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Keine Angst vor Sport in der Schwangerschaft

Viele Schwangere bewegen sich zu wenig. Dabei profitiert von Kursen wie „Mami in Form“ in Chemnitz auch das Baby.

Von Stephanie Wesely
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„Hände unter den Bauch legen und einatmen, schön gerade stehen.“ Anja Kraus (2. von rechts), die Leiterin des Schwangeren-Gymnastikkurses bei „Mami in Form“ Chemnitz, zeigt Anne-Marie Lang, wie sie Rückenschmerzen trotz fortgeschrittener Schwan
„Hände unter den Bauch legen und einatmen, schön gerade stehen.“ Anja Kraus (2. von rechts), die Leiterin des Schwangeren-Gymnastikkurses bei „Mami in Form“ Chemnitz, zeigt Anne-Marie Lang, wie sie Rückenschmerzen trotz fortgeschrittener Schwan © Andreas Seidel

Nicht ins Hohlkreuz gehen, das Becken leicht nach vorn und den Rücken gerade halten. „So ist es richtig.“ Die studierte Sportwissenschaftlerin Anja Kraus korrigiert sanft die Haltungsfehler ihrer Kursteilnehmerinnen. Seit gut fünf Jahren hilft sie Schwangeren, in Bewegung zu bleiben. „Mami in Form“ heißt dieses Angebot in Chemnitz.

Wie notwendig das ist, zeigt eine aktuelle Untersuchung des Bundesinstitutes für Ernährung. Danach bewegen sich Frauen während der Schwangerschaft weniger als vorher. „Gründe dafür sind vor allem Ängste und Sicherheitsaspekte, sagt Professorin Christine Graf von der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin. Das hat auch Anja Kraus beobachtet. „Viele Schwangere sind schon frühzeitig im Beschäftigungsverbot. Das suggeriert ihnen offensichtlich, dass sie sich schonen müssen.“ Dabei sei moderate und regelmäßige Bewegung das Beste, was man für sich und sein Baby tun könne. Denn nicht nur übermäßiger Gewichtszunahme in der Schwangerschaft oder Diabetes werde damit vorgebeugt, das Nervensystem des Babys entwickle sich besser, es würden weniger Fettzellen gebildet und das Kind bekomme mehr Sauerstoff übers Blut, so Anja Kraus. Es sei ein Gesundheitsgewinn für Mutter und Kind.

Anne-Marie Lang aus Chemnitz erwartet im November ihr Baby – einen Jungen. „Ich habe bisher keinen Sport gemacht, denn als Krankenschwester war ich ohnehin immer in Bewegung. Doch es war eine einseitige Belastung. Das merke ich vor allem im Rücken“, so die 25-Jährige. Daher fallen ihr die Haltungsübungen auch besonders schwer. Für sie stehe aber fest, dass sie nach der Rückbildungsgymnastik auch das Angebot „Sport mit Baby“ nutzen werde. Ihrem Sohn mache das bestimmt Spaß. Sie hat das Ziel, durch den Sport in der Schwangerschaft in ein insgesamt bewegteres Leben zu starten, wie sie sagt.

Empfohlen ab der 12. Schwangerschaftswoche

„Wir raten etwa ab der zwölften Schwangerschaftswoche zum Kursbeginn. Zuvor haben viele Frauen mit Übelkeit zu kämpfen, auch das Fehlgeburtrisiko ist in dieser Zeit noch etwas höher“, sagt Anja Kraus. Wer sich aber auch vorher schon gut fühle und es keine ärztlichen Einwände gebe, könne auch eher mit der Schwangerschaftsgymnastik beginnen. Zwei Kurse mit je acht Übungseinheiten werden von den Krankenkassen entweder bezuschusst oder komplett übernommen. Selbstzahler kostet der Kurs 110 Euro, das sind rund 14 Euro pro Übungseinheit.

Die Kursstunden haben ein Schema: Begonnen wird mit Lockerungs- und Atemübungen. Es folgt ein Aerobicteil zur Herz-Kreislauf-Anregung. „Jedoch keine Sprünge, sondern fließende Bewegungen. Das geht mehr ins Tänzerische“, sagt die Kursleiterin. Etwas körperliche Anstrengung sei richtig – etwa bei einem Puls von 120 bis 140 Schlägen pro Minute. Den größten Teil nehmen gezielte Kräftigungsübungen für den Rücken und die Beine ein. Sie haben mit zunehmendem Bauchumfang auch mehr Gewicht zu tragen. Übungen im Stütz stärken zudem die Arme, denn auch sie müssen einen schwereren Körper hochstemmen können. „Wir trainieren die seitliche Bauchmuskulatur, Sit-ups aus der Rückenlage sind ungeeignet.“ Denn durch den zunehmenden Bauchumfang weicht die gerade Bauchmuskulatur zur Seite aus, man ist nicht mehr so kräftig. Zudem könne zu viel Druck auf den Bauch schädlich sein. Zum Abschluss werde gedehnt und entspannt. „Das genießen die Frauen besonders. Und je näher der Geburtstermin rückt, umso länger wird der Entspannungsteil.“

Bei Warnsignalen Sport abbrechen

Neben solchen speziellen Gymnastikkursen bieten sich für werdende Mütter auch Schwimmen, Yoga, Radfahren in der Ebene und Walking an. Aquafitness sei ebenfalls geeignet, denn durch den Auftrieb des Wassers würden die Gelenke entlastet. Frauen, die vor der Schwangerschaft bereits sportlich aktiv waren, können ihren Sport in der Regel fortführen, zum Beispiel weiter joggen, so lange es der Bauchumfang und das Gewicht zulassen. Der Fokus sollte darauf liegen, fit zu bleiben und nicht darauf, die Fitness oder Leistung zu steigern, sagt Professorin Graf. Spezialsportarten wie Reiten müsste jede Schwangere mit ihrem Arzt individuell besprechen.

Neue Sportarten mit ungewohnten Bewegungsabläufen sollten Frauen in der Schwangerschaft nicht beginnen. Ungeeignet sind auch Sportarten mit hohem Sturz- und Verletzungsrisiko wie Mannschafts-, Kontakt- und Kampfsportarten.

Wehentätigkeit, vaginale Blutungen, Schwindel oder Kopfschmerzen sind Warnsignale, bei denen der Sport abgebrochen und ärztlich abgeklärt werden muss. „Es ist wichtig, achtsam mit seinem Körper umzugehen und intuitiv auf die eigenen Signale zu achten. Wer sich unsicher fühlt oder von einer Risikoschwangerschaft betroffen ist, sollte unbedingt mit dem Frauenarzt über die Bewegungsmöglichkeiten sprechen“, sagt Maria Flothkötter, Leiterin des Netzwerks „Gesund ins Leben“.

Anne-Marie Lang freut sich schon auf die nächste Übungsstunde. Da sie Beschäftigungsverbot hat, sind die Tage oft lang. „Der Sport ist dann ein Highlight“, sagt Kursleiterin Anja Kraus. „Viele schätzen auch den Austausch und die Gespräche mit anderen Frauen. Das bringt etwas Abwechslung“, sagt sie.