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Die Kinder leiden besonders

Warum die Einschränkungen rund um Corona vor allem bei Kindern und Jugendlichen zu seelischen Problemen führen können.

Von Jens Fritzsche
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Kinder brauchen Nähe – und leiden deshalb besonders unter der sozialen Distanz, die uns Corona diktiert. Aus diesem Grund plädieren Mediziner dafür, Schulen und Kindereinrichtungen möglichst offen zu halten.
Kinder brauchen Nähe – und leiden deshalb besonders unter der sozialen Distanz, die uns Corona diktiert. Aus diesem Grund plädieren Mediziner dafür, Schulen und Kindereinrichtungen möglichst offen zu halten. © Foto: pixabay.com

Die Zahlen sind erschreckend, und der „Corona-Effekt“ ist dabei noch nicht mal eingeflossen. Die Rede ist von psychischen Problemen bei Kindern und Jugendlichen. Innerhalb von elf Jahren hat sich die Zahl der jungen Patienten mehr als verdoppelt, zeigen die Zahlen aus dem aktuellen Arztreport der Barmer-Ersatzkasse. So benötigten 2019 immerhin 823.000 Kinder und Jugendliche psychotherapeutische Hilfe, das ist mit 104 Prozent mehr als eine Verdopplung im Vergleich zum Jahr 2009. Und nun kommt auch noch Corona mit den zahlreichen Einschränkungen hinzu, die natürlich ebenfalls massive Auswirkungen auf die Psyche junger Menschen hat. Und auch da zeigen erste Zahlen der Barmer, was auf uns zukommen wird: So sind die Akutbehandlungen und die Anträge für eine erste Therapie bei Barmer-Versicherten unter 24 Jahren allein im Vorjahr um weitere sechs Prozent im Vergleich zum Jahr zuvor gestiegen …

Schulen und Kitas sind enorm wichtig

Zahlen, die auch Professor Hendrik Berth bestätigen kann und die ihn durchaus beunruhigen. Er ist Leiter der Forschungsgruppe Angewandte Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie am Dresdner Uni-Klinikum. Dass Kindergärten und Schulen lange geschlossen waren und bei den aktuell wieder steigenden Infektionszahlen wohl auch wieder geschlossen werden könnten, sieht der Dresdner Mediziner als einen entscheidenden Faktor mit Blick auf die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. „Kindergarten und Schule bedeutet nicht nur Wissensvermittlung – der Mensch ist ein soziales Wesen und gerade für Kinder ist der Kontakt mit Gleichaltrigen, ist die soziale Interaktion grundsätzlich und essenziell“, macht er deutlich. Und dass die Politik – nicht zuletzt in Sachsen – immer wieder alles daran gesetzt hat, die Schulen und Kindergärten möglichst geöffnet zu lassen, sobald es das Infektionsgeschehen zulässt, hält Hendrik Berth deshalb für ungemein wichtig. „Denn auch hier haben die Erfahrungen aus dem Frühjahr 2020 gezeigt, dass es vor allem die Kinder aus bildungsferneren und einkommensschwächeren Schichten sind, die unter den Schließungen gelitten haben“, unterstreicht er noch einmal mit Nachdruck.

Regionale Unterschiede im Blick haben

Zudem verweist der Uniklinik-Experte auch auf regionale Unterschiede. So kommen Bewohner im ländlichen Raum besser mit Einschränkungen klar, „denn mit Haus und Garten sind Kontaktbeschränkungen oder gar Quarantäne leichter zu ertragen als in einer Zwei-Raumwohnung ohne Balkon“. Und auch der soziale Status ist offensichtlich eine wichtige Komponente, macht Professor Hendrik Berth deutlich. „Zahlreiche Studien haben bereits gezeigt, dass es vor allem Arbeitslose, chronisch Kranke, Singles, Alleinerziehende und Menschen mit niedrigerem Bildungsgrad sind, die unter der aktuellen Situation besonders leiden – also all jene Bevölkerungsgruppen, die es ohnehin schon schwerer im Leben haben.“