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Voller Unterhalt trotz geteilter Betreuung der Kinder?

Wenn die Unterhaltsforderungen steigen, führt das nicht selten zum Streit. Vor allem, weil auch in der gemeinsamen Zeit Kosten entstehen. Was ist angemessen?

Von Stephanie Wesely
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Auch in der Zeit, wo Vater und Kind zusammen sind, entstehen Kosten – trotz vollem Unterhalt.
Auch in der Zeit, wo Vater und Kind zusammen sind, entstehen Kosten – trotz vollem Unterhalt. © picture alliance / Marcel Kusch/dpa

Peggy Göhler, Sachgebietsleiterin im Jugendamt Dresden, und Frank Simon, Fachanwalt für Familienrecht mit Kanzleien in Dresden und Chemnitz, beantworten Leserfragen.

Ich habe mehr als 25 Kilometer Arbeitsweg und damit hohe Fahrtkosten. Da mein Einkommen nicht so hoch ist, kann ich nicht den vollen Unterhalt für meine Kinder zahlen. Jetzt soll ich mir ein Deutschlandticket zulegen, um Fahrtkosten zu reduzieren. Ist das zumutbar?

Ja, wenn Sie keinen Mindestunterhalt leisten können, müssen Sie alle Sparmöglichkeiten einsetzen, um Ihren Kindern das Existenzminimum zu sichern.

Wir betreuen unsere Kinder gemeinsam – bei mir sind sie an elf von 30 Tagen im Monat. Dennoch zahle ich vollen Unterhalt. Ist das richtig? Ich habe gehört, dass sich da etwas ändern soll.

In Ihrem Fall betreuen Sie die Kinder im erweiterten Umgangsmodell. Sie müssen aber dennoch vollen Unterhalt entsprechend Ihres Einkommens und Alters der Kinder zahlen. Die geplante Unterhaltsreform der Bundesregierung soll bei einem Betreuungsanteil von 30 bis 49 Prozent Unterhaltsanpassungen ermöglichen. Doch bis jetzt ist noch nichts beschlossen, sodass die bisherige Verfahrensweise weiter gilt.

Obwohl ich vollen Unterhalt für meine Tochter zahle, kaufe ich ihr Kleidung, Schulsachen und andere Dinge. Kann ich das vom Unterhalt abziehen?

Nein, Ihr Kind hat Anspruch auf den ihm zustehenden Unterhalt. Doch die Mutter des Kindes muss dafür sorgen, dass von diesem Geld alle anstehenden Ausgaben und Anschaffungen für das Kind finanziert werden, die es benötigt, wenn es mit Ihnen Umgang hat. Das heißt, Ihre Tochter muss genügend Kleidung und den benötigten Schulbedarf mithaben. Kosten für Ihre gemeinsame Freizeitgestaltung sind davon aber ausgenommen.

Ich zahle für zwei Kinder monatlich rund 500 Euro Unterhalt, habe aber ein Nettoeinkommen von 1.970 Euro. Hinzu kommen laufende Ausgaben. Wenn ich nicht arbeite und Bürgergeld beziehe, hätte ich mehr Geld. Muss ich wirklich so viel zahlen?

Da Sie noch nicht einmal den Mindestunterhalt für Ihre Kinder zahlen können, haben Sie eine sogenannte gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Sie sind also verpflichtet, durch Erwerbstätigkeit und gegebenenfalls durch einen Nebenjob den Mindestunterhalt zu zahlen. Eine Wochenarbeitszeit von 48 Stunden ist dabei zulässig.

Meine Tochter ist volljährig und hat eine Ausbildung zur Sozialassistentin abgeschlossen. Das ist die Vorstufe zur Erzieherlaufbahn. Nun ist sie aber seit längerer Zeit krank und fordert von mir Unterhalt, bis sie die Erzieherausbildung abschließt. Muss ich zahlen?

Die Ausbildung zum Sozialassistenten ermöglicht bereits eine Erwerbstätigkeit. Deshalb ruht Ihre Unterhaltspflicht. Nimmt Ihre Tochter nach ihrer Genesung die Ausbildung wieder auf, muss sie ihren Unterhaltsanspruch Ihnen gegenüber mit einem aktuell aufbauenden Bildungsnachweis erneut belegen.

