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„Wir versuchen, schlauer zu sein als das Virus“

Jan Böhmermann braucht keine neue Regierung, um Satire zu machen. Lieber bereitet er seine Musiktournee vor.

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Jan Böhmermann in seinem Reich, der Late-Night-Show „ZDF Magazin Royale“, die er zusammen mit dem Rundfunk Tanzorchester Ehrenfeld beschallt.
Jan Böhmermann in seinem Reich, der Late-Night-Show „ZDF Magazin Royale“, die er zusammen mit dem Rundfunk Tanzorchester Ehrenfeld beschallt. © Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Der Satiriker und Moderator Jan Böhmermann engagiert sich auch als Wohltäter: Mit einem Spendenaufruf unterstützt er die Dresdner Uniklinik „stellvertretend für die Krankenhäuser, die gerade am Limit arbeiten, und die gerade in der Pflege und der medizinischen Betreuung von Corona-Erkrankten alles geben“, so der 39-Jährige auf Twitter. Doch sein Hauptbetätigungsfeld bleibt das „ZDF Magazin Royale“. Dort singt Böhmermann regelmäßig mit Hingabe, begleitet vom Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld. In gut einem Jahr will er seine musikalische Seite auch auf anderen Bühnen zeigen und geht auf Tour. Im Gespräch verrät er, warum „Quatsch und Gesang“ sein Metier sind, was Corona mit seinem Job gemacht hat und warum ihn Helmut Kohl fasziniert. Zudem wirft er einen Blick auf die neue Bundesregierung.

Herr Böhmermann, ist die neue Bundesregierung eher gut oder eher schlecht für Sie in Sachen Witze?

Ach ja, die neue Bundesregierung? Die habe ich zum Teil schon bei Joko und Klaas, Bild Live und neben Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner bei der „Ein Herz für Kinder“-Gala bestaunt. Toll! Solche Veranstaltungen sind für Annalena und Robert natürlich viel angenehmer, als sich, wie die grüne Basis, mit Urabstimmungen über Adjektive in Gesetzesvorschlägen herumschlagen zu müssen. Oder mit Koalitionspartner Christian Lindner, der über ihre Köpfe hinweg aus Talkshows heraus regiert, während Olaf Scholz sich unter dem Schreibtisch verkriecht. Ich brauche keine Regierung. Ich bin froh, dass es dieses kleine Virus gibt, das meinem Leben Struktur gibt. Daran kann man sich festhalten.

Viele Leute sind gerade wütend. Etwa auf die Ungeimpften. Sie auch?

Ach. Ich habe mich innerlich in eine komplette Komfortzone geschossen. Ich sorge mich nur noch um die wichtigsten 200 Leute um mich herum. Geht es denen gut, ist meine Welt in Ordnung. Das ist sozusagen die Privatisierung der Empathie. Der neoliberale Zeitgeist der End-90er, mit dem ich in mein Erwachsenenleben gestartet bin, ist nun voll bei mir angekommen. Alles wird privatisiert. Auch Solidaritätsgefühl.

Sie wollen 2023 auf eine Tour mit dem Orchester aus dem „ZDF Magazin Royale“ gehen, dem Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld. Warum?

Es ist einfach etwas anderes, das Rundfunk-Tanzorchester live auf der Bühne zu erleben. Das Orchester und ich haben nach fast zwei Jahren Pandemie langsam genug vom Drinsitzen und wollen raus. Uns fällt die Studiodecke auf den Kopf.

Bis 2023 ist es aber noch ein Weilchen hin ...

Wir versuchen, schlauer zu sein als das Virus. Daher der Vorlauf. Wir wollen keine Tour planen, die man am Ende wieder absagen muss.

Sind Sie sicher, dass die Corona-Pandemie 2023 Musik-Konzerte zulässt?

Wir haben uns mit der Ständigen Impfkommission, dem Paul-Ehrlich-Institut und dem Robert Koch-Institut abgesprochen und darum gebeten, dass die geheime Weltregierung das Virus per WLAN deaktivieren wird. Und auch der geheime Reptiloiden-Rat hat seine Zusage gegeben: 2023 sind alle zwangsgechipt und neunfach geboostert. Daher bin ich optimistisch.

Könnten Sie selbst im Orchester mitspielen?

Ich habe klassische Gitarre und Schlagzeug gelernt. Also: nein. Das überlasse ich lieber den Leuten, die es können. Ich konzentriere mich als Nachtigall von Ehrenfeld lieber ganz auf Quatsch und Gesang.

Und dann so richtig im Tourbus?

Natürlich. Ich liebe es, mit vielen Menschen wochenlang auf zu engem Raum im eigenen Schweiß zu liegen.

Sie starten in Österreich, in Wien. Das ist interessant, weil Österreich immer wieder eine größere Rolle in Ihrer Sendung spielt.

Ja, das stimmt. Unsere Tournee dient ja nicht nur der Unterhaltung, sondern ist auch eine Art politische Entwicklungshilfe. Wer weiß, in welchem Schlamassel die Österreicher 2023 wieder stecken, wenn wir kommen. Vielleicht ist dann schon die Monarchie ausgerufen und demokratische Künstler aus dem Ausland dürfen nicht mehr auftreten?

Was fasziniert Sie so an Österreich?

Österreich ist ein liebenswertes Versuchslabor, in dem man als Deutscher vor Augen geführt bekommt, was passiert, wenn man verrückte politische Entscheidungen trifft.

Zuletzt haben Sie in Ihrer Show ein Musical aufgeführt. Mögen Sie die ganz große Geste, so auf der Bühne?

Es ist bei uns Einstellungsvoraussetzung, dass man eine gewisse Liebe zum Theater hat. Die Menschen, die bei unserem Musical mitgemacht haben, sind Theater-Kinder. Ich natürlich auch, immer schon. Ich habe mit fünf Jahren mit meinen Eltern zum ersten Mal im Waldau-Theater in Bremen das Weihnachtsmärchen angeschaut. Seitdem: infiziert.

In dem Musical ging es um eine Episode aus dem Leben von Helmut Kohl, wie er 1991 in Halle mit Eiern beworfen wurde. Das war schon ein spezielles Thema. Was interessiert Sie an Kohl?

Ich glaube, wir stehen gerade an einem Punkt in der deutschen Geschichte, an dem wir uns überlegen müssen, ob man Helmut Kohl wie Bismarck Denkmäler baut, oder ob er jemand ist, den man eher dramatisch verdenkmalisieren sollte. Ich neige zu Zweitem. Meine Kollegin Caro Worbs, Autorin im „ZDF Magazin“, hatte die Idee, ein Element aus Kohls Leben zu nehmen, das völlig unterbelichtet ist. Und das haben wir dann groß aufgeblasen. Ich halte das für einen angemessenen Umgang mit seinem Lebenswerk.

Ihre Sendung ist jetzt seit mehr als einem Jahr im ZDF-Hauptprogamm. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Meine Kolleginnen, Kollegen und ich sind natürlich schon ein bisschen stolz. Das Doofe an diesem Jahr war nur, dass wir uns im Team kaum persönlich gesehen haben. Corona hat uns schon sehr mitgenommen und eingeschränkt. Wenn wir uns hoffentlich bald wieder regelmäßig gegenübersitzen oder auf dem Flur treffen, dann entstehen noch mal ganz andere Sachen, da bin ich überzeugt.

Das Gespräch führte Jonas-Erik Schmidt (dpa)