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Soll ich einen Seitensprung beichten oder lieber schweigen?

Viele wollen ihr schlechtes Gewissen nach dem Fremdgehen erleichtern und erzählen dem Partner von dem Seitensprung. Nur unter einer Bedingung kann das gut sein.

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Gestehen oder nicht gestehen – das ist hier Frage.
Gestehen oder nicht gestehen – das ist hier Frage. © Christin Klose/dpa

Würden Sie einen Seitensprung beichten? So einfach die Frage klingt, eine pauschale Antwort darauf kann es nicht geben, sagt die Psychologin und Bestsellerautorin Stefanie Stahl aus Trier. Sie rät, in der Regel einen einmaligen Seitensprung nicht zu beichten, sondern „das Ding mit ins Grab zu nehmen.“

Das sieht die Sexologin und Paartherapeutin Ann-Marlene Henning ähnlich. „Wer weiß, dass es sich wirklich um einen Ausrutscher handelt, der nie wieder passieren wird, hält lieber den Mund.“ Viele wollten mit einem Geständnis das eigene Gewissen erleichtern, machten damit aber die Beziehung kaputt.

Intimität kann verloren gehen

Allerdings geht Henning zufolge ohne Beichte die wahre Intimität in einer Beziehung verloren. „Wir alle können, wenn wir uns beim Sex in die Augen schauen oder tiefgehende Gespräche führen, den Geist des anderen Menschen lesen“, sagt Henning. Vielleicht entdecke man dann dort eine tiefe Traurigkeit, die sich nicht erklären lässt. „Bei einer entsprechenden Nachfrage wird die betrügende Person lügen müssen oder sich bedeckt halten.“

Eine Antwort auf die Frage hängt auch von der Art der Beziehung ab. Lebt man monogam oder offen polyamorös? Hat man abgemacht, sich stets die Wahrheit zu sagen? „Heutzutage muss das in Beziehungen besprochen und entsprechend vereinbart werden“, sagt Henning.

Fremdgehen ist "unreifes Verhalten"

Liegen die Fakten auf dem Tisch, rät Henning der betrogenen Person dazu, zu sagen, was sie braucht und was sie wissen will. „Sie muss das bestimmen können, um das Vertrauen wiederherzustellen.“ Es müsse aber klar sein: Manche Bilder bekommt man nicht mehr aus dem Kopf.

Thesen wie „da muss ja schon vorher was nicht gestimmt haben“ halten die Expertinnen für Quatsch. Zum einen kann auch in glücklichen Beziehungen ein Seitensprung passieren, wie Stahl sagt. „Bei langfristigen Beziehungen entsteht ein Gefühl von Sicherheit, das ist kontraproduktiv für die sexuelle Leidenschaft.“

Zum anderen ist Fremdgehen nicht die „Schuld“ der betrogenen Person, sondern ein „unreifes Verhalten des Fremdgehers“, sagt Henning. „Untreue ist der schnelle Ausgang aus einer Beziehung. Die große Kunst besteht darin, miteinander zu reden und sich gemeinsam zu entwickeln.“ Das sei jedoch für viele schwieriger, als in fremden Betten zu schlafen. Dazu kommt: „Wer untreu ist, nimmt der anderen Person die Wahl und die Mitbestimmung.“

Beziehung kann auch profitieren

Ein Seitensprung ist ein Angriff auf das Selbstwertgefühl und eine Kränkung. Dabei geht es laut Stahl um drei große psychologische Themen: Bindung und dahinter steckende Verlustängste, Autonomie und Kontrolle sowie Selbstwertgefühl. „Ein Seitensprung ist der totale Kontrollverlust und das macht immer Angst.“ Diese Angst könne Kräfte freisetzen und motivieren, aber eben auch lähmen.

Eine Beziehung könne durchaus von einem Seitensprung profitieren, sagt Stahl. Vielleicht breche eine Erstarrung auf, die Beziehung werde belebt. Wichtig sei, dass derjenige, der betrogen habe, die volle Verantwortung übernehme und eben nicht die Schuld bei der anderen Person suche. Stattdessen solle man sich fragen: Was sind eigentlich die genauen Gründe für mein Verhalten? Und: „Ein Seitensprung kann dazu führen, dass man die Beziehung für andere Menschen öffnet, dann wird der eigene Sex zu Hause wieder interessant“, so Henning. (dpa)