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Corona-Impfung: MDR-Bericht arbeitet mit Falschinformationen

Auch von Querdenkern wurde der Beitrag "Corona-Impfstoff in der Kritik" gespannt erwartet. Er arbeitet mit fragwürdigen und teils klar falschen Informationen.

Von Oliver Reinhard
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Der Beitrag der MDR-Umschau baut auf die Laboruntersuchungen von Professor Brigitte König von der Uni Magdeburg. Doch dort arbeitet sie seit zehn Jahren nicht mehr.
Der Beitrag der MDR-Umschau baut auf die Laboruntersuchungen von Professor Brigitte König von der Uni Magdeburg. Doch dort arbeitet sie seit zehn Jahren nicht mehr. © MDR/Screenshot: Sächsische.de

Vollmundiger ging es nicht: Auf Bitten von Prof. Dr. Sucharit Bhakdi "teilen wir mit, dass der MDR am Dienstag, den 12.12. 2023 in der Sendung Umschau den Corona-Impfskandal enthüllen wird", verlautbarte das "alternative" Presseorgan Neue-Medien-Portal kurz vor den annoncierten Sendung. Die sogenannte Querdenker-Szene war alarmiert, reichweitenstarke Aktivisten wie der Rechtsextremist Markus Krall sorgten für maximale Verbreitung der Information. Die versprochene Sensation traf ein. Allerdings wurde sie nicht zum Corona-Skandal, sondern zum MDR-Skandal.

Der gut elfminütige Beitrag der Umschau-Redaktion arbeitet zum guten Teil mit fragwürdigen Informationen. "Die deutsche Impfgegner-Szene hat ihr Weihnachtsgeschenk schon bekommen", kommentiert die MDR-eigene Medienkolumne "Altpapier" und lässt auch sonst an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig im Urteil über den Beitrag der Kolleginnen: "Die Umschau schmälert das Vertrauen in den ÖRR." Das ist für öffentliche, aber immerhin hausinterne (selbst-) Kritik ungewöhnlich drastisch.

Uni Magdeburg stellt klar: keine Verbindung zu Prof. König

Was hat es mit dem Beitrag auf sich? Das wird sofort in den ersten Sekunden enthüllt: "Wir sind in einem Privatlabor in Magdeburg. Professorin Brigitte König untersucht hier Corona-Impfstoffe. Das Ergebnis: Alle Proben sind verunreinigt. Mit Fremd-DNA, die in dieser Menge nicht in den Impfstoff gehört." Diese These wird im Folgenden versuchsweise erhärtet, mit Untersuchungsergebnissen und Aussagen anderer Fachleute, hautsächlich aber mithilfe von Professorin Brigitte König. Fünf Chargen habe sie getestet, alle von Biontech/Pfizer.

Schon hier beginnen die Seltsamkeiten des Beitrags. Vorgestellt wird die Wissenschaftlerin als "externe Professorin an der Medizinischen Fakultät der Universität Magdeburg". Doch die Uni stellt auf Anfrage klar: Es bestehe mit König seit 2013 "hinsichtlich Forschung, Lehre und Krankenversorgung keine Verbindung". Die auf der Unternehmenswebseite ihres Labors "aufgeführte Position ,Head of the department of molecular diagnostics and molecular microbiology' existiert nicht."

Sogar der Bund Deutscher Heilpraktiker warnt

In Impfgegner-Kreisen ist Brigitte König gut bekannt und vernetzt. So trat sie auf der Veranstaltung einer Gruppe auf, der Professor Sucharit Bhakdi vorsitzt, eine Ikone der "Querdenker"-Bewegung. Diese Gruppe namens World Council For Health "verbreitet fragwürdige und desinformierende Informationen zu Impfungen gegen die COVID-19-Krankheit. Sie propagiert zudem umstrittene oder wirkungslose Behandlungen der COVID-19 Krankheit", heißt es im Internetlexikon Psiram, das auf "Glaubenssysteme" und "Pseudowissenschaften" spezialisiert ist.

Tatsächlich war Frau König unter anderem auf Kongressen zur Methode der sogenannten „Ausleitung" von Impfbegleitstoffen zu Gast. Dabei handelt es sich um ein rein esoterisch basiertes Prozedere, vor dem auch der Bund Deutscher Heilpraktiker BDH warnt. Solche Methoden "schaden der Berufsgruppe", so der BDH gegenüber der Augsburger Allgemeinen. Auch der im Beitrag genannte Auftraggeber der Laboruntersuchungen von Brigitte König, der Biologe Jürgen Kirchner, ist in der "Querdenker"-Szene kein Unbekannter.

