Leben und Stil
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Leser zeigen ihre schönsten Weihnachtspyramiden

In der DDR war Weihnachtsdeko aus dem Erzgebirge etwas ganz Besonderes. Warum, erzählen Leser wie Heike Zeh aus Kubschütz.

Von Kornelia Noack
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Leserin Heike Zeh mit einem inzwischen generalüberholten Erbstück aus DDR-Zeiten.
Leserin Heike Zeh mit einem inzwischen generalüberholten Erbstück aus DDR-Zeiten. © Jürgen Lösel

Seit dem ersten Advent drehen sie sich wieder. Die kleinen Bergmänner auf der alten Weihnachtspyramide im Hause Zeh in Kubschütz bei Bautzen. Auf der untersten Etage schuften die Kumpel in ihrer Paradetracht unter Tage und beladen Hunten mit Erz. Darüber musiziert eine achtköpfige Bergparade mit Waldhorn und Trompete. Und oben unterm Schindeldach treibt ein Bergmann den Ziehochsen mit einer Peitsche an.

Über 50 Jahre alt ist die Pyramide schon. Gefertigt wurde sie von Walter Werner. 1957 hatte der seinen kleinen Figurenbetrieb in Seiffen gegründet.

Bergglöckchen schlagen noch immer

Heike Zeh zündet die Kerzen vorsichtig an. Sechs Stück sind es. Sie stecken in Lichthaltern, die an bergmännische Froschlampen erinnern. Als die Bergmänner sich in Bewegung setzen, künden in gleichmäßigen, leisen Schlägen zwei Bergglöckchen davon, dass im Bergwerk alles in Ordnung ist. Dass habe ihr Vater ihr damals immer erzählt, als sie noch ein kleines Mädchen war.

Heike Zeh verbindet mit der Pyramide viele Erinnerungen an ihre Kindheit. „Walter Werner hat sie uns 1972 oder 1973 zugeschickt, nachdem mein Vater sie bei ihm gesehen und bestellt hatte. Der Schnitzer konnte uns erst nichts versprechen. Umso größer war die Freude natürlich, als das Paket kurz vor Weihnachten bei uns ankam“, erzählt die 58-Jährige.

Sie gehört zu den mehr als 60 Lesern, die uns Geschichten zu ihren persönlichen Weihnachtsschätzen zugeschickt haben. Die SZ wird sie in loser Folge vorstellen.

Das gute Stück von Heike Zeh gilt als Prototyp der heutigen Werner-Pyramiden.
Das gute Stück von Heike Zeh gilt als Prototyp der heutigen Werner-Pyramiden. © Jürgen Lösel

Im Seiffen-Urlaub Kontakte geknüpft

Im Jahr 1972 war Heike Zeh das erste Mal mit ihren Eltern in Seiffen im Urlaub, danach jedes Jahr wieder, auch im Sommer. Es war die Zeit, als bei ihrem Vater die Sammelleidenschaft für erzgebirgische Volkskunst entbrannte. „Das Problem damals war, dass die meisten Erzeugnisse für den Export bestimmt waren und es kaum etwas zu kaufen gab.

Meinem Vater gelang es allerdings, die Spielzeugmacher ausfindig zu machen und Kontakte zu knüpfen“, erzählt sie. „So nutzten wir immer die ersten Urlaubstage dazu, bei den Herstellern zu gucken, was es Neues gab. Und wenn wir Glück hatten, konnten wir am Ende unseres Urlaubes das eine oder andere Stück kaufen.“

Alte Schnitzerei trifft auf moderne

Und so marschieren noch heute in einer ihrer Wohnzimmervitrinen vier Bergparaden aus der DDR. Und auf einem Regal thront ein in die Jahre gekommener Räucher-Maharadscha. Nach dem Tod ihres Vaters 1992 haben Heike Zeh und ihre Geschwister, die aus Leipzig stammen, die zahlreichen Erinnerungsstücke unter sich aufgeteilt.

