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Triff eine Auswahl zum Thema Werbung!

Verbraucherschützer hatten die Daten-Sammelwut von Facebook und Instagram abgemahnt. Deren Reaktion ruft nun neue Kritik hervor.

Von Sylvia Miskowiec
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Werbefreies Facebook und Instagram: Auf dem Handy wird es teurer.
Werbefreies Facebook und Instagram: Auf dem Handy wird es teurer. © Bernd Weißbrod/dpa

Mehr als 25 Millionen Menschen in Deutschland nutzen täglich Facebook, auf Instagram sind es 27 Millionen. Sie alle erhalten in den kommenden Wochen eine Information mit der Aufforderung „Triff eine Auswahl zum Thema Werbung“. Dahinter steht ein neues Bezahlmodell, das der Mutterkonzern Meta eingeführt hat.

Wer die beiden sozialen Netzwerke nutzen möchte, ohne dass ihm Werbung aufgrund des eigenen Nutzerverhaltens ausgespielt wird, muss in der Europäischen Union, der Schweiz sowie in Island, Liechtenstein und Norwegen künftig 9,99 Euro im Monat bezahlen, sofern man nur am Computer surft. Teurer wird es für alle, die Facebook und Instagram auf dem Handy nutzen – was die große Mehrheit der User betrifft. Fürs Smartphone kostet das Werbefrei-Abo 12,99 Euro. Den höheren Preis begründet Meta mit Gebühren, die Google und Apple zusätzlich erheben würden.

Ab März wird es teurer

Doch damit nicht genug. Ab März 2024 wird es noch teurer, denn dann ist nur noch ein Konto – egal, ob bei Facebook oder Instagram – im Preis enthalten. Hat man im jeweils anderen Netzwerk auch noch ein Profil, kostet die Werbefreiheit dort extra: je Konto sechs Euro monatlich am PC und acht Euro auf dem Smartphone. Allen, die zahlen, verspricht Meta: „Wir verwenden deine Informationen dann nicht, um dir Werbung zu zeigen.“ Bislang ist das anders. Um Usern genau auf sie zugeschnittene Werbung zu zeigen, verfolgen die beiden sozialen Medien die Nutzer-Aktivitäten, sammeln also Daten. Das sei unzulässig, meinte die irische Datenschutzbehörde. Sie verhängte aufgrund von Datenschutzverstößen 390 Millionen Euro Bußgeld zu Anfang des Jahres, gefolgt von der Rekordstrafe von 1,2 Milliarden Euro im Mai.

Meta, das seinen europäischen Sitz in der irischen Hauptstadt Dublin hat, musste reagieren und Nutzer in der EU um ihre Zustimmung bitten, bevor Anbietern erlaubt wird, zielgerichtete Werbung zu schalten. Doch den Usern als Alternative aber nur ein Bezahlmodell zu bieten, reicht Verbraucherschützern nicht. Zumal damit die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) immer noch nicht eingehalten würden, kritisiert die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Meta sammelt trotzdem weiter Daten

„Niemand kann sich mit einem Abo von der Datensammelei Metas ‚freikaufen’. Meta kann weiterhin erfassen und speichern, was man auf Facebook und Instagram macht und damit ein umfassendes Nutzer-Profil erstellen“, sagt Hauke Mormann, Social-Media-Experte der Verbraucherzentrale NRW. „Auch was man auf anderen Internetseiten macht oder welche Apps man sonst noch auf dem Smartphone installiert hat und nutzt, kann Meta oft nachvollziehen.“ Diese Daten könne das Unternehmen für Abokunden dann zwar nicht mehr für personalisierte Werbung verwenden, wohl aber für andere Zwecke, etwa für die Personalisierung von Inhalten, also um auszuwählen, welche Beiträge man auf seiner Timeline sieht.

Genau hier könnte ein Knackpunkt liegen: Zwar hatte hierzulande die Konferenz der Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder im März dieses Jahres die Wahlmöglichkeit, sich entweder tracken zu lassen oder für eine werbefreie Version zu bezahlen, als DSGVO-konform bezeichnet. Allerdings „dürfen ausschließlich Nutzerdaten ausgelesen werden, die für die Bereitstellung des Dienstes unbedingt erforderlich sind“, heißt es in dem Beschluss. Sollten weitere Daten erhoben und verarbeitet werden, müsse dafür eine weitere Einwilligung erhoben werden. Nach bisheriger Lesart dürfte Metas jetziges Vorgehen Datenschützern nicht ausreichen.

Eine weitere Kritik der Verbraucherschützer: Unternehmen, die Analysedienste von Meta verwenden, erhalten umfangreiche Informationen darüber, wie Nutzer mit deren Inhalten oder Diensten interagieren. „Diese Informationen können sie für eigene Zwecke nutzen. Das gilt auch für Daten von Menschen, die sich für ein Abo-Modell entscheiden“, so Mormann. Daten würden also trotzdem kommerziell genutzt.

Der Frage nach der Freiwilligkeit

Nicht zuletzt stelle sich die Frage nach der echten Freiwilligkeit. So müssen Menschen vollständig darüber informiert werden, welche ihrer Daten gesammelt werden, wie das geschieht und was damit geschieht. Dem können sie dann freiwillig zustimmen. Verbraucherschützer Mormann schüttelt da den Kopf. „Ist eine Zustimmung wirklich freiwillig, wenn das größte soziale Netzwerk jahrelangen Mitgliedern jetzt nur die Wahl lässt zwischen personalisierter Werbung oder mindestens 120 Euro pro Jahr?“

Bei den Usern dürfte Metas Abo-Modell vorerst wenig Freunde finden, resümiert denn auch die Plattform AllSocial.de, der nach eigenen Angaben beliebteste Blog über Social-Media-Marketing. Dessen Macher haben sich im Netz umgehört und kommen in einem entsprechenden Blogbeitrag zu dem Schluss: „Eine deutliche Mehrheit der Nutzerinnen und Nutzer hat nicht vor, gegen Gebühr Facebook und Instagram werbefrei nutzen zu wollen.“

Tiktok zieht nach

Nichtsdestotrotz hat Meta bereits Nachahmer. So testet die Kurzvideoplattform Tiktok bereits ein werbefreies Abo für 4,99 US-Dollar im Monat im englischsprachigen Raum außerhalb der USA. Meta allerdings wirbt auch weiterhin für ein werbegestütztes Web. Wundern darf das nicht: Werbeerlöse sind die Haupteinnahmequelle des Konzerns. Allein im vergangenen Quartal generierte der Meta rund 17 Euro pro europäischem User – fast ausschließlich aus Werbeeinnahmen.