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Kein Geld da: Freital muss sparen und beginnt bei einem Musiker

Eigentlich sollte ein berühmter Trompeter, den der sowjetische Staat 1938 hinrichten ließ, geehrt werden. Doch eine Lesung und eine Gedenktafel sind angeblich zu teuer.

Von Annett Heyse
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Aus dem heutigen Freital stammt ein berühmter Trompetenvituose: Oskar Böhme. Doch eine Ehrung bleibt ihm vorerst versagt.
Aus dem heutigen Freital stammt ein berühmter Trompetenvituose: Oskar Böhme. Doch eine Ehrung bleibt ihm vorerst versagt. © Daniel Förster

Seinen Namen kennt in Freital kaum jemand, dabei ist Oskar Böhme unter Trompetern das, was man heute wohl einen Star nennen würde. Böhme wirkte ab 1901 in St. Petersburg, spielte dort 19 Jahre lang im Orchester der Petersburger Oper, komponierte viele Musikstücke - und geriet ab 1930 trotz seiner inzwischen sowjetischen Staatsbürgerschaft ins Visier des Geheimdienstes. Mehrmals wurde er verhaftet und im Oktober 1938 hingerichtet.

Was das alles mit Freital zu tun hat? Oskar Böhme wurde am 24. Februar 1870 in Potschappel geboren. "Jeder, der in der Trompeter-Szene beschäftigt ist, kennt Böhmes Namen. Er war eine herausragende Persönlichkeit und der einzige, der klassische Trompetenkonzerte geschrieben hat", sagt der Journalist Christian Neef, der viel zu Böhme recherchiert und sogar ein Buch dazu veröffentlicht hat.

Damit Böhmes Name und sein Wirken auch den Freitaler etwas bekannter wird, sollte es in Freital an dessen Geburtstag eine Lesung geben. Geplant war auch, an der Turnerstraße, wo einst das Geburtshaus Böhmes stand, eine Informationstafel anzubringen. Beides wurde gestrichen - aus finanziellen Gründen, wie es heißt.

Haushaltsplanung hinkt weit hinterher

Bei der Tafel, die für Böhmes Biografie geplant war, handelt es sich um ein Modell aus der Baureihe "Freitals Geschichte". Solche Tafeln werden seit 2021 an prägnanten Punkten aufgebaut, 23 Stück gibt es inzwischen. Sie stehen unter anderem an der ehemaligen Lederfabrik, an der Porzelline, vor dem Gründer- und Technologiezentrum.

Überwiegend wurde deren Anfertigung und Aufbau von Sponsoren finanziert, teilt Stadtsprecher Matthias Weigel auf Anfrage mit. Die Tafel für Trompeter Böhme sollte am Platz beim Kopfwäschebrunnen aufgestellt werden. Geplant war eine Co-Finanzierung mit Mitteln aus der Städtebauförderung. Kostenpunkt: zwischen 1.000 und 1.500 Euro.

Eines der wenigen Fotos von Oskar Böhme, der an der Trompete als Weltstar galt. Er stammte aus dem Weißeritztal.
Eines der wenigen Fotos von Oskar Böhme, der an der Trompete als Weltstar galt. Er stammte aus dem Weißeritztal. © Foto: Archiv Christian Neef

Maximal ebenso viel Geld veranschlagte die Stadt für eine Lesung in der stadteigenen Bücherei, doch auch diese wurde gestrichen. Angeblich aber nicht aus finanziellen Gründen. "Die Lesung sollte eng an die Einweihung der Tafel geknüpft werden. Sie wurde nicht der Kosten wegen abgesagt", teilt Weigel weiter mit.

Wie auch immer - der Fall zeigt, wie sehr die Stadt derzeit den Gürtel enger schnallen muss und dass es nun zuerst die freiwilligen Ausgaben trifft. Denn es fehlt an einer Haushaltsplanung für das laufende Jahr.

Der Stadt Freital fehlen Millionen

Diese wird eigentlich vom Stadtrat immer in den Ratssitzungen kurz vor Jahresende beraten, um dann spätestens im Januar beschlossen zu werden. Doch im November 2023 folgte ein böses Erwachen. Bürgermeister Peter Pfitzenreiter (Konservative Mitte) informierte, es würden rund vier Millionen Euro fehlen, weil Steuereinnahmen nicht wie kalkuliert fließen würden. Er stellte auch in Aussicht, den Haushaltsplan 2024 nochmals zu überarbeiten.

Seitdem sind drei Monate vergangenen, Freital kann nur die unabdingbar notwendigen Ausgaben tätigen. Dazu zählen Pflichtaufgaben wie beispielsweise Gehaltszahlungen oder der Betrieb von Schulen und Kindergärten.

Und es kommt noch schlimmer: Auch für die Stadtratssitzung im März steht kein Haushaltsbeschluss auf der Tagesordnung, dafür aber ein Antrag der FDP-Fraktion, einen solchen endlich zu beschließen.

Journalist Neef, der in Hamburg wohnt und lange als Korrespondent in der Sowjetunion und später in Russland gearbeitet hat, will sich dazu kein Urteil erlauben. Ein bisschen habe er aber das Gefühl, es gehe nicht nur ums Geld. "In Freital herrscht dem Leben und Werk Oskar Böhmes gegenüber ein gewisses Desinteresse", sagt er. Und vielleicht spiele auch der politische Konflikt in Zeiten des Ukraine-Krieges eine Rolle, so Neef weiter. Belege für diese Auslegung liegen jedoch nicht vor.

Voller Saal bei Konzert mit Böhmes Musik

Dass die Freitaler nicht alle Kulturbanausen sind und für Oskar Böhme durchaus etwas übrig haben, war im Oktober 2022 zu beobachten. Damals fand im Rahmen des Festivals "Sandstein und Musik" ein Konzert mit Werken von Freitals Trompeter-Weltstar statt. Wunderbar und gut besucht sei es gewesen, erinnert sich Christian Neef. "Der Saal war voll, das hat mir richtig Mut gemacht."

Etwas Mut, oder zumindest Zuversicht, braucht es jetzt auch, wenn man an die nächsten Monate in Freital denkt. Ein Haushaltsplan ist noch nicht in Sicht, damit ist auch die Finanzierung anderer freiwilliger Projekte gefährdet. Genannt seien hier stellvertretend die Vereinsförderung, die Kulturalltage, ehrenamtliche Aktivitäten.

Zwar betont Oberbürgermeister Uwe Rumberg (Konservative Mitte): "Pauschale Kürzungen, neue Schulden oder pauschale Steuererhöhungen halte ich nicht für sinnvoll, sondern die Betrachtung und Einordnung der einzelnen Positionen und Vorhaben." Er sagt aber auch: "Wir müssen den Gürtel deutlich enger schnallen und werden uns in Zukunft nicht mehr alles in der bisherigen Form leisten können."

Die Tafel zu Böhmes Leben soll übrigens noch aufgestellt werden, wenn eine Finanzierung gesichert ist, heißt es aus dem Rathaus. (mit SZ/sil)