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Warum viele Menschen gesunde Ernährung nicht durchhalten

Eine neue Ernährungsstudie der Techniker Krankenkasse zeigt, wie Wunsch und Wirklichkeit beim Essen auseinanderliegen – und warum das so ist.

Von Katrin Saft
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Hier greifen viele gerne zu.
Hier greifen viele gerne zu. ©   dpa

Fragt man Menschen, ob sie sich gesund und nachhaltig ernähren wollen, so ist die Zustimmung groß. Fast jeder weiß heute auch, wie das geht. Doch was dann tatsächlich auf den Tellern landet, sieht oft anders aus. Das zeigt eine am Mittwoch vorgestellte repräsentative Studie der Techniker Krankenkasse (TK). „Wir wollten wissen, woran das liegt“, sagt TK-Chef Jens Baas. „Denn ernährungsbedingte Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck oder Adipositas nehmen zu.“ Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat deshalb bundesweit 1.704 Erwachsene zu ihrem Ernährungsverhalten befragt, darunter 200 aus Sachsen.

Wenig überraschend: Das Wichtigste beim Essen ist den Deutschen der Geschmack. Doch auch Pizza, Nutella oder Chips schmecken gut, passen aber nicht zur gelobten gesunden Ernährung. Eine solche besteht vorwiegend aus wenig verarbeiteten sowie pflanzlichen Lebensmitteln. Medial und auch in den Läden sind vegetarische und vegane Produkte immer präsenter. Tatsächlich aber geben 78 Prozent der Befragten an, nach wie vor regelmäßig Fleisch zu essen. „Das ist ein leichter Rückgang im Vergleich zu unserer Umfrage 2017“, sagt Baas. 17 Prozent versuchen zumindest, Fleisch zu reduzieren. Doch Vegetarier und Veganer bleiben mit vier beziehungsweise ein Prozent die Ausnahme.

Der Nutri-Score wird oft ignoriert

Zwar kommt bei den meisten Befragten frisches Obst und Gemüse mehrmals pro Woche auf den Tisch. Doch 41 Prozent essen davon weniger als von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlen – nämlich täglich drei Portionen Gemüse und zwei Obst. Zu den Lieblingsgerichten der Deutschen gehören vielmehr Hausmannskost, Pasta und Fast Food, die tendenziell mehr Fett und Kohlenhydrate enthalten. Auch greifen immer mehr Menschen zwischendurch gern zu Süßigkeiten und Chips. Baas: „Seit 2017 hat sich ihr Anteil von 29 auf 36 Prozent erhöht.

Dabei ernähren sich Frauen ein wenig gesünder als Männer: Sie achten zum Beispiel mehr darauf, dass ein Produkt wenig Zucker und Kalorien enthält. Erwachsene, so die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation, sollten täglich höchstens 50 Gramm Zucker konsumieren. Die sind oft schon in zwei Tassen Glühwein drin.

Foto:Techniker
Foto:Techniker © Techniker Krankenkasse

Nicht mal jeder Dritte gab in der Umfrage an, übergewichtig zu sein. Laut Statistischem Bundesamt jedoch sind es tatsächlich 53 Prozent der Deutschen, darunter viele adipöse. Zu den Hauptgründen, die von einer gesunden Ernährung abhalten, gehört nicht etwa zu wenig Geld (elf Prozent), sondern fehlende Zeit und Ruhe (43 Prozent), mangelndes Durchhaltevermögen (37 Prozent) und eine schwierige Vereinbarkeit mit dem Job (27 Prozent).

Die ehemalige DGE-Präsidentin Ulrike Arens-Azevêdo sieht hier vor allem die Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung in der Verantwortung – beginnend in der Kita und Schule bis hin zur Betriebskantine. „Hier wird ein Großteil der Menschen erreicht, auch diejenigen, die ansonsten nicht für ausreichend gesunde Mahlzeiten sorgen können“, so Arens-Azevêdo.

Gebildete Frauen kaufen bio

Der Trend zum Homeoffice dagegen hat laut Studie kaum Einfluss auf das Ernährungsverhalten. Ausnahme: Wer zu Hause arbeitet, isst öfter nebenbei, nascht mehr und vergisst gern, genug zu trinken. Eine Hilfe in Sachen gesunder Ernährung soll der 2020 auch in Deutschland eingeführte Nutri-Score sein. Zwar kennen fast alle Befragten diese Lebensmittelampel, die den Nährwert von verarbeiteten Lebensmitteln in fünf Stufen zeigt.

Doch nur 38 Prozent orientieren sich beim Einkauf auch daran. „Das liegt daran, dass viele spontan die gewohnten Produkte in den Korb legen, sich dabei mehr von Werbebotschaften leiten lassen oder auch Schwierigkeiten haben, den Nutri-Score richtig zu interpretieren“, vermutet TK-Chef Baas. Hinzu komme, dass er auf vielen Produkten noch fehle.

Foto:Techniker
Foto:Techniker © Techniker Krankenkasse

Ein extra Kapitel widmet die Studie der nachhaltigen Ernährung. Erwartungsgemäß sagt die große Mehrheit, dass ihr regionale, saisonale und unverpackte Lebensmittel wichtig oder sehr wichtig sind. 46 Prozent bejahen das auch für den Kauf von Bio-Produkten. Fast ein Drittel räumt ein, manchmal Lebensmittel wegzuschmeißen. Erstaunlich aber ist, dass all diese Nachhaltigkeitsaspekte für die jüngeren Befragten eine geringere Rolle spielen als bei den Jahrgängen 40+. Das widerspricht der öffentlichen Wahrnehmung einer neuen, fordernden Klimageneration. Bio wiederum hat für Frauen, Vegetarier und Akademiker den höchsten Stellenwert.

Die DGE fasst nachhaltige Ernährung in ihren Empfehlungen noch weiter. „Neben Gesundheit und Umwelt gehören auch soziale Kriterien sowie das Tierwohl dazu“, sagt Ulrike Arens-Azevêdo. Bei der Kaufentscheidung jedoch, das bestätigt auch die TK-Befragung, spielt letztlich vor allem das Geld eine Rolle – für 67 Prozent in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen noch mehr als im Bundesschnitt (60 Prozent).

„Wir wollen mit unserer Studie niemanden missionieren“, versichert Kassenchef Baas. Aber es sei gesellschaftlich bedenklich, wenn es durch Fehlernährung immer mehr Übergewichtige gebe, die die Folgeprobleme mit einer Abnehmspritze „reparieren“ wollten. Die gesetzlichen Krankenkassen bieten vielmehr Präventionsprogramme an. Baas: „Wir wollen zeigen, dass gesundes Essen schmecken kann. Und dass die Umstellung der Ernährung eine Win-win-Situation ist: für die Menschen und für die Krankenkassen.“