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Wo Kinderrheuma in Sachsen behandelt werden kann

Sophia aus Pulsnitz ist eines der 15.000 Kinder, die jährlich an Arthritis erkranken. In Sachsen haben sich mehrere Ambulanzen auf die Behandlung spezialisiert.

Von Susanne Plecher
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Schaukeln macht Sophia aus Pulsnitz Spaß, aber Mama Sarah Höfs und Chefarzt Dr. Georg Heubner könnten ruhig ein bisschen doller anschubsen.
Schaukeln macht Sophia aus Pulsnitz Spaß, aber Mama Sarah Höfs und Chefarzt Dr. Georg Heubner könnten ruhig ein bisschen doller anschubsen. © Ronald Bonß

Sophia hat keine Lust mehr zu schaukeln, flitzt zum Kletterbogen und hängt sich kopfüber daran. Zack, rutscht der Sonnenhut vom blonden Lockenschopf. Geschickt hangelt sich die Vierjährige zu Boden und rennt zur Rutsche. Sie will alles ausprobieren, am liebsten zur gleichen Zeit. Bloß kein Stillstand! „Keiner würde vermuten, dass sie Kinderrheuma hat“, sagt ihre Mutter Sarah Höfs aus Pulsnitz.

Den ersten Schub hatte das Mädchen, als es noch kein Jahr alt war. „Da stand sie morgens am Bettchen, hielt sich fest und schrie und schrie. Bewegt hat sie sich wie eine 90-Jährige“, erinnert sich die Mutter. Knie und Sprunggelenk auf der linken Seite waren geschwollen und heiß. Weil der Kinderarzt keine Ursache fand, aber eine Vermutung hatte, überwies er Sophia an die Kinderrheumaambulanz des Städtischen Klinikums in Dresden. „Es ist oft schwierig, Kinderrheuma zu erkennen“, sagt deren Chefarzt, Dr. Georg Heubner. Denn meist fielen die Kinder nicht durch Schmerzen auf, sondern durch Bewegungsstörungen wie Humpeln.

Ist ein Gelenk entzündet, tut es weh, schwillt an, wird heiß. Erste Anzeichen können Morgensteifigkeit, Anlaufschmerzen nach dem Aufstehen und längerem Sitzen oder eine Schonhaltung sein, informiert der Bundesverband Kinderrheuma. Sophia leidet unter einer oligoartikulären Arthritis. Das heißt, dass bei ihr weniger als fünf Gelenke von Entzündungen betroffen sind. Das ist die häufigste Form des Kinderrheumas. Vor allem kleine Mädchen leiden darunter. Die Gene stehen unter Verdacht, aber die eigentliche Ursache ist unbekannt. „Kinderrheuma ist nicht mit der Erkrankung bei Erwachsenen gleichzusetzen“, erklärt der Rheumatologe. Die Chancen, dass es sich bis zur Pubertät verwächst und die Kinder später ohne Medikamente leben können, liegen bei 50 Prozent. Das Problem bei kleinen Kindern seien auch nicht die Gelenkzerstörung, sondern die Fehlstellungen, die sich durch Vermeidungshaltung einschleichen. „Eine Herausforderung“, so Heubner.

Sophia hatte noch Glück

Bei Sophia wurde die Erkrankung zum Glück schnell diagnostiziert. Haben Eltern diesen Verdacht, sollten sie den Kinderarzt sofort informieren. Er kann das Kind an eine kinderrheumatologische Einrichtung überweisen. Neben dem Städtischen Klinikum Dresden gibt es sie an den Unikliniken in Leipzig und Dresden, am Klinikum St. Georg in Leipzig sowie am Helios Vogtland-Klinikum in Plauen. Auch an den Städtischen Kliniken in Chemnitz, am DRK Lichtenstein sowie im Sana Klinikum Borna sind Kinder- und Jugendrheumatologen tätig. Die Erkrankung wird mit Blutbild, Punktion, Ultraschall, wenn nötig mit einer MRT-Untersuchung nachgewiesen.

