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Gericht untermauert Zschäpe-Verurteilung

Nach fast zwei Jahren Warten liegt das schriftliche NSU-Urteil vor. Das Gericht erklärt, warum es Zschäpe wegen zehnfachen Mordes verurteilt hat.

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Beate Zschäpes "Abwesenheit vom Tatort im engeren Sinne" sei "geradezu Bedingung" für die Begehung der NSU-Morde gewesen, urteilte das Gericht.
Beate Zschäpes "Abwesenheit vom Tatort im engeren Sinne" sei "geradezu Bedingung" für die Begehung der NSU-Morde gewesen, urteilte das Gericht. © Peter Kneffel/dpa

München. Das Oberlandesgericht München hat in seinem schriftlichen Urteil im NSU-Prozess die Verurteilung der Rechtsterroristin Beate Zschäpe wegen zehnfachen Mordes untermauert. Der Tatbeitrag Zschäpes sei "objektiv wesentlich" gewesen, heißt es in der Urteilsbegründung. Die genaue Argumentation ist deshalb von großem Interesse, weil der Bundesgerichtshof in Karlsruhe das NSU-Urteil überprüfen muss.

Zschäpe war am Ende des mehr als fünfjährigen Mammutverfahrens um die Morde und Anschläge des "Nationalsozialistischen Untergrunds" am 11. Juli 2018 zu lebenslanger Haft verurteilt worden - auch wenn es keinen Beweis gibt, dass sie selbst an einem der Tatorte war.

Sie lebte aber fast 14 Jahre lang mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund - in dieser Zeit ermordeten die Männer neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin. Am Ende nahmen sich die beiden Männer das Leben, um der drohenden Festnahme durch die Polizei zu entgehen. Zschäpe steckte die letzte gemeinsame Wohnung in Brand, verschickte ein Bekennervideo - und stellte sich der Polizei. Das Gericht verurteilte Zschäpe letztlich als Mittäterin an allen Morden und Anschlägen des NSU.

In der schriftlichen Urteilsbegründung argumentiert das Gericht, Zschäpe habe zusammen mit den beiden Männern die Tatorte ausgewählt und auch Einfluss auf Zeitpunkt und Art und Weise der Taten gehabt. Tatbeitrag Zschäpes sollte demnach sein, die Abwesenheit der beiden aus der gemeinsamen Wohnung zu verschleiern und den Männern damit "eine sichere Rückzugsmöglichkeit zu schaffen". Und: Zschäpe sollte sich während der Morde und Anschläge in oder in der Nähe der Wohnung aufhalten, um im Falle des Todes ihrer Freunde das vorbereitete Bekennervideo verschicken und Beweismittel vernichten zu können.

"Anwesenheit von Juden und Ausländern im Inland verhasst"

Diese "Abwesenheit vom Tatort im engeren Sinne" sei also "geradezu Bedingung" für die Begehung der jeweiligen Taten gewesen. Nur durch die "örtliche Aufteilung" sei auch gesichert gewesen, dass der "ideologische Zweck der Gewalttaten" letztlich erreicht werden würde. Tatsächlich wurde die rassistische Motivation der Mordserie, die das Land in Atem gehalten hatte, erst durch das Bekennervideo öffentlich.

Zschäpe und der NSU waren laut dem schriftlichen Urteil geleitet von einer "ausländerfeindlichen, antisemitischen und staatsfeindlichen Ideologie". "Aufgrund ihrer nationalsozialistisch-rassistischen Vorstellungen war der Angeklagten Zschäpe die Anwesenheit von Juden und Ausländern im Inland verhasst." Und weiter: "Taten waren als Serientaten der nationalsozialistischen Terrorgruppe NSU konzipiert."

Das Gericht hatte seine schriftliche Urteilsbegründung am vergangenen Dienstag abgegeben - fast zwei Jahre nach dem Urteil gegen Zschäpe und vier Mitangeklagte. Auch diese vier waren zu mehrjährigen Haft- oder Jugendstrafen verurteilt worden. Weil mehrere Prozessbeteiligte Revision eingelegt haben, muss der BGH das Urteil aber überprüfen.

Eine Sonderstellung nahm der Mitangeklagte André E. ein: Bei ihm war das Gericht mit zweieinhalb Jahren Haft wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung weit unter der Forderung der Anklage geblieben, die auf Beihilfe zum versuchten Mord plädiert hatte: Unter anderem soll E. ein Wohnmobil angemietet haben, mit dem die Täter für einen Bombenanschlag nach Köln fuhren. 

Dazu heißt es im schriftlichen Urteil, es könne nicht nachgewiesen werden, dass E. damals mit der Möglichkeit rechnete, dass das Wohnmobil zur Begehung eines Sprengstoffanschlags verwendet werden sollte. E. habe damals auch keinen intensiven Einblick in die Lebensverhältnisse der drei gehabt.

Hält das Urteil der Überprüfung stand, wird es rechtskräftig. Hat die Revision Erfolg, heben die Richter das Urteil ganz oder teilweise auf. Dann muss das zuständige OLG nach den Maßgaben aus Karlsruhe neu entscheiden, üblicherweise eine andere Strafkammer. In bestimmten Fällen korrigieren die BGH-Richter die Urteilsformel auch direkt. Beanstandungen können auch nur Teile des Urteils betreffen. Zum Beispiel kann der BGH feststellen, dass jemand richtigerweise schuldig gesprochen wurde, die Strafe aber falsch bemessen ist. (dpa)