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So eine Räuberpistole war der „Tatort“ aus Münster

Neue Herausforderungen für Boerne & Thiel: Ein Mythomane stiehlt ihnen fast die Show in puncto Hybris und Selbstmitleid.

Von Bernd Klempnow
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Drei mit jeweils einem anderen Treffer: Kommissar und Fußball-Fanatiker Thiel (Axel Prahl, r.), Pathologe und Jungmäzen Prof. Boerne (Jan Josef Liefers, l.) und Bestseller-Autor und Lügenbaron Koslowski (Detlev Buck).
Drei mit jeweils einem anderen Treffer: Kommissar und Fußball-Fanatiker Thiel (Axel Prahl, r.), Pathologe und Jungmäzen Prof. Boerne (Jan Josef Liefers, l.) und Bestseller-Autor und Lügenbaron Koslowski (Detlev Buck). © Bernd Thissen/dpa

Der 44. Fall für die Ermittler in Münster sprengte wieder mal die Genregrenzen. Denn „Der Mann, der in den Dschungel fiel“ bot einen unterhaltsamen Mix aus Krimi, Abenteuerfilm und Hochstaplerkomödie. Vor allem aber zeigte er, wie Gäste scheinbar eingefahrene Teams dominieren können. Diesmal tat es Detlev Buck, Starmime und der Erfolgsregisseur von Filmen wie „Sonnenallee“ und „Bibi und Tina“.

Unerwartet schon der Einstieg bei knapp zwei Minuten Sendezeit, als Kommissar Thiel erschossen wurde. Doch statt darüber nachzudenken, wie der wieder aufersteht, denn das muss er ja als Serienfigur, bannte einen die Rückblende. Denn der Kommissar stand vor neuen Herausforderungen: Statt einen Mord aufzuklären, musste er diesmal den am Bestsellerautor Stan Gold (Detlev Buck) verhindern, den er als alten Schulkameraden unter dem bürgerlichen Namen Hotte Koslowski kannte. Der ist der 1. Stadtschreiber von Münster, dessen Ehrung, die Goldene Boerne-Feder, der Rechtsmediziner gestiftet hatte und sich als vermeintlicher Mäzen anmaßend mit Alfred Nobel auf eine Stufe stellte.

Hat wieder starke Momente: Prof. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) in der Rechtsmedizin.
Hat wieder starke Momente: Prof. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) in der Rechtsmedizin. © WDR/Martin Valentin Menke

Ab da ging es Schlag auf Schlag. Eine Finte jagte die nächste. Denn der Schriftsteller entpuppte sich als Mythomane, der die abenteuerlichsten Lügen auftischte, letztlich alles mit „der Liebe“ zu jemandem begründete – und trotz gespielter Weltfremdheit genau kalkulierte. Wie Buck diese Rolle voller Selbstmitleid, mit Marotten und immer neuen Fluchtkurven anlegte, das war großartig. Fast stahl er den Helden aus Münster die Show, obwohl sie markante Auftritte hatten. Etwa, wenn die umtriebige Literaturagentin Boerne anstachelt, seine Memoiren „Die scharfen Waffen des Verstandes – die Fälle eines begnadeten Professors und begriffsstutzigen Kommissars“ zu verfassen. Schöner Gag des Drehbuchs: „Diese Geschichten taugen zur TV-Serie.“ Und wie dann der Gerichtsmediziner auf der Bank, auf der 1842 angeblich Annette von Droste-Hülshoff ihre Erfolgsnovelle „Judenbuche“ erdachte, den Odem des Autorengenies zu verspüren meinte – ein Kabinettstück des Größenwahns.

Mitleiderregend auch das Ende des Krimis, als B. & T. die Erfindungen des Lügenbarons wahr werden ließen, um ihn zu überführen. Da avancierte Assistent Schrader zu jenem Killer, den Koslowski eigentlich erfunden hatte – und nun an der eigenen Lüge erbarmungswürdig verzweifelte.