Politischer Quereinsteiger will Freitaler Oberbürgermeister werden

Als Anfang April alle Wahlvorschläge eingereicht waren, stand ein Name auf der Kandidatenliste zur Oberbürgermeisterwahl, den in Freital bisher kaum einer gehört hatte: Steffen Lehmann. Einer, der bisher noch nicht in der Stadtpolitik mitgemischt hat. Ein Unbekannter. Man könnte auch sagen: ein Unvoreingenommener.
Ein halbes Jahr hätte er über die Kandidatur nachgedacht, sagt Steffen Lehmann. Dann wagte er den Schritt in die Öffentlichkeit. Ein Einzelkämpfer ist er nicht. Er wird von der CDU, den Grünen und den Linken unterstützt. Ein bunter Strauß voller Überraschungen? "Wir haben intensiv miteinander gesprochen und festgestellt, dass wir gemeinsame Ziele für Freital verfolgen", sagt er.
Das Erste, was an ihm auffällt, ist seine Offenheit. Steffen Lehmann wirkt neugierig, aufgeschlossen, lacht viel. Ein zugänglicher und umgänglicher Typ mit messerscharfem Verstand. Man kann sich gut vorstellen, dass er nicht in Parteiprogrammen denkt, sondern es ihm um die Sache geht.
Referatsleiter für digitale Infrastruktur
Steffen Lehmann wuchs in Hoyerswerda auf und kam Anfang der 2.000er Jahre nach Dresden, wo er Verkehrsingenieurwesen studierte. 2014 zog er nach Freital, hier sind seine drei Kinder geboren.
Seine Affinität zur Politik entdeckte er früh, als er Geschäftsführer des Studentenrates wurde. "Dort habe ich die Streitkultur genossen und gelernt, Kompromisse zu finden."
Zunächst arbeitete er als Selbstständiger, heute ist der 41-Jährige im sächsischen Wirtschaftsministerium angestellt und leitet dort das Referat für digitale Infrastruktur. "Dadurch habe ich ständig mit Lokalpolitikern, mit Landräten und Bürgermeistern zu tun. Ich weiß, was es heißt, eine Kommune zu führen und ich weiß, welchen Gestaltungsspielraum eine Stadt hat", sagt er.
Die Aufgabe, eine komplette Stadtverwaltung zu führen, traue er sich zu. "Die Berührungspunkte, die ich bisher mit der Freitaler Verwaltung hatte, haben mir gezeigt, dass es im Rathaus ganz viele tolle Mitarbeiter gibt. Die Motivation, mehr zu bewegen, ist da."
Verkehrsingenieur mit anderem Blick
Mehr zu bewegen ist zugleich das Stichwort für Lehmann. Es sei ja einiges passiert in Freital in den vergangenen Jahren, sagt er. "Aber mir reicht das nicht. Freital mit seiner Lage direkt neben Dresden hat so viel mehr Potenzial, als bisher genutzt wurde."
Sein Ziel ist es, aus Freital ein Zuhause für alle zu machen. In seinem Wahlflyer steht in dem Zusammenhang das Wort "gemütlich". "Die Menschen sollen hier nicht nur wohnen, sondern ihre Freizeit und ihr Wochenende verbringen." Damit würden viele Themen einhergehen: Wohnraum, Ausbildung, Jobs, Straßenverkehr, Wirtschaft, Kinderbetreuung, barrierefreies Wohnen im Alter.
Wenn er an Freitals Probleme denkt, fällt ihm das Thema Straßenverkehr ein. Als Verkehrsingenieur hat er darauf einen ganz anderen Blick als viele Lokalpolitiker vor ihm. "Die Dresdner Straße zum Beispiel. Da muss sich etwas ändern. Ich wünsche mir auf einigen Abschnitten wie in Potschappel oder Deuben wieder eine Flaniermeile. Straßencafés wären schön."
Er möchte dafür eine Entwicklung anstoßen und ist sich bewusst, dass dies nicht nur viel Geld kostet und auch nicht in sieben Jahren Amtszeit zu bewältigen ist. Aber wie? "Mobilität umdenken für neue Wege und weniger Verkehrsstress", so hat er es auch in seinem Wahlflyer formuliert.
Zwist im Stadtrat beenden
Sollte er Oberbürgermeister werden, sieht Steffen Lehmann seine erste Aufgabe jedoch darin, den Stadtrat wieder zu vereinen. Im Augenblick nimmt er Blöcke wahr, die sich gegenüberstehen. "Das Abstimmungsverhalten ist nicht zielorientiert, sondern stark auf Interessen geprägt."
Wenn er eines im Berufsleben gelernt habe, dann das: Arbeitsgruppen und Leute mit völlig unterschiedlicher Herkunft zusammenbringen, Kompromisse finden, ein gemeinsames Ziel verfolgen.
Als Grundzutaten dafür nennt er Bürgernähe, Transparenz, Ehrlichkeit, Sensibilität, eine bessere Kommunikation. "Daran fehlt es meiner Meinung nach im Rathaus. Nicht immer, aber manchmal. Man muss den Leuten auch mal erklären, um was es geht. Und man muss Entscheidungen treffen und nicht nur abwiegeln und sagen: Wir sind nicht zuständig."
Neue Entwicklungen anstoßen
Entscheiden sei für ihn, dass die Stadt nicht stehenbleibt. Doch genau das ist der Eindruck, den nicht nur Lehmann von Freital hat. Man hat viel erreicht, Freital ist heute deutlich schöner als vor 20, 30 Jahren. Doch nun gibt es keine neuen Ideen, keine neuen Ziele. Man warten jetzt auf das neue Stadtzentrum, von dem noch nicht mal klar ist, wann endlich der erste Spatenstich erfolgt. Und dann? Wird schon werden?
Nein, sagt Steffen Lehmann. Kindergärten und Schulen erweitern, die Wirtschaft stärken, neue Gewerbegebiete anlegen, Wohnraum für Familien schaffen, Vereine fördern - es gibt aus seiner Sicht vieles. "Wir haben vor drei Jahren eine Kitaplatz-Krise gehabt, es gab keine Plätze, es ging um 300 Kinder. Nun kommen diese Kinder bald in die Schule, aber wurde im Rathaus jemals laut darüber nachgedacht, ob die Schulen ausreichen? Ich habe nichts wahrgenommen."
Vereine - Lehmann stellt sich einen Koordinator vor, der die vielen Vereinen besser miteinander vernetzt, bei Förderanträgen unterstützt, Geld beschafft, Kräfte bündelt. Wirtschaft und Gewerbegebiete - auch da sind seiner Meinung nach neue Ideen gefragt, wo man in Freital noch Firmen ansiedeln kann, wo Platz für neue Gewerbeflächen ist.
"Ich möchte, dass in dieser Stadt etwas passiert, möchte neue Ideen einbringen, Entwicklungen anschieben. "Mit ihm an der Spitze, dem Mann ohne Parteigrenzen im Kopf und Berufserfahrung in der Verwaltung, dem Verkehrsingenieur und Digitalexperten, könnte das gelingen.