Mein Sohn studiert und arbeitet nebenher ehrenamtlich, wie er sagt. Er hat mir noch keine Studienbescheinigungen vorgelegt. Da habe ich den Unterhalt gekürzt. Ist das richtig?

Eigenmächtige Kürzungen sind nicht statthaft. Grundsätzlich müssen Studierende ihren unterhaltsverpflichteten Eltern aber ihren Anspruch und den Studienfortschritt nachweisen, indem sie Studienbescheinigungen, Bafög-Nachweise und Zwischenzeugnisse vorlegen. Auch eventuelle Nebeneinkünfte sind offenzulegen. Ihr Sohn ist verpflichtet, Bafög zu beantragen. Mit diesem Geld sind im Grunde alle Ansprüche abgedeckt. Einen darüber hinausgehenden Anspruch muss er darlegen.

Ich zahle für ein Kind 160 Prozent vom Mindestunterhalt. So wurde das für mein Einkommen entschieden. Die neue Unterhaltstabelle hat aber jetzt eine andere Staffelung bei den Einkommensgruppen. Damit rutsche ich in die Spalte mit 152 Prozent vom Mindestunterhalt. Demnach müsste ich nicht mehr Unterhalt zahlen als letztes Jahr. Ist das richtig?

Das muss individuell geprüft werden. Dafür müssen Sie auch Ihre Einkommensverhältnisse neuerlich nachweisen. Ist Ihr Einkommen aber gegenüber dem Jahr zuvor unverändert, zahlen Sie nur noch 152 Prozent vom Mindestunterhalt. Die seit Januar gültige Erhöhung des Unterhaltes würde sich damit für Sie nicht so stark auswirken.

Wir betreuen unsere Kinder in unserem gemeinsamen Haushalt. Wir wollen uns trennen, sind es aber noch nicht. Wie verteilen wir die Unterhaltspflichten für unsere Kinder?

Die Unterhaltstabelle gilt erst ab dem Zeitpunkt der räumlichen und örtlichen Trennung, zum Beispiel wenn die Kinder vorrangig bei einem Elternteil leben. Bis dahin müssen Sie sich selbst über die Verteilung der laufenden Kosten einigen.

Unsere Kinder leben bei den Großeltern. Müssen wir als Eltern ihnen dafür Unterhalt zahlen? Dürfen die Großeltern das Konto selbst bestimmen, auf das die Zahlungen gehen?

Der Bedarf Ihrer Kinder liegt bei je 930 Euro im Monat, da sie nicht mehr in Ihrem Haushalt leben. Das staatliche Kindergeld von 250 Euro je Kind ist dabei in voller Höhe anzurechnen. Sie als Eltern haben einen angemessenen Selbstbehalt von je 1.750 Euro pro Monat. Wenn Sie den Unterhalt aber damit nicht vollständig leisten können, steht Ihnen bei Erwerbstätigkeit nur ein Selbstbehalt von 1.450 Euro zu. Das Geld geht auf das Konto der betreuenden Großeltern. Sie haben keinen Zugriff.

Meine Ex-Frau ist Zahnärztin und hat ein recht hohes Einkommen. Ich verdiene nur 1.790 Euro monatlich. Nun soll ich trotzdem für meine Kinder Unterhalt zahlen. Ist das richtig?

Die sogenannte Ersatzhaftung – also, dass Ihre Frau den Unterhalt übernimmt – tritt nur dann ein, wenn sie etwa dreimal so viel wie Sie verdient. Nach Abzug der Unterhaltsverpflichtungen müssten ihr aber dennoch mindestens 500 Euro mehr zum Leben zur Verfügung stehen als Ihnen, wenn sie Unterhalt leistet. Bei mehreren Kindern sind die Voraussetzungen für die volle Ersatzhaftung meist nicht gegeben.

Nachdem ich mich von der Mutter meiner Kinder getrennt habe, lebe ich wieder bei meinen Eltern. Wie wirkt sich das auf meinen Selbstbehalt aus?

Da Sie keine Wohnkosten haben und eventuell auch anderweitig von Ihren Eltern unterstützt werden, wird Ihr Selbstbehalt entweder pauschal um zehn Prozent für die Haushaltseinsparung gekürzt, oder es wird bei der Unterhaltsberechnung der Warmmietanteil vom Selbstbehalt abgezogen

  • Die aktuellen Unterhaltslinien sowie die Unterhaltstabelle 2024 für Sachsen finden Sie hier.