Wenn Kay Herbrig am Montag die ersten Patienten im Civitatenweg 1 begrüßt, ist aus vielen Zufällen und Fügungen ein hochmodernes, barrierefreies Ärztehaus für Herrnhut und die weitere Umgebung geworden. Sechs Mediziner sind ab sofort mit diesem Haus verbunden: neben Herbrig selbst sind das Thomas Pfefferkorn - ebenfalls Internist - sowie Babette Hanspach als Fachärztin für Psychiatrie und - neu im Team - Katharina Kubitz als Fachärztin für Neurologie. Hinzu kommen noch der frühere Chefarzt der Zittauer Kinderklinik, Tilmann Verbeek, der als "Sicherstellungsassistent" die Bewohner der Herrnhuter Diakonie betreut, und ein Arzt in Ausbildung.
"Es waren tatsächlich die berühmten vielen Zufälle, die es im Leben eben braucht, um alles anzuschieben", bilanziert Herbrig ganz persönlich, der bislang in der August-Bebel-Straße seine Praxis betrieben hat. Einer dieser Zufälle war, dass die letzte Mieterin des Hauses, Lonie Pfennig, 2019 ausgezogen ist. Eine weitere Fügung ergab sich, weil der Mietvertrag für Herbrigs bisherige Praxis ebenfalls endete und die Stadt mit Aussicht auf ein Ärztehaus bereit war, eine der größten Investitionen seit der Wende zu schultern. "Die Stadt hat uns hier ein komfortables Nest gebaut, das ist wirklich toll", lobt Herbrig, der selbst im Stadtrat mehrfach für das Vorhaben geworben hatte.
Eine volle Stelle für neue Neurologin
Dass es Herbrig zudem gelungen ist, Katharina Kubitz als Neurologin für seine Praxis zu gewinnen, ist ihm vor allem mit Blick auf seine Patienten sehr wichtig. Die 33-Jährige, die in Schönbach wohnt, war bislang am Fachkrankenhaus Großschweidnitz tätig und wechselt nun als angestellte Ärztin nach Herrnhut. "Wir sind hier der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen sehr dankbar, dass sie unser Vorhaben so unterstützt hat", betont Herbrig. Denn nicht nur in und um Herrnhut mit seinen vielen Wohnstätten für Senioren und Menschen mit Behinderungen sei der Bedarf besonders groß.
Doch auch in der Umgebung wächst der Bedarf an Neurologen: Nachdem die Zittauer Ärztin Heidemarie Lautenschläger ihre Praxis an einen Nachfolger weitergegeben hat, ist dort zwar weiterhin die Versorgung für Psychiatrie und Psychotherapie gegeben. Die Neurologie, für die Frau Lautenschläger ebenfalls ausgebildet war, bleibt aber auf der Strecke. Das Herrnhuter Ärztehaus bietet sich hier nun an, diese Lücke zu schließen. Auch hier ist es Kay Herbrig wie schon bei der Anstellung von Babette Hanspach gelungen, einen Sonderbedarf geltend zu machen.
Praxis mietet ganzes Haus
Bedarf an zusätzlichen Mietern im Haus hat die Stadt Herrnhut - die als Eigentümer das geschichtsträchtige Haus aufwendig saniert hat - durch die neue Konstellation nun nicht. Herbrig hat die drei barrierefreien Etagen mit 800 Quadratmetern komplett angemietet. Damit lässt er sich die Chance auf Entwicklung der Praxis offen. Herrnhuts Bürgermeister Willem Riecke (Herrnhuter Liste) ist zufrieden, weil er viele Fliegen mit einer Klappe schlägt: Ein bislang sanierungsbedürftiges Haus hat nun eine Zukunft, die Herrnhut attraktiver macht. Zwar hat die Stadt für die Sanierung von Haupt- und Nebengebäude sowie Außenanlagen einen Kredit aufgenommen. Dennoch ist die Gesamtinvestition von insgesamt mehr als 3,3 Millionen Euro - davon knapp 2,5 Millionen Euro Fördergeld - gut angelegtes Geld, ist sich Riecke sicher. Und auf der Baustelle habe es weder nennenswerte Verzögerungen noch Kostensteigerungen gegeben, betont er.
Wer nun durch das sanierte Haus geht, wird staunen, was sich in rund einem Jahr verändert hat. Und dennoch ist vieles von früher erhalten geblieben - wie das typische Herrnhuter Treppenhaus. Im Erdgeschoss logieren künftig mit Herbrig und Pfefferkorn die beiden Hausärzte. Wichtig hier mit Blick auf Coronazeiten: "Wir haben zwei Wartebereiche, sodass wir notfalls auch Patienten separieren können", betont Kay Herbrig. Im ersten Stock ist das Reich von Neurologin Kubitz noch nicht fertiggestellt. "Es fehlen noch einige Dinge, deshalb praktiziere ich bis April im Dachgeschoss bei meiner Kollegin Babette Hanspach", erklärt die Neurologin, die künftig Patienten mit Parkinson, Epilepsie, Multipler Sklerose, Demenz oder nach Schlaganfällen behandeln wird.
Haus war einst Predigerseminar
Für das exakt 200 Jahre alte Gebäude beginnt somit ein völlig neues Kapitel, denn Ärztehaus war es noch nie. Zunächst als Gerberei genutzt, wurde es vor hundert Jahren das Haus des Theologischen Seminars - des Predigerseminars der Brüdergemeine, die aus dem oberschlesischen Gnadenfeld nach Herrnhut zog. Nach 1945 wurde die Arbeit des Seminars eingestellt, aus den 1970ern ist bekannt, dass es teilweise als Rüstzeitheim für Jugendfreizeiten der Brüdergemeine genutzt wurde - und als Wohnhaus eben.
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