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Bis zu 1.600 Euro mehr Netto vom Brutto: Steuerzahlern bleibt 2024 mehr vom Gehalt

Die Ampelkoalition hat zum neuen Jahr einige Entlastungen beschlossen. Fachleute haben ausgerechnet, was das konkret für den einzelnen Steuerzahler bedeutet.

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Ab dem 1. Januar 2024 werden viele Arbeitnehmer und Selbstständige mehrere Hundert Euro mehr in der Tasche haben.
Ab dem 1. Januar 2024 werden viele Arbeitnehmer und Selbstständige mehrere Hundert Euro mehr in der Tasche haben. © dpa

Von Jan Hildebran und Martin Greive

Für Steuerzahler beginnt das neue Jahr mit einer guten Nachricht. Ab dem 1. Januar 2024 werden viele Arbeitnehmer und Selbstständige mehrere Hundert Euro mehr in der Tasche haben. Dies geht aus Berechnungen des Finanzwissenschaftlers Frank Hechtner von der Universität Erlangen-Nürnberg für das Handelsblatt hervor. In den Berechnungen hat Hechtner alle Änderungen bei Steuern und Sozialabgaben zum 1. Januar 2024 berücksichtigt.

Ob 3.000 oder 5.000 Euro Gehalt, keine oder zwei Kinder – je nach Höhe der Einkünfte oder Anzahl der Kinder im Haushalt variieren die Entlastungen stark. Die Berechnungen zeigen, welche Einkommen mit wie viel mehr Netto vom Brutto im nächsten Jahr rechnen können.

Ein Single mit einem Einkommen von 3.000 Euro etwa hat im Jahr 2024 insgesamt 172 Euro mehr zur Verfügung. Ein Single mit 5.000 Euro Verdienst im Monat kann sich über 292 Euro mehr freuen. Noch deutlich höher fällt die Entlastung für eine Familie mit zwei Kindern aus. Wenn etwa der eine Partner 2.500 und der zweite 4.000 Euro im Monat verdient, beträgt die Entlastung 508 Euro im Jahr. Spitzenverdiener-Familien mit einem Einkommen von 16.000 Euro im Monat haben 1.600 Euro mehr zur Verfügung.

„Die Veränderung des Einkommensteuertarifs für 2024 führt zu deutlich spürbaren Entlastungen“, sagt Hechtner. Die Entlastungen würden sogar noch deutlich höher ausfallen, wenn nicht parallel zu den Steuerentlastungen höhere Sozialabgaben die Beitragszahler belasten würden. „Zur Wahrheit gehört, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Steuerentlastungen durch die gestiegenen Sozialabgaben wieder aufgezehrt wird“, sagt Hechtner. Dies betrifft insbesondere kinderlose Steuerpflichtige.

Steuer: Höhere Sozialabgaben zehren Entlastungen auf

So beträgt laut Hechtner im nächsten Jahr die Mehrbelastung für einen Single bei den Sozialabgaben in der Spitze 710 Euro. Eine Gutverdiener-Familie muss im Jahr 2024 in der Spitze 541 Euro mehr an Sozialabgaben zahlen.

Der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung steigt im Jahr 2024 für viele Versicherte von 1,6 auf 1,7 Prozent. Zudem steigen die Beitragsbemessungsgrenzen in den gesetzlichen Sozialversicherungen. Die Beitragsbemessungsgrenze ist die Einkommensgrenze, bis zu der Sozialbeiträge gezahlt werden. Erhöht sich diese Grenze, werden auch mehr Sozialabgaben fällig.

In der gesetzlichen Renten‐ und Arbeitslosenversicherung steigt die Beitragsbemessungsgrenze im Westen ab 1. Januar 2024 um 250 auf 7.550 Euro. Im Osten erhöht sich die Grenze um 350 auf 7.450 Euro. In der gesetzlichen Kranken‐ und Pflegeversicherung steigt die Grenze um 187,50 auf einheitlich 5175 Euro.

In Hechtners Jahresvergleich fließen zudem jene Änderungen mit ein, die bereits für das zweite Halbjahr 2023 in Kraft getreten sind. So ist der Beitragssatz in der Pflegeversicherung für Arbeitnehmer zum 1. Juli 2023 auf 1,7 Prozent gestiegen. Der Zuschlag für Kinderlose erhöhte sich von 0,35 auf 0,6 Prozent. Weiterhin ist ein Abschlag für Arbeitnehmer mit Kindern in Kraft getreten. Der Beitragssatz wird ab dem zweiten Kind um 0,25 Prozent pro Kind gesenkt.

Grundfreibetrag und Kinderfreibetrag steigen: 35 Milliarden Euro Entlastung

Dem gegenüber steht eine Reihe von Entlastungen im nächsten Jahr, die sich zusammen auf immerhin rund 35 Milliarden Euro belaufen. So steigt der steuerliche Grundfreibetrag, bis zu dem Steuerzahler gar keine Steuern zahlen müssen, von 10.908 auf 11.604 Euro. Der Kinderfreibetrag wird von 6.024 auf 6.384 Euro erhöht.

Zudem gleicht die Bundesregierung die sogenannte „kalte Progression“ aus. Dieser Fachterminus beschreibt den Effekt, wenn Bürger wegen des ansteigenden Steuertarifs auch dann mehr an den Fiskus zahlen müssen, wenn ihre Gehaltserhöhung lediglich die Inflation ausgleicht.

Diesen für die Steuerzahler nachteiligen Effekt gleicht die Bundesregierung im neuen Jahr durch eine Anpassung der Steuertarife an die Inflationsrate vollständig aus. Das heißt konkret: Höhere Steuersätze werden erst mit einem höheren Gehalt fällig. Ausnahme: Wer 277.826 Euro verdient und damit den sogenannten „Reichensteuersatz“ in Höhe von 45 Prozent zahlt, profitiert als Einziger nicht von den Entlastungen.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) selbst hatte vorgeschlagen, Topverdiener von den Entlastungen auszunehmen, um für einen sozialen Ausgleich zu sorgen und so seine Koalitionspartner von den generellen Entlastungen zu überzeugen. SPD und Grüne sahen einen vollständigen Ausgleich der kalten Progression wegen der damit verbundenen Einnahmeausfälle für den Staat skeptisch.

Die Veränderungen zum Jahreswechsel bedeuten auch, dass ab dem 1. Januar die Einkommensgrenze steigt, ab der der Solidaritätszuschlag fällig wird. Seit dem Jahr 2021 müssen nur noch die zehn Prozent Topverdiener den Zuschlag auf die Einkommensteuer zahlen.

Steuer: Grundfreibetrag steigt 2024 noch ein zweites Mal

2024 muss ein Single erst dann Soli abführen, wenn er mehr als 18.130 Euro Einkommensteuer im Jahr zahlt. Dafür ist ein Bruttoeinkommen von annähernd 80.000 Euro notwendig. Für Ehepaare gelten jeweils die doppelten Verdienstgrenzen.

Die Bundesregierung hat sich darauf verständigt, den steuerlichen Grundfreibetrag im Laufe des Jahres 2024 erneut auf 11.784 anzuheben.
Die Bundesregierung hat sich darauf verständigt, den steuerlichen Grundfreibetrag im Laufe des Jahres 2024 erneut auf 11.784 anzuheben. © Michael Kappeler/dpa

Durch diese Maßnahmen steht unterm Strich zum 1. Januar 2024 dann doch eine ordentliche Entlastung. Und nicht nur zu Jahresbeginn können sich Steuerzahler über mehr Netto vom Brutto freuen. Etwa zur Jahresmitte 2024 wird es eine weitere Entlastung geben.

So hat sich die Bundesregierung gerade erst darauf verständigt, den steuerlichen Grundfreibetrag noch stärker anzuheben. Grund dafür ist das deutlich höhere Bürgergeld. Weil der Regelsatz so stark steigt, muss die Bundesregierung aus verfassungsrechtlichen Gründen auch die Steuerfreibeträge entsprechend anheben.

Die exakten Beträge stehen auch schon fest. Der steuerliche Grundfreibetrag soll auf 11.784 und der Kinderfreibetrag auf 6.612 Euro steigen, also nochmals über die Grenzen hinaus, die ab 1. Januar 2024 gelten. Weil sich die Bundesregierung allerdings gerade erst auf die Anhebung verständigte, schaffte sie es nicht, rechtzeitig zu Jahresbeginn ein entsprechendes Gesetz fertigzustellen.

Nun will die Bundesregierung die höheren Freibeträge wahrscheinlich im nächsten Frühjahr mit dem sogenannten „Jahressteuergesetz“ beschließen. Die Entlastungen sollen aber rückwirkend zum 1. Januar 2024 gelten und werden nachträglich bei der Lohnsteuerabrechnung berücksichtigt.

Für Arbeitgeber bedeutet das einigen Mehraufwand, Arbeitnehmer hingegen können sich nochmals freuen. Laut Hechtners Berechnungen führt diese weitere Anhebung des Grundfreibetrags zu einer weiteren Entlastung von 33 Euro im Jahr.

Dieser Artikel erschien zuerst im Handelsblatt.