am Steuer werden für viele Unfälle verantwortlich gemacht. Doch Experten warnen vor schnellen Urteilen.

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© dpa/Felix Kästle (Symbolfoto)

Dresden. Nie mehr selbst Auto fahren dürfen: Immer wieder geben meist ältere Menschen in Sachsen freiwillig den Führerschein ab. Die Senioren hätten oft gesundheitliche Probleme, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei den großen Städten ergab. Experten warnen jedoch, ältere Autofahrer stärker zu reglementieren. Laut Statistischem Landesamt sind im vergangenen Jahr bei Verkehrsunfällen auf Sachsens Straßen 198 Menschen ums Leben gekommen - 51 mehr als 2017.

56 Chemnitzer haben laut Stadtverwaltung in den vergangenen zwei Jahren ihre Fahrerlaubnis freiwillig abgegeben. In diesem Jahr seien es bisher zwei gewesen, hieß es. Meist verzichteten Menschen im Alter zwischen ab 70 und 92 Jahren - je nach Gesundheitszustand.

In Dresden sind es "gefühlt" etwa 15 Menschen jährlich. Die genaue Zahl ist nicht bekannt. Doch nicht immer ist der Verzicht ganz freiwillig. Wenn die Fahrerlaubnisbehörde etwa auf Bitten von Polizei, Gericht oder auch Angehörigen die Fahreignung prüfen wolle, sei manchen Betroffenen der Aufwand zu hoch. Auch in Leipzig geben meist ältere Menschen den Führerschein ab, heißt es bei der Stadt. Genaue Zahlen sind auch hier nicht bekannt.

Ohne Führerschein kein selbstbestimmtes Leben

"In der Gruppe ab etwa 75 Jahren beginnen die Probleme. Das lässt sich nicht wegreden", sagt der Verkehrspsychologe Bernhard Schlag von der TU Dresden, der sich seit mehr als 30 Jahren mit Senioren im Straßenverkehr beschäftigt. Er ist dennoch gegen eine verordnete Überprüfung der Fahrtauglichkeit. "Es bringt nichts." Vergleiche mit Ländern, in denen es diese gebe, zeigten keine signifikanten Unterschiede. Zudem sei der Verlust des Führerscheins für die Älteren schwerwiegend. "Ein Lebensabschnitt geht zu Ende." Diese Generation sei mit dem Auto aufgewachsen und Mobilität gewöhnt. "Ohne Führerschein können sie kein selbstbestimmtes Leben mehr führen. Sie werden dann oft krank und hilfebedürftig."

Schlag plädiert für mehr Sensibilisierung. "Die Älteren müssen befähigt werden, sich selbstkritisch einzuschätzen." Auch sie könnten lernen, vor allem wenn die Motivation hoch ist. "Und beim Führerschein ist sie hoch." Anreize könnten helfen, sie für entsprechende Kurse zu begeistern.

Der ADAC Sachsen etwa bietet Fahr-Fitness-Checks an. Diese würden von etwa 50 Menschen jährlich in Anspruch genommen, sagt Markus Löffler vom ADAC. "Viele kommen auf Empfehlung des Arztes oder weil sie von der Familie gedrängt werden." Auch der ADAC ist gegen verpflichtende Tests. "Die Fahreignung muss zwischen Arzt und Patient besprochen werden." Oft könne es schon helfen, wenn die Betreffenden den dichten Berufsverkehr, Nachtfahrten, bestimmte Witterungsbedingungen oder lange Strecken mieden. Zudem verunglückten viele Ältere als Fußgänger, nicht als Autofahrer.

Gefährliche Entwicklung bei Pedelecs

"Bei Begutachtungen schätzen wir sehr oft ein, dass die Fahrkompetenz von Senioren in jedem Falle ausreichend ist", sagt der Chef des Landesverbandes Sächsischer Fahrlehrer Andreas Grünewald. Er glaube, dass viele Seniorenunfälle mit den immer schneller werdenden Pedelecs verursacht werden: "Eine gefährliche Entwicklung". Diese Fahrräder mit Elektromotor als Trethilfe können mühelos Geschwindigkeiten von 25 Kilometer oder sogar bis zu 45 Kilometer je Stunde erreichen.

"Gemessen an der Gesamtbevölkerung sind die Älteren nicht überproportional an Unfällen beteiligt", argumentiert der Geschäftsführer des Seniorenverbands BRH Sachsen, Oliver Kluxen. Dennoch fühlten sich die Senioren immer wieder öffentlichem Druck ausgesetzt. Der Verlust des Führerscheins habe für die Menschen vor allem in ländlichen Regionen Auswirkungen auf die Lebensqualität. "Die Fahrt zum Arzt oder ins Theater ist dann nicht mehr so einfach möglich." Mit Vorträgen versuche der Verband die Senioren auf die gewachsenen Anforderungen im Straßenverkehr hinzuweisen.

Das Lebensalter allein rechtfertigt daher noch keine Zweifel an der Fahrkompetenz, heißt es im Verkehrsministerium. Verpflichtende Eignungsuntersuchungen werden abgelehnt. Stattdessen müssten Angebote geschaffen werden, bei Senioren ihre Eignung freiwillig testen lassen können. (dpa)