Aber auch moderne Figuren sind inzwischen bei den Zehs eingezogen, sie dürfen sogar das ganze Jahr über hocken bleiben. Die vier korpulenten Räucher-Musketiere von KWO Olbernhau zum Beispiel. Oder die coolen City Kids von der Drechslerei Werner, die stolz ihre Herrnhuter Sterne zeigen. Direkt neben ihnen stehen ganz brav die zwei Striezelkinder von früher.

Immer noch mehrere hundert Euro wert

Nur die alte Pyramide aus Fichtenholz wird ausschließlich zu den Weihnachtstagen aufgestellt und erhält dann immer einen Ehrenplatz – auf einem Tischchen neben der Couch.

Was sie wohl heute wert wäre? Je nach Zustand etwa 400 bis 700 Euro, schätzt Robert Woeste, der in seinem Antikladen in Dresden auch historische Weihnachtsdeko verkauft. Für Heike Zeh ist das alte Bergmannsexemplar dagegen unbezahlbar. Sie hält die Pyramide in Ehren, so wie es auch ihr Vater getan hat. Zu den Weihnachtstagen habe immer die gesamte Familie um die Pyramide herum gesessen.

Teilweise noch aus Brotteig gefertigt sind die Figuren auf der Weihnachtspyramide von Familie Wagner. „Sie wurde wohl in der Zeit der Arbeitslosigkeit aus einem Bausatz gefertigt“, vermutet Lothar Wagner. „Sie ist in unseren Augen etwas besonderes, weil sie außer dem Hauptturm noch vier Ecktürme hat.“ Immer in der Woche nach dem 2. Advent wird sie aufgestellt.
Teilweise noch aus Brotteig gefertigt sind die Figuren auf der Weihnachtspyramide von Familie Wagner. „Sie wurde wohl in der Zeit der Arbeitslosigkeit aus einem Bausatz gefertigt“, vermutet Lothar Wagner. „Sie ist in unseren Augen etwas besonderes, weil sie außer dem Hauptturm noch vier Ecktürme hat.“ Immer in der Woche nach dem 2. Advent wird sie aufgestellt. © Privat/Wagner
Der persönliche Weihnachtsschatz von Familie Welke aus Freital ist 123 Zentimeter hoch. „Mein Vater ist der Erbauer der Pyramide und hat sie Ende der 30er-Jahre hergestellt“, schreibt Marietta Welke. „Jedes Jahr erfreuen wir uns an den sehr alten, alten und neueren weihnachtlichen Figuren sowie Spielzeug.“
Der persönliche Weihnachtsschatz von Familie Welke aus Freital ist 123 Zentimeter hoch. „Mein Vater ist der Erbauer der Pyramide und hat sie Ende der 30er-Jahre hergestellt“, schreibt Marietta Welke. „Jedes Jahr erfreuen wir uns an den sehr alten, alten und neueren weihnachtlichen Figuren sowie Spielzeug.“ © Privat/Welke
Nur zu besonderen Anlässen wird die Pyramide von Elke Tilgner mit Kerzen bestückt. „Die Pyramide hat einen Ehrenplatz bei uns gefunden“, schreibt die 57-Jährige. Gemeinsam mit ihrem Mann kaufte sie vor 35 Jahren ein Haus in Sohland Spree. Beim Aufräumen des Dachbodens fanden beide eine Kiste mit der Pyramide beziehungsweise ihren Einzelteilen. Jahrelang haben sie online nach Figuren gesucht, die auf die Pyramide passen – und auch gefunden. Das Besondere: Der Mittelstab ist starr. Durch die von Kerzen erwärmte, aufsteigende Luft wird das Flügelrad angetrieben, die Figuren auf dem Pyramidenteller werden von Seilen, die im Flügelrad hängen, getragen. „Ich habe bis jetzt keine ähnliche Pyramide gefunden“, schreibt Elke Tilgner.
Nur zu besonderen Anlässen wird die Pyramide von Elke Tilgner mit Kerzen bestückt. „Die Pyramide hat einen Ehrenplatz bei uns gefunden“, schreibt die 57-Jährige. Gemeinsam mit ihrem Mann kaufte sie vor 35 Jahren ein Haus in Sohland Spree. Beim Aufräumen des Dachbodens fanden beide eine Kiste mit der Pyramide beziehungsweise ihren Einzelteilen. Jahrelang haben sie online nach Figuren gesucht, die auf die Pyramide passen – und auch gefunden. Das Besondere: Der Mittelstab ist starr. Durch die von Kerzen erwärmte, aufsteigende Luft wird das Flügelrad angetrieben, die Figuren auf dem Pyramidenteller werden von Seilen, die im Flügelrad hängen, getragen. „Ich habe bis jetzt keine ähnliche Pyramide gefunden“, schreibt Elke Tilgner. © Privat/Tilgner
Auch Leserin Uta Fleckna erfreut sich während der Adventstage immer an einer besonderen Pyramide. „Mein Großvater hat sie 1955 zu meiner Geburt in liebevoller Handarbeit gefertigt“, schreibt die Dresdnerin. In der Familie kennen sie alle als Zwergenpyramide, „weil sie auf drei Etagen mit elf Zwergen aus Masse bestückt ist, die Tätigkeiten im Bergwerk ausüben“. Die Kuppel des 47 Zentimeter hohen Exemplares ist der Form der „Zwiebelkuppel“ der Kirche St. Marien in Marienberg nachempfunden.
Auch Leserin Uta Fleckna erfreut sich während der Adventstage immer an einer besonderen Pyramide. „Mein Großvater hat sie 1955 zu meiner Geburt in liebevoller Handarbeit gefertigt“, schreibt die Dresdnerin. In der Familie kennen sie alle als Zwergenpyramide, „weil sie auf drei Etagen mit elf Zwergen aus Masse bestückt ist, die Tätigkeiten im Bergwerk ausüben“. Die Kuppel des 47 Zentimeter hohen Exemplares ist der Form der „Zwiebelkuppel“ der Kirche St. Marien in Marienberg nachempfunden. © Privat/Fleckna

