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Abschiedstheater vor der Schule

Vor der Schule schreit das Kind und will nicht rein. In der Klasse ist dann heile Welt. Kinderpsychiater Veit Rößner gibt Ratschläge, wie es besser klappt.

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Unser Kolumnist Prof. Dr. Veit Rössner ist Kinder-Psychiater am Dresdner Uni-Klinikum "Carl Gustav Carus".
Unser Kolumnist Prof. Dr. Veit Rössner ist Kinder-Psychiater am Dresdner Uni-Klinikum "Carl Gustav Carus".
Unser Kolumnist Prof. Dr. Veit Rössner ist Kinder-Psychiater am Dresdner Uni-Klinikum "Carl Gustav Carus". Unser Kolumnist Prof. Dr. Veit Rössner ist Kinder-Psychiater am Dresdner Uni-Klinikum "Carl Gustav Carus". © Matthias Rietschel

Unsere Tochter (6) schreit jeden Morgen, wenn ich sie zur Schule bringe. Sie lässt mich beim Abschied nicht los und macht ein Riesentheater. In der Klasse später scheint die Welt in Ordnung. Was können wir tun?

Von Prof. Dr. Veit Rössner

Die allermeisten Kinder schaffen den Sprung vom Kindergarten in die Schule ohne große Schwierigkeiten. Bei einigen kommt später die Ernüchterung und Erkenntnis, dass die frei bestimmte Spielzeit am Vormittag nun wirklich vorbei ist. Denn in der Schule gelten mehr und andere Regeln und Abläufe. Zudem findet nun ein häufiger Wechsel der Bezugspersonen außer Haus statt. Die Kinder treffen auf viele neue Gesichter und Charaktere – auch unter Gleichaltrigen. Daher ist es nachvollziehbar, dass einige Kinder sich nun noch stärker an der fast einzig bleibenden Konstante, die Familie, orientieren.

Um Ihnen hilfreiche Ratschläge geben zu können, wären weitere Informationen wichtig. So macht es einen Unterschied, ob es Ihrer Tochter auch in anderen Alltagssituationen schwerfällt, sich von Ihnen zu trennen. Außerdem sollte das Trennungsproblem von möglichen Schwierigkeiten in der Schule abgegrenzt werden. Sprechen Sie unbedingt mit Ihrer Tochter und der Klassenlehrerin. Vielleicht hat die Lehrerin bereits Ähnliches bei anderen Kindern erlebt und kann Ihnen Hilfe bei der morgendlichen Übergabe anbieten.

Kuscheltier kann Trost spenden

Geht es tatsächlich „nur“ um den morgendlichen Abschied, wissen wir aus Erfahrung, dass folgende Dinge manchen Eltern schnell helfen: Wenn Ihre Tochter schon Kinder kennt und mag, kann ein Treffen und Verabschieden bereits auf dem Schulweg das morgendliche Loslösen erleichtern. Optimal wäre es, wenn sie in Begleitung einer Freundin oder eines Freundes ein Stück des Schulweges allein meistert. Mitunter fällt Kindern der Abschied von den Eltern etwas entfernt von der Schule deutlich leichter.

Im Kindergarten wurden einige Kinder von einem vertrauten Kuscheltier begleitet. Auch in der Schule kann in der ersten Zeit ein kleiner Stofffreund oder ein anderer vertrauter Gegenstand, zum Beispiel ein Mut-Stein, versteckt in der Schultasche Trost und Sicherheit spenden.

Zudem sollten Sie auch bei sich schauen: Wie geht es mir beim Abschied? Habe ich das Gefühl, dass meine Tochter gut in der neuen Schule aufgehoben ist? Blicke ich optimistisch oder eher unsicher in diese neue Lebensphase? Falls Sie Schwierigkeiten mit der neuen Situation haben, setzen Sie sich mit Ihren eigenen Sorgen und Ängsten auseinander und sprechen Sie mit anderen Erwachsenen darüber. Sollte sich herausstellen, dass Ihnen das Loslassen am Morgen tatsächlich sehr schwerfällt, erwägen Sie, Ihre Tochter von einer anderen Person zur Schule beziehungsweise auf den Schulweg bringen zu lassen.

Alltagsabläufe überprüfen

Überprüfen Sie auch die Alltagsabläufe. Kinder im Grundschulalter benötigen durchschnittlich etwa elf Stunden Nachtschlaf – manche sogar noch gut ein Stündchen mehr, um sich richtig ausgeruht und psychisch fit zu fühlen. Schaffen Sie morgens einen entspannten zeitlichen Rahmen. Ihre Tochter spürt es, wenn Sie selbst in Eile sind oder unter Stress stehen. Dies überträgt sich direkt auf sie, und sie hält dann umso mehr an Gewohntem fest.

Last but not least: Schenken Sie sich und Ihrer Familie auch etwas Geduld. Sie alle befinden sich in einer der bedeutsamsten Übergangssituationen der Kindheit. Neue Abläufe und Gewohnheiten müssen sich zunächst einmal gut und konstant einspielen, damit Alltagssicherheit einkehrt.

Haben auch Sie eine Frage an den Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. med. Veit Rößner vom Dresdner Uniklinikum? Schreiben Sie an die Sächsische Zeitung, Nutzwerk, 01055 Dresden oder eine Mail an [email protected]