Sophia wurde fünf Tage stationär aufgenommen und untersucht, Mama Sarah wich ihr nicht von der Seite. Sie übernachtete im Familienzimmer, duschte im Elternbad, aß das Krankenhausessen und brühte sich Kaffee in der Teeküche auf. Ihrem Baby wurde unter Vollnarkose Cortison in Knie und Knöchel gespritzt. Die Schmerzen ließen nach. Fortan musste Sophia regelmäßig Tabletten einnehmen. Das Wichtigste, so Sarah Höfs, war, dass sie das Kind in guten Händen wusste und bei Sophia bleiben konnte.

Damit Eltern sich schnell orientieren können, ob eine Kinderklinik gut ist und die bestmögliche Versorgung für ihr krankes Kind bietet, gibt es seit 2009 das Zertifikat „Ausgezeichnet für Kinder“. Die Dresdner haben es unlängst für die Jahre 2022/2023 verliehen bekommen und es damit bis jetzt ununterbrochen erhalten. Das haben in Sachsen bislang nur vier weitere Krankenhäuser geschafft: die Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin in Bautzen, Freital, Hoyerswerda und Plauen.

Sophia merkt man die Erkrankung nicht an. Sie balanciert am Sandkastenrand, hüpft über den Spielplatz und klettert auf den Rutschturm. Ein Wirbelwind in Türkis. Nur wer genau hinsieht, bemerkt, dass ihr linkes Knie geschwollen ist und sie das Bein nicht richtig ausstrecken kann. „Nach der ersten Behandlung hatten wir zwei Jahre Ruhe“, sagt Sarah Höfs. Dann kam ein Rückschlag, der Knie, Sprunggelenk und Daumen ereilte.

Georg Heubner ist seit 1994 Rheumatologe. Seither habe sich in der Erforschung und in den Behandlungsmöglichkeiten von Kinderrheuma unheimlich viel getan. „Es gibt viele Medikamente. Das ist ein unheimliches Glück für die Patienten“, sagt er. Sophia bekommt seit Februar ein hochwirksames, gentechnisch hergestelltes Biopharmazeutikum, ein Präparat, an das sich der Körper nicht gewöhne, so Heubner. Seit Februar spritzt ihre Mutter es ihr jeden Freitag direkt ins Knie. „Sie weint nicht, ist tapfer. Sie kennt es ja nicht anders“, sagt Sarah Höfs. Wenn Sophia einen schlechten Tag hat, sagt sie nur: „Mama, ich muss mich heute mal hinsetzen.“ Dass die Kleine so kooperativ ist, erleichtert die Behandlung sehr. Es ist eher die Ausnahme. „Oft nehmen Eltern die Abwehr der Kinder wahr und brechen die Therapie am Ende vielleicht sogar ab“, sagt Heubner. Wie wichtig eine kontinuierliche Behandlung ist, sieht man an Sophia: Sie flitzt zur Schaukel zurück. Für Krankheit hat sie einfach keine Zeit.

„Ausgezeichnet für Kinder“

  • Das Gütesiegel „Ausgezeichnet für Kinder“ gibt es seit 2009. Basis ist der Gedanke, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen sind und eine eigene medizinische Behandlung und Betreuung brauchen.
  • Verschiedene Fachgesellschaften und Elternverbände haben dafür gemeinsam Mindestanforderungen für die stationäre Versorgung definiert.
  • Die Kliniken müssen kontinuierlich kinderärztlich beziehungsweise kinderchirurgisch besetzt sein und Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger sowie für Kinder qualifizierte Teams aus dem medizinisch-therapeutischen und pädagogischen Bereich haben.
  • Ausgezeichnete Kliniken bieten eine gute Basisversorgung an und haben Netzwerke aufgebaut, um Kinder und Jugendliche mit seltenen und schwerwiegenden Erkrankungen gut versorgen zu können. Sie haben familienfreundliche Besuchszeiten, ein Elternteil eines Babys oder Kleinkindes wird kostenlos mit aufgenommen.
  • Ob die Kriterien eingehalten werden, überprüft eine verbändeübergreifende Bewertungskommission anhