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So einsam war der Berliner "Tatort"-Kommissar

Der Sonntagskrimi in der ARD aus Berlin ist düsterer Thriller und bitteres Liebesdrama mit einem überragenden Mark Waschke.

Von Rainer Kasselt
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Weil er die Finger vom Fall lassen soll, nimmt Karow (Mark Waschke) Urlaub. Er zieht in die Wohnung des Opfers, um herauszufinden, was passiert ist.
Weil er die Finger vom Fall lassen soll, nimmt Karow (Mark Waschke) Urlaub. Er zieht in die Wohnung des Opfers, um herauszufinden, was passiert ist. © rbb Presse & Information

Kommissar Robert Karow ist dünnhäutig geworden. Der Tod seiner langjährigen Kollegin Nina Rubin hat den sonst so bissigen, eigensinnigen und wortkargen Einzelgänger mehr mitgenommen, als er zugibt. Nun ist auch noch seine homoerotische Jugendliebe getötet worden.

Dieser Maik, den Karow ewig nicht mehr getroffen hat, agierte als verdeckter Ermittler im Mafia-Milieu. Auf der Tatwaffe die Fingerabdrücke des Nachtclubbetreibers Mesut Günes. Die Staatsanwältin frohlockt. Endlich kann sie den Boss vor Gericht bringen, dessen Verbrechen sie bisher nicht nachweisen konnte. Sie fordert Karow auf, die Finger von dem Fall zu lassen – doch er denkt nicht daran.

Hilfe von der Sexarbeiterin

Der „Tatort: Das Opfer“ wird zum manischen Trip des Kommissars in seine Vergangenheit. Mark Waschke spielt ihn als verbissenen, verkrampften und verzweifelten Wahrheitssucher. Der Vater hatte dem jungen Robert eingebläut: „Die Wahrheit ist das Einzige, was zählt im Leben.“

Dieser Satz hängt wie eine Klette an ihm. Um der Wahrheit willen verriet Karow damals seine Liebe zu Maik, was jener als Verrat empfand. Der Vater meint im Rückblick: „Die Sache mit euch war nicht gesund.“ Karow entgegnet: „Es war das einzig Gesunde, was ich je gefühlt habe für einen Menschen.“

Im Laufe seiner Ermittlungen im Rotlichtmilieu stößt Karow auf die Sexarbeiterin Camilla, nachhaltig von Kim Riedle gespielt. Sie wird exklusiv an reiche Kunden vermittelt: Industrielle, Politiker, Prominente. „Bei mir leben sie ihre dreckigen Fantasien aus, die sie zu Hause nicht erfüllt kriegen“, sagt Camilla. „Wann es vorbei ist, bestimmst nicht du, immer der Kunde.“ Eine von vielen sozial präzisen Beobachtungen des Films, der auch in den Nebenrollen stark besetzt ist.

Regisseur Stefan Schaller hält die Spannung bis zum überraschenden, emotionalen Finale. Ein moderner „Tatort“, der souverän mit Genre-Klischees spielt, geschmeidige Übergänge von Rückblenden zur Gegenwart schafft. Mag manche Wendung arg konstruiert erscheinen, dem Sog des Films kann man sich nicht entziehen. Karow entwirrt schließlich die Spuren, die seine große Liebe Maik ihm gelegt hat.

Man darf gespannt sein, ob Mark Waschke auch künftig den Part des einsamen Wolfs geben wird. Nach dem Ausstieg von Meret Becker wird die große Corinna Harfouch seine neue Partnerin. Los geht es Anfang des Jahres mit der Doppelfolge „Nichts als die Wahrheit“. Kommt einem irgendwie bekannt vor.