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Gesundheitspolitikerin zu Lieferengpass: "Es braucht langfristige Lösungen"

Die Leipziger Ärztin und Abgeordnete Paula Piechotta hat mehrere Vorschläge, um die Akutversorgung von Kindern zu verbessern.

Von Thilo Alexe
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Paula Piechotta ist Bundestagsabgeordnete der Grünen und promovierte Medizinerin.
Paula Piechotta ist Bundestagsabgeordnete der Grünen und promovierte Medizinerin. © Thomas Kretschel

Frau Piechotta, ein Teil des grünen Plans zur Verbesserung der Akutversorgung von Kindern sieht vor, dass Apotheker bestimmte Medikamente selbst herstellen. Schafft das Abhilfe?

Apotheker stellen schon immer Medikamente her, dafür gibt es auch Vergütungsregeln, es zählt zu ihrer Kernkompetenz. Und es geht in der aktuellen Situation ja nicht darum, dass das jetzt die Lösung für alles ist, sondern wirklich für die ganz großen Engpässe, etwa durch Herstellung von Fiebersaft.

Sie sagen, wenn es bei Lieferengpässen notwendig ist, soll Medikamentenausgabe gestückelt werden. Muss ich dann als Patient jedes Mal zuzahlen?

Nein. Bislang ist es so: Wenn das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte einen Engpass feststellt und sagt, dass liegt daran, dass es auf Vorrat gekauft wird, kann es empfehlen, dass zunächst nur kleine Packungen abgegeben werden. Und was dann aber passiert, ist, dass dann, weil kleinere Packungen abgegeben werden für alle Menschen, die nicht chronisch krank sind, jedes Mal eine neue Zuzahlung fällig wird. Und da sagen wir, diese soll unter den jetzigen Umständen wegfallen.

Sie wollen Familien entlasten, etwa dadurch, dass Eltern nicht mehr ab dem ersten Tag der Erkrankung eines Kindes ein Attest bei ihrem Arbeitgeber einreichen müssen.

Das ist ein wichtiger Punkt, auch für die Kinderarztpraxen. Im Regelfall sollte ab dem dritten Tag angerufen werden, ein Attest sollte einfach und elektronisch ausgestellt werden können. Zudem ist es so, dass viele Kitas auch noch eine Art Gesundschreibung des Kindes verlangen. Das ist jetzt von den Kinderarztpraxen nicht leistbar. Da muss man an die Kitas appellieren, darauf zu verzichten.

Wie können Kinderärzte bei hohem Zulauf trotz Budgetbegrenzungen alle Patienten gut behandeln und niemanden wegschicken?

Der Gesundheitsminister hat in der vergangenen Woche relativ spontan angekündigt, dass er für niedergelassene Kinderärzte die Budgetierung komplett aufheben will. Im Koalitionsvertrag haben wir als Ampel gesagt, dass wir das vor allem für die Hausärzte aufheben wollen. Letztlich bedeutet das, dass Kinderärzte am Ende des Quartals keine Angst haben müssen, dass sie trotz vieler Patienten nicht mehr vergütet werden.

Sie wollen erleichtern, dass in Kinderkliniken aufgrund der hohen Patientenzahl einfacher Leasingkräfte herangezogen werden können. Ist das wirksam?

Das Phänomen ist, dass Pflegende und Ärztinnen und Ärzte Verträge in ihren Kliniken kündigen, in eine Leiharbeitsfirma gehen, von dieser eingesetzt werden und deutlich mehr Geld verdienen. Für die Kliniken wird das auch teurer, weil sie ja zusätzlich einen Anteil an die Leiharbeitsfirma zahlen. Man darf aber nicht unterschlagen, dass es für Abreitnehmer oft eine deutliche Verbesserung darstellt. In der jetzigen Situation, das schlägt auch der Bundesgesundheitsminister vor, sollen für Kinderkliniken die zusätzlichen Kosten für Leiharbeitskräfte übernommen werden.

Karl Lauterbach schlägt auch vor, dass für bestimmte Medikamente das bis zu Eineinhalbfache der Kosten von den Kassen bezahlt wird. Ist das sinnvoll?

Viele der Maßnahmen, die wir jetzt gerade diskutiert haben, sind kurzfristige Maßnahmen. Aber wenn man in einer komplett veränderten Welt, wo wir unsere Abhängigkeit von China reduzieren müssen, wo auch mehr Länder Medikamente gegebenenfalls nicht mehr im bisherigen Ausmaß liefern, dann müssen wir da auch mittel- und langfristige Lösungen vorschlagen. Und die Eckpunkte zum Generikagesetz sind genau der Versuch, vor allen Dingen nicht nur kurzfristige, sondern auch mittel und langfristige Lösungen aufzuzeigen. Und da ist es aus unserer Sicht vor allem wichtig, dass wir es schaffen, dass wir mehrere Hersteller und jedes Produkt im Markt halten und dass der Druck auf Hersteller größer wird, dass sie tatsächlich auch liefern können und Vorkehrungen treffen für den Fall, dass eine Produktionsstätte ausfällt.

Die Grünenpolitikerin Paula Piechotta ist sächsische Bundestagsabgeordnete. Die Radiologin arbeitet zudem im medizinischen Versorgungszentrum am Universitätsklinikum Leipzig.