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Beschäftige in Sachsen sind so häufig psychisch krank wie nie zuvor

Eine Analyse der DAK zeigt, dass schon viele junge Menschen auf Arbeit lange ausfallen. Eine Branche ist besonders betroffen.

Von Kornelia Noack
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Bedrückende Aussichten.
Bedrückende Aussichten. © Fabian Sommer/dpa

Depressionen, chronische Erschöpfung und Ängste: Noch nie haben sich so viele Beschäftigte in Sachsen wegen psychischer Leiden krank gemeldet wie im vergangenen Jahr. Auf 100 Versicherte kamen 311 Fehltage. Das sind sieben Prozent mehr als im Vorjahr – und der höchste Wert seit Beginn der Auswertungen vor mehr als 25 Jahren. Allein in den vergangenen zehn Jahren nahmen die Jobausfälle um 62 Prozent zu.

Das geht aus dem am Dienstag veröffentlichten Psychreport der DAK-Gesundheit für Sachsen hervor. Dafür wurden die Daten von 53.000 Versicherten der Krankenkasse ausgewertet. Insgesamt liegt der Freistaat aber immer noch leicht unter dem Bundesniveau. Hier waren es vergangenes Jahr sogar 323 Fehltage je 100 Versicherte.

Beschäftigte gehen offener mit Diagnose um

„Die Menschen sprechen in der Familie und der Arztpraxis mittlerweile offener über Depressionen oder Ängste. Dadurch können Probleme eher als solche diagnostiziert und behandelt werden“, sagt Steffen Meyrich, Leiter der DAK-Landesvertretung Sachsen. Betroffene seien heute eher bereit, sich Hilfe zu holen. Sie bräuchten aber auch am Arbeitsplatz Unterstützung.

Auffällig ist: Am stärksten zugenommen haben die Ausfälle wegen psychischer Erkrankungen bei jüngeren Beschäftigten in Sachsen. So stiegen die Krankschreibungs-Fälle laut DAK bei den 20- bis 34-jährigen Frauen um knapp ein Viertel, bei den 25- bis 29-jährigen Männern um 82 Prozent und bei den 30- bis 34-jährigen Männern um 39 Prozent. „Die jüngeren Beschäftigten stehen teilweise erst am Anfang ihres Berufslebens. Deshalb brauchen sie unsere besondere Aufmerksamkeit in Fragen der seelischen Gesundheit“, sagt Meyrich.

Depressionen häufigster Krankschreibungsgrund

Laut Report war die Psyche erneut der dritthäufigste Grund für eine Krankschreibung – hinter Erkrankungen des Atmungssystems mit durchschnittlich 451 Fehltagen auf 100 Versicherte und des Muskel-Skelett-Systems mit 396 Fehltagen. Vor allem fehlten Beschäftigte im vergangenen Jahr wegen Depressionen – über alle Altersklassen hinweg – sowie Belastungs- und Anpassungsstörungen zum Beispiel wegen eines Trauerfalls und anderen neurotischen Störungen wie zum Beispiel chronische Erschöpfung.

„Wir sehen weiterhin den Zusammenhang zwischen Personalmangel und Krankenstand“, sagt Professor Volker Nürnberg, Experte für Betriebliches Gesundheitsmanagement. „Dieser Teufelskreis bekommt durch gravierende Veränderungen in der Arbeitswelt eine zusätzliche Dynamik. Die neuen strukturellen Bedingungen begünstigen den Anstieg der psychischen Erkrankungen.“ Meist entstünden diese unter Wechselwirkung privater und beruflicher Faktoren.

Kürzere Ausfälle fallen deutlicher auf

Im Durchschnitt dauerte ein Krankschreibung wegen seelischer Probleme bei Beschäftigten in Sachsen 27,6 Tage. Das ist etwas kürzer als in den beiden Jahren zuvor. Im bundesweiten Vergleich kehrten sie damit jedoch schneller wieder an den Arbeitsplatz zurück als andere Beschäftigte – der Bundesdurchschnitt lag bei 32,7 Tagen.

Auffällig ist, dass der Anteil von kurzen Krankschreibungen mit einer Dauer von ein bis drei Tagen deutlich angestiegen ist. Nach Ansicht der DAK seien durch die elektronische Krankschreibung wahrscheinlich vermehrt auch kürzere Krankschreibungen der Krankenkasse übermittelt worden.

Gesundheitswesen am stärksten betroffen

Die meisten Ausfälle trafen laut DAK erneut genau die Beschäftigten, die sich beruflich um andere kümmern. Bei Mitarbeitern im Gesundheitswesen lag die Zahl der Fehltage mit 454 bezogen auf 100 Versicherte deutlich über dem Durchschnitt von 311.

„Gerade die Beschäftigten, die sich selbst um das Wohlbefinden anderer Menschen kümmern, sind dabei selbst besonders psychisch belastet. Wir müssen gerade den Jüngeren mehr Unterstützung und Hilfsangebote bieten, damit sie resilienter gegen Stress und Belastungen werden“, sagt Sachsens DAK-Chef Steffen Meyrich. Das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) könne helfen, die Widerstandsfähigkeit der Organisation einer Firma zu stärken – und damit auch die der Belegschaft, so Meyrich.

Auch im Bereich der Datenverarbeitung und Informationsdienstleistungen gab es mit 412 Fehltagen überdurchschnittlich viele Ausfälle. Ähnlich sah es im verarbeitenden Gewerbe mit 348 Fehltagen, im Handel mit 388 Fehltagen und im Baugewerbe mit 324 Fehltagen aus.