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Corona: Ein Karatetrainer kämpft sich zurück

Nach seiner Covid-Erkrankung war ein Dresdner lange in der Therapie in Kreischa. An Kraftsport ist aber noch eine ganze Weile nicht zu denken.

Von Gabriele Fleischer
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Am Ende seiner Reha in Kreischa kann sich Leander Wagner zumindest schon wieder ein Stück an Krücken vorwärtsbewegen. Therapeut Eric Kluth und Dr. Michael Adamaszek (links) begleiten ihn dabei.
Am Ende seiner Reha in Kreischa kann sich Leander Wagner zumindest schon wieder ein Stück an Krücken vorwärtsbewegen. Therapeut Eric Kluth und Dr. Michael Adamaszek (links) begleiten ihn dabei. © Daniel Schäfer

In den sieben Wochen seiner Reha an der Bavaria-Klinik hat Leander Wagner gelernt, sich über kleine Fortschritte zu freuen. Als er am 17. August, drei Monate nach seiner zweiten Corona-Erkrankung, dorthin kommt, kann er keinen Schritt gehen, sitzt im Rollstuhl. Von seinen Muskelpaketen ist dem Kraftsportler und Karatetrainer nichts geblieben.

Vorher wurde er lange im Diakonissenkrankenhaus Dresden intensiv behandelt, dann auch in Kreischa. "Jetzt kann ich 200 Meter am Rollator und 300 Meter mit Krücken laufen", sagt er stolz, als ihn Sächsische.de kurz vor seiner Entlassung noch einmal besucht. An der Treppe würde er jetzt 40 Stufen schaffen, anfangs waren es gerade mal zwei. Er lobt ausdrücklich die Therapeuten in der Klinik. Alle hätten ihn gefordert. Natürlich braucht es dazu auch den Willen des Patienten. "Den hatte Herr Wagner", sagt Krysztof Lojek.

Corona greift Lunge, Nieren und Leber an

Er hat viel mit ihm geübt. Am Anfang das Aufstehen an Sprossenwand und Barren, später Schritte auf dem Laufband, immer ein paar Meter mehr, erst 20, am Ende 200, gesichert durch Gurte. Auch Training zur Kräftigung kam dazu, Beinpresse, Gleichgewichtsübungen, Ergometer - und immer wieder Aufstehtraining. Das alles mehrere Stunden am Tag. Nur eine Erkältung während der Reha warf ihn etwas zurück. Gern wäre er sonst auch noch im Therapiebecken geschwommen.

Wagner hatte am Anfang neben den körperlichen auch kognitive Einschränkungen, die Leistungsfähigkeit war gemindert. Das ist besser geworden. Probleme mit der Luft hat er noch immer. Die Lunge ist durch das Virus genauso angegriffen wie die Nieren und die Leber. Auch wenn er kämpft, eine Transplantation umgehen möchte, so steht er in der Uniklinik Leipzig auf der Liste dafür.

Corona-Reha läuft nach Phasenmodell

Gerade eben ist er dort zum Check: MRT, Lungenuntersuchung, Überprüfen der Leberwerte. Nach den Untersuchungen will er aber wieder nach Hause, selbst an seinem Wiedereinstieg ins normale Leben arbeiten. Sportgeräte liegen und stehen bereit. Inzwischen hätten sich dort, wo einst die Muskelpakete waren, wieder kleine Höcker gebildet. Immerhin. Gern wäre Wagner noch in Kreischa geblieben, um mit Unterstützung weiter an sich zu arbeiten. "Aber ich bin wohl zu gut für Kreischa geworden", sagt er mit einem Lächeln. Dr. Michael Adamaszek nickt.

Die Klinik behandele derzeit schwerpunktmäßig die ersten Stufen der Reha, sagt der Chefarzt der Neurologischen Rehabilitation. Bundesweit sind diese in einem sogenannten Phasenmodell in den Stufen A bis F zusammengefasst.

A und B würden dabei die intensiv- und akutmedizinisch geprägten Behandlungsphasen umfassen. Leander Wagner absolvierte in Kreischa auch noch die nächste Stufe, neben der medizinischen bekam er eine neurorehabilitative Behandlung. Diese umfasst unter anderem aktive Mobilisierung, Stand- und Gangschule, Treppentraining, Verbesserung der Sensorik und Rückbildung von Sensibilitätsstörungen. "Zum weiteren Ausbau der motorischen Fähigkeiten muss Herr Wagner zu einer Anschlussbehandlung in eine andere Klinik, beispielsweise nach Pulsnitz, Hetzdorf oder Bad Lausick", so der Chefarzt. Jede Klinik hätte ihre speziellen Schwerpunkte.

In Kreischa war Wagner einer von 100 Covid-Patienten, die gleichzeitig bei Bavaria behandelt wurden. Die Zahlen allerdings würden sich immer ändern. In den vergangenen Wochen waren sie zurückgegangen. sagt Adamaszek. "Aktuell werden in meiner Abteilung zehn Patienten mit den Folgen einer Covid-19-Erkrankung rehabilitationsmedizinisch versorgt, einige mit deutlichen körperlichen Einschränkungen der Herz-Lungen- oder auch Nervenfunktionen."

