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Immer mehr Sachsen schlafen schlecht

Auch Jüngere leiden immer häufiger unter Schlafstörungen, zeigt eine Studie. Dabei können schon einfache Mittel helfen.

Von Stephanie Wesely
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Bald klingelt der Wecker – und ich bin immer noch nicht eingeschlafen.
Bald klingelt der Wecker – und ich bin immer noch nicht eingeschlafen. © 123rf

Viele freuen sich über die zusätzliche Stunde durch die Zeitumstellung am Wochenende – Menschen mit Schlafstörungen nicht. Denn das Zurückstellen der Uhr bringt ihren ohnehin schon gestörten Schlafrhythmus zusätzlich durcheinander, sagt Ursula Marschall, leitende Medizinerin bei der Barmer. Einer aktuellen Analyse der Krankenkasse zufolge nehmen Schlafstörungen immer weiter zu.

Zwischen 2012 und 2022 stieg die Zahl der Sachsen, die sich deshalb ärztlich behandeln ließen, von 4,6 auf 6,3 Prozent. Hochgerechnet auf alle gesetzlich versicherten Erwachsenen im Freistaat waren das 260.000 Schlafgestörte, das sind 73.000 mehr als 2012. Die Dunkelziffer ist viel höher, da nicht alle Betroffenen einen Arzt aufsuchen.

Krank durch Schlafmangel

„Schlaflose Nächte sind keine Lappalie“, sagt Monika Welfens, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Sachsen. „Wer auf Dauer weniger als fünf Stunden pro Nacht schläft, hat ein höheres Risiko für chronische Krankheiten und ist weniger leistungsfähig.“ Folgen des Schlafmangels seien Übergewicht, Demenz, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfall. Dennoch sei eine einzige schlaflose Nacht auch kein Drama, wie Ursula Marschall betont. Erst wenn Schlafstörungen über drei Monate anhielten, sollten sie ärztlich abgeklärt werden. Denn dann könnte die Gesundheit Schaden nehmen.

Schlaflosigkeit ist aber nicht nur ein Problem der Älteren, auch wenn sie mit 13 Prozent den größten Anteil der behandelten Patienten ausmachen, wie die Barmer-Analyse zeigt. Deutliche Zuwächse gebe es in Sachsen auch bei den 20- bis 29-Jährigen. War im Jahr 2012 ein Prozent dieser Versicherten betroffen, waren es 2022 bereits zwei Prozent. Ein Plus von drei Prozent wird auch bei den 40- bis 49-Jährigen verzeichnet. Auslöser sind oft beruflicher und privater Stress, Reizüberflutung, Wechseljahre oder Depressionen. Oft gebe es auch zu hohe Erwartungen an die Schlafdauer, sagt Marschall. „Ältere Menschen gehen meistzeitig zu Bett und erwarten dann, bis morgens acht Uhr durchschlafen zu können. Das ist nicht realistisch.“

Optimale Schlafdauer ermittelt

US-amerikanische und chinesische Wissenschaftler haben im Fachblatt „Nature Aging“ eine Untersuchung zur optimalen Schlafdauer veröffentlicht. Danach ist eine Zeit von sieben Stunden am idealsten für Leistungsfähigkeit, Wohlbefinden und psychische Gesundheit im mittleren und höheren Alter. Übermäßig langer Schlaf könne die Denkleistung im Alter beeinträchtigen, wie es in der Studie heißt.

Mit Schlafmitteln sollte man aber dennoch vorsichtig sein. Laut Stiftung Warentest werden sie zu oft und zu schnell verschrieben. Denn Wirkstoffe wie Zolpidem oder Zoplicon könnten bereits nach vier bis sechs Wochen süchtig machen. Ärztin Ursula Marschall: „Die Konzentration von Schlafmitteln im Blut ist auch am Folgetag meist noch hoch. Viele Mittel wirken 14 Stunden und länger.“ Das sei gefährlich, wenn man Auto fährt oder Maschinen bedienen muss.

Schlafmittel werden aber viel häufiger ohne ärztliche Verordnung eingenommen. Einer bundesweiten Statistik zufolge greifen mehr als 1,5 Millionen Erwachsene täglich zu Beruhigungs- oder Schlafmitteln.

Melatonin bringt nichts

Alternativ wird immer häufiger Melatonin als natürliches Schlafhormon angepriesen. In Form von Kapseln, Tee oder Spray soll es eine sanfte Einschlafhilfe sein. Melatonin ist ein wichtiger Taktgeber für den Schlaf-Wach-Rhythmus.

„Es wird bei Dunkelheit vom Körper selbst gebildet“, erklärt die Barmer-Ärztin. Die derzeit intensiv beworbenen Sprays seien aber wirkungslos. „Melatonin, das über die Mundhöhle aufgenommen wird, baut sich sehr schnell in der Leber ab. Im Blut kommt damit viel zu wenig an“, sagt sie.

Der Glaube sei hier oft stärker als die Wirkung. Einer Untersuchung der Stiftung Warentest zufolge verkürzen die Melatonin-Produkte die Einschlafzeit nur geringfügig. Nach 20 bis 40 Minuten sei die Wirkung dann aber wieder vorbei.

Natürliche Alternativen möglich

Als müde machend hätten sich laut Stiftung Warentest Antihistaminika mit den Wirkstoffen Diphenhydramin und Doxylamin erwiesen, die bei Allergien eingesetzt werden. Die Präparate Halbmond und Schlafsterne waren die günstigsten im Test. Sie sollten nicht länger als zwei Wochen am Stück eingenommen werden. Sonst drohen Nebenwirkungen wie Schwindel oder Verwirrtheit. Besonders Menschen ab 65 Jahren würden empfindlich reagieren.

Ursula Marschall empfiehlt schlaffördernde Kräuter wie Hopfen, Melisse, Baldrian oder Lavendel. Sie unterstützten aber nur sanft den Einschlafprozess. Als Tee oder pflanzliches Medikament sind sie in Apotheken und Drogeriemärkten erhältlich. Die Stiftung Warentest bewertet sie jedoch nur als „eingeschränkt geeignet“, weil viele Mittel zu gering dosiert sind.

Auch auf die Schlafumgebung sollte man laut Ursula Marschall viel Wert legen. Das werde häufig unterschätzt. Eine ruhige Atmosphäre, der Verzicht auf Fernsehen und Handy im Bett sowie eine dunkle Umgebung können viel zum gesunden Einschlafen beitragen. Auch Entspannungsübungen, autogenes Training und feste Rituale könnten den Schlafrhythmus regulieren. Vor allem sei es aber wichtig, ohne Angst vor Einschlafproblemen zu Bett zu gehen.