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Was gegen Angst im Dunkeln hilft

Nicht nur Kinder fürchten sich, sobald abends im Schlafzimmer das Licht ausgeht. Doch es gibt Strategien gegen die Angst.

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Schlaflos aus Furcht: Eine übersteigerte Angst vor Dunkelheit kann viele Ursachen haben.
Schlaflos aus Furcht: Eine übersteigerte Angst vor Dunkelheit kann viele Ursachen haben. © Martin Moxter/Westend61/dpa

Licht aus, denn zum Schlafen braucht es Dunkelheit. Doch statt in Ruhe versetzt das einige Kinder in helle Aufregung – sie fürchten sich im Dunkeln. Manchen Erwachsenen geht es ähnlich. Doch was steckt dahinter und was kann man tun?

Zunächst einmal ist eine diffuse Angst im Dunkeln eigentlich völlig normal. Schließlich ist es verunsichernd, wenn man Dinge nur noch undeutlich oder gar nicht mehr sieht. „Insofern ist es ein erblich bedingter Reflex, dann möglicherweise Angst zu entwickeln“, sagt Psychiaterin Katharina Domschke. Die Professorin ist Ärztliche Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Freiburg.

Das Problem ist: Nicht immer bleibt es bei einem vorübergehenden Gefühl der Unbehaglichkeit. Bei manch einem tritt eine übersteigerte Angst auf. Diese kann unterschiedliche Ursachen haben.

In Extremfällen haben Betroffene schlimme Erfahrungen im Dunkeln gemacht. „Zum Beispiel Missbrauch oder Gewalt“, erklärt Professor Stephan Bender, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Köln.

Horrorfilm ist keine gute Idee

Manchmal hat die Angst vor der Dunkelheit einen eher harmlosen Auslöser. Zum Beispiel, wenn Betroffene einen Film gesehen oder ein Buch gelesen haben, in dem ausschweifend Horrorszenen im Düsteren gezeigt oder beschrieben werden. „Erinnerungen an das Gesehene oder Gelesene können hochkommen, wenn man sich im Dunkeln aufhält“, sagt Psychiaterin Domschke. Ein weiterer Erklärungsansatz kann das sogenannte Lernen am Modell sein: Kinder oder Erwachsene haben Angst vor Dunkelheit, weil es ihre Eltern auch haben.

In manchen Fällen geht die Angst so weit, dass Betroffene die ganze Nacht lang das Licht brennen lassen. „Dahinter kann die Angst vor dem Schlaf stecken, weil man im Schlaf die Kontrolle über das Geschehen um einen herum verliert“, sagt Stephan Bender. Oder das Licht bleibt brennen, weil der Betroffene Angst vor bösen Träumen hat: Wenn er aus einem solchen Traum aufwacht, will er sich schnell in der Realität zurechtfinden.

Betroffene müssen sich mit einer übersteigerten Angst vor Dunkelheit nicht abfinden. Oft können sie sich selbst helfen. Beispielsweise mit autogenem Training oder anderen Entspannungsübungen. Diese können dazu beitragen, im Allgemeinen ruhiger und gelassener zu werden. Bewusstes Ein- und Ausatmen ist ebenfalls schon hilfreich.

Auch mit sogenannten Imaginationsübungen lässt sich die Furcht vor dem Düsteren womöglich überwinden. Katharina Domschke nennt ein Beispiel: Man kann sich im Bett liegend vorstellen, dass, wenn es bei uns dunkel ist, anderswo auf der Welt, zum Beispiel in Australien, die Sonne scheint und es hell ist. Ein anderer Ansatz: „Man umarmt im wahrsten Sinne des Wortes die Dunkelheit und versucht, sich mit ihr anzufreunden.“

Wie das geht? „Man tritt bei Dunkelheit etwa auf den Balkon, sammelt sich und versucht, dem Düsteren etwas Positives abzugewinnen“, sagt Katharina Domschke. Vielleicht, dass man als angenehm empfundene Geräusche wahrnimmt, wie das Rauschen der Blätter. Oder man beobachtet die Sternenvielfalt am Nachthimmel und freut sich daran.

Stephan Bender rät aber: „Nichts überstürzen, sich langsam herantasten und sich Erfolge bewusst machen.“ So kann es nach den Worten von Katharina Domschke helfen, in der Nacht die Lampe am Bett erst einmal nur für eine halbe Stunde zu dimmen, dann für eine Stunde, später länger – und irgendwann bleibt sie ganz aus.

Therapie für schwere Fälle

Oder man öffnet die Tür zum Flur und schaltet dort das Licht an. Im ersten Stadium der Selbsthilfe ist die Tür weit auf, im zweiten ist sie halb geöffnet, später nur angelehnt, irgendwann zu und man sieht das Licht nur noch unten durch den Türspalt. Bald kommt der Zeitpunkt, an dem das Licht ganz ausbleibt. „Wenn sie eine Etappe geschafft haben“, rät Stephan Bender, „sollten sich Betroffene klarmachen: ,Ich habe es geschafft, ich habe die Dunkelheit ausgehalten und mir ist nichts dabei passiert.’“

Wer möchte, kann sich die Erfolge in einem Tagebuch notieren, damit man sie bei Bedarf jederzeit nachlesen und sich ins Bewusstsein rufen kann, dass es geht – die Dunkelheit aushalten. Um sich zu motivieren, sagt Stephan Bender, kann man sich auch für Erfolge belohnen. Eine weitere Option: Über Kopfhörer von Fachleuten konzipierte CDs zur Bewältigung von Ängsten hören, beispielsweise vor dem Schlafengehen. Das entspannt.

Manchmal stößt die Selbsttherapie aber an Grenzen. Bei einer ausgeprägten Angst vor Dunkelheit führt oftmals kein Weg an einer Therapie vorbei. „Das ist der Fall, wenn der Leidensdruck hoch und der Nachtschlaf derart schlecht ist, dass die Lebensqualität stark beeinträchtigt ist“, sagt Stephan Bender. Dann sollte man einen Psychologen, eine Psychotherapeutin oder einen Psychiater konsultieren.

Bei der Therapie durchleuchtet der Experte gemeinsam mit Betroffenen die Ursachen für die Angst und arbeitet sie in Gesprächen auf. Aber beim Reden allein bleibt es nicht. Bei einer Therapie üben Betroffene weiter, die Dunkelheit auszuhalten und in ihr etwas Positives zu sehen. (dpa)