Für die anderen Abteilungen geht er von ähnlichen Zahlen aus. Die gesunkene Anzahl spiegele die Abnahme der Infektionen im zurückliegenden Sommer wider. Vermutlich aber würden die in den kommenden Monaten wieder zunehmen.

Noch allerdings gibt es auch in Kreischa keine speziellen nur auf Covid-19-Patienten mit Spät- und Langzeitfolgen zugeschnittenen Programme, wenn auch die zwischenzeitlichen Erkenntnisse zu den medizinischen Folgen der Viruserkrankung kontinuierlich in die Neurologische Rehabilitation einfließen. Unklarheiten bestünden noch bei den rehabiliationsmedizinischen Bedingungen des Long Covid.

Das soll sich aber ändern, so Adamaszek. Ein interdisziplinäres Projekt mit der Charité in Berlin nehme immer klarere Konturen an. Professor Carmen Scheibenbogen von der dortigen Immundefekt-Ambulanz sei hier federführend vor allem bei dem Fatigue-Syndrom, einer Ermüdungs- und Erschöpfungserkrankung, das sich bei Covid 19-Patienten entwickeln kann. Wobei auch weitere Aspekte, wie eine ungenügende Verarbeitung der Krankheit auf der Intensivstation hinzukommen können, vermutet Adamaszek.

Hier gebe es noch zu wenig Ursachenforschung und keine ausreichende Behandlungs- sowie Therapiemöglichkeit, so der Chefarzt der Neurologischen Rehabilitation. Individuelle Programme zu entwickeln sei deshalb ein Ziel dieses Projektes.

Long-Covid-Patienten von Charité sollen nach Kreischa

Erfasst werden sollen aber auch kognitive Einschränkungen, spezielle Atemwegsstörungen und körperliche Einschränkungen wie bei Leander Wagner. Interessant sei zudem zu untersuchen, wie sich die Herzleistung durch einen krankheitsbedingt geschrumpften Herzmuskel entwickelt oder auch der Zusammenhang von Covid 19 und Abbau von Muskelmasse. Ein Symptom, unter dem Kraftsportler Wagner leidet.

"Wenn wir wissen, wie sich das Virus auf all diese Erkrankungen auswirkt, welche medizinischen Gründe es für Beeinträchtigungen von Körperfunktionen gibt, können wir spezielle Behandlungs- und Therapieprogramme entwickeln", sagt der Kreischaer Chefarzt. Dabei wollen die Ärzte und Therapeuten auch erforschen, wie sich die Gefahr eines Long-Covid-Syndroms minimieren lässt.

Noch in diesem Jahr, so Adamaszek, sollen voraussichtlich die ersten Long-Covid-Patienten der Charité nach Kreischa zur Rehabilitation kommen. Die letzten Absprachen würden gerade laufen. Über zwei bis drei Jahre werden bis zu 300 Patienten für jeweils drei bis vier Wochen an der Bavaria-Klinik eine speziell auf sie zugeschnittene Rehabehandlung bekommen.

Genesener Corona-Patient zieht Impfung in Erwägung

Vielleicht ist das in absehbarer Zeit auch eine Möglichkeit für Leander Wagner. Noch aber könne man bei ihm nicht von Long-Covid-Symptomen sprechen, so Adamaszek.

Seine Probleme seien die schweren körperlichen Folgen der Erkrankung. Alles, was möglich ist, will er selbst tun, um wieder fit zu werden. Vielleicht noch nicht gleich als Kraftsportler. Sein nächstes Ziel: "Ich möchte wieder auf eigenen Beinen stehen und in meinem Beruf als Immobilienmakler arbeiten."

Als er jetzt eine Woche zu Hause war, hat er im Homeoffice schon mal getestet, ob er nach so langer Pause seine Aufgaben beherrscht. Ein Test, mehr noch nicht. Und er hätte gutes Essen bekommen, Bratwurst mit Sauerkraut zum Beispiel. Nicht nur wegen der Kochkünste seiner Frau will Wagner so schnell wie möglich wieder in seine gewohnte Umgebung. Dort würden viele Aufgaben auf ihn warten. Er glaubt, dass er da mehr für sich tun kann, als es bei einer Anschlussbehandlung in einer anderen Klinik möglich wäre.

Wie sieht es heute mit der Impfbereitschaft aus? Noch vor Wochen hat Leander Wagner das kategorisch ausgeschlossen. Auch wenn das derzeit wegen seiner Krankheitssymptome nicht möglich ist, so hätte er tatsächlich darüber nachgedacht. Er überlegt nun doch, sich eine Spritze geben zu lassen, wenn er alles überstanden hat. Zu schwer war für ihn der Verlauf seiner Covid-Erkrankung und sind es die Nachwirkungen. Bei der Reha hätte er viel Zeit zum Nachdenken gehabt.