Pyramide wird noch immer hergestellt

Vor etwa zehn Jahren ließ sie sie bei Siegfried Werner in Seiffen generalüberholen. Er ist der Sohn des einstigen Schnitzers und in die Fußstapfen seines Vaters getreten. „Diese Pyramide war quasi der Prototyp der Exemplare, die wir noch heute bauen und verkaufen“, erzählt Siegfried Werner auf Nachfrage der SZ.

„Heute tragen die Bergmänner aber Arbeitstracht und keine Paradetracht mehr.“ Sehr viele Exemplare produziere er nicht mehr, wegen des immensen Aufwandes, aber beliebt seien die Pyramiden nach wie vor sehr. Ab 900 Euro kostet ein Exemplar heute.

„Eigentlich fertige ich Einzelfiguren an, auf einer Pyramide kann ich diese dann aber gut in Szene setzen“, sagt Werner. Auch seine beiden Brüder sind in Holz und Handwerk tätig. „Ich kann mich erinnern, dass Herr Werner positiv überrascht war, wie gut unsere Pyramide noch erhalten war“, sagt Heike Zeh.

Einmal im Jahr geht's nach Seiffen

Noch immer ist sie eng mit Seiffen verbunden. Denn auch sie hat die Sammelleidenschaft für erzgebirgische Weihnachtskunst gepackt. Gemeinsam mit ihrem Mann pflegt sie eine Tradition: Jedes Jahr im November brechen die Zehs ins Erzgebirge auf.

Gemeinsam schlendern sie dann durch die Geschäfte und schauen, welche Neuigkeiten die Manufakturen anbieten. Fast wie früher. Nur dass sie heute kaufen können, was ihnen gefällt. „Fündig werden wir in Seiffen immer“, sagt Zeh lachend.