Beschriebener biochemischer Prozess "völlig falsch"

Der oder die anonyme Umschau-Autorin oder -Autor hat laut eigenen Angaben 20 Labore angeschrieben mit der Bitte, die Ergebnisse der Magdeburger Wissenschaftlerin zu überprüfen - nicht eines habe zugesagt. Doch der auf Recherche zu medizinischen Fake-News spezialisierte Wissenschaftler und Videoblogger Janos Hegedüs gibt an: König habe ihm gegenüber auf Anfrage eingeräumt, dass ihrer eigenen Einschätzung nach "diese Daten sich nicht für eine Publikation eignen - sie zeigen keine neuen Techniken oder Daten. Es handelt sich um simple Messungen"

"Die Tatsache, dass niemand mit Frau König zusammenarbeiten wollte, spricht Bände", sagt Hegedüs. Angesichts der fragwürdigen Datenlage stelle sich ihm die Frage: "Warum sollten sie das tun?" Schon der im Beitrag beschriebene biochemische Prozess, über den fremde Zell-DNA in den Zellkern gelangen könne, sei "faktisch völlig falsch".

"Stimmungsmache mit dem Thema Corona"

Auch eine andere der im MDR-Beitrag zitierten Studien zum Thema sei wissenschaftlich nicht verifiziert, erklärt Hegedüs. Deren Anführung "dient im Bericht lediglich dazu, die Behauptungen von Frau König zu stärken und in den Zuschauern den Eindruck zu erwecken, dass sie nicht alleine mit ihrer Meinung wäre". Er habe "keine einzige weitere Quelle gefunden, die diese Behauptung stützen würde."

Immerhin zitiert die Umschau auch Gegenstimmen. Eine davon stammt vom Molekularbiologen Emanuel Wyler, der der Redaktion auf Anfrage antwortete. Seines Erachtens gehe es dem Beitrag "nicht um DNA in Impfstoffe". Sondern darum, "Impfungen, unsere beste Waffe gegen Infektionskrankheiten, grundsätzlich in Zweifel zu ziehen oder Stimmung zu machen mit dem Thema Corona."

Falsche Warnungen vor dem Impfstoff

Der Umschau-Beitrag schließt mit einem "offiziell aussehenden Schreiben einer Vereinigung namens Medizinischer Behandlungsverbund, der Ärzte vor dem Impfstoff warnt". Wie "die zuständigen Behörden" jedoch mitteilten, "sei dies aber eine Falschmeldung." Tatsächlich hat der Faktenfinder der Tagesschau bereits im Juli dieses Jahres den Medizinischen Behandlungsverbund MBV als "unseriös" bezeichnet. Zudem haben die Kassenärztlichen Vereinigungen der Bundesländer vor eben jenem im Beitrag zitierten MBV-Schreiben über "DNA-Kontaminationen" am 6. Dezember gewarnt, sechs Tage vor Ausstrahlung des MDR-Beitrags: Dieses sei eine "Falschmeldung".

Warum die Umschau diese Falschmeldung dennoch in ihren Beitrag integriert hat, ist eine der Fragen von Sächsische.de an den MDR, deren Beantwortungen zurzeit noch ausstehen.

Auch der MDR-Medienkolumnist René Martens richtet eine Frage an seine Kolleginnen und Kollegen von der Umschau, wenngleich eine rhetorische: „Okay, Freunde, wenn ihr nicht wisst, ob die Behauptungen, die ihr verbreitet, stichhaltig sind, und wenn ihr nicht wisst, ob sie dann, wenn sie stichhaltig wären, auch relevant wären, dann solltet ihr diese Behauptungen gar nicht erst verbreiten, vor allem nicht, wenn es um Leben und Tod geht.“

Update Freitag, 15.Dezember 17.40 Uhr: Der MDR hat unsere Nachfragen bis Redaktionsschluss nicht beantwortet. Aus Leipzig hieß es lediglich, den Sender hätten „eine Vielzahl unterschiedlicher Hinweise zu dem Beitrag „Corona-Impfstoff in der Kritik“ erreicht“. Deshalb habe man sich dazu entschlossen, diese in den nächsten Tagen gemeinsam mit der Redaktion sorgfältig zu prüfen“.

Transparenzhinweis: In der ersten Version des Artikels war von "Scharlatanerie" die Rede. Wir haben uns nachträglich entschlossen, den Ausdruck nicht zu verwenden.