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Drama Baby, Drama: So sonderbar war der "Tatort" am Weihnachtstag

Kann Mutterliebe böse sein? Zu Weihnachten ermitteln die Ermittelnden Janneke und Brix in Frankfurt in einem Familiendrama.

Von Birgit Grimm
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Die Bildhauerin Annette Baer (Jeanette Hain, r.) ist ein Kontrollfreak. Ihr Sohn Lucas (Bela Gabor Lenz) dagegen hat sich in bestimmten kritischen Situationen nicht unter Kontrolle.
Die Bildhauerin Annette Baer (Jeanette Hain, r.) ist ein Kontrollfreak. Ihr Sohn Lucas (Bela Gabor Lenz) dagegen hat sich in bestimmten kritischen Situationen nicht unter Kontrolle. © hr

Brix würde schon gern noch mal die Kontrolle verlieren mit jemandem. Doch der Titel „Kontrollverlust“ des Frankfurter „Tatorts“ istr freilich anders gemeint. Seine Kollegin Janneke hat sich in Schale geworfen, um per Videoschalte an der Taufe ihres Enkelkindes in Australien teilzunehmen. An diesem Tag nimmt sie nur Komplimente entgegen. Angenehm beiläufig sind die privaten Einflechtungen des Frankfurter Ermittlerduos, gespielt von Margarita Broich und Wolfram Koch. Ein gestandenes Team, wie man so schön sagt, das in diesem Fall aber recht lange diversen Verdächtigen hinterfragt, bis sie Anna Janneke die richtige Eingebung hat.

Ost-West-Frust im Verhör

Eine junge Gamer-Influencerin wurde in ihrer Wohnung erstochen. Verdächtig ist der Hausmeister, der einen Schlüssel zur Wohnung des Opfers hat. Er ist im selben Alter wie Cara, die Gamerin. Er kannte sie, denn beide stammen aus Döbeln. Im Verhör redet er sich seinen kompletten Ost-West-Frust von der Seele. Nicht blöd, der Junge (Franz Pätzold). Den Dialekt hat er abgelegt, nur an seinem „Oija“ erkennt man ihn. Aber er ist hoffnungslos verbohrt, voller falschem Ehrgeiz und voller unsäglicher Ressentiments.

„Cara ist tot. Ich habe ihr nichts getan.“

Was die Zuschauer seit der ersten Szene wissen, müssen die Ermittler erst noch herausfinden: Die Kamera fährt durch düstere, irgendwie gruslig wirkende Zimmer. Doch es ist nur die Atelierwohnung der Bildhauerin Annette Baer, in der auch ihr erwachsener Sohn Lucas lebt. Ein monotones Klopfgeräusch. Lucas schrubbt sich im Bad Blut von Händen, auch sein Shirt ist blutig. Als seine Mutter nach Hause kommt, sagt er verzweifelt: „Cara ist tot. Ich habe ihr nichts getan.“ Die Mutter glaubt ihm, beruhigt ihn, wäscht seine Sachen und will mit ihm nach New York verschwinden.

Gezeugt mit einer Samenspende

Lucas ist ihr absolutes Wunschkind, gezeugt mit einer Samenspende, aufgewachsen ohne Vater. Der Junge ist ein seltsamer Typ, künstlerisch begabt wie seine Mutter. Aber er hat null Frustrationstoleranz. Triggerpunkte sind seine Zeichnungen und die Mutter. Erst beschimpft er sie, weil sie nicht da ist, wenn er sie braucht. Aber im Grund will er weg von ihr, weil sie ihm misstraut und an seiner Türe lauscht: „Ich hab so viel eigenes Leben wie deine hohle Gipsarmee“, beschwert er sich. Das ambivalente Spiel von Belá Gábor Lenz und Jeanette Hain machen diesen sonderbaren Fall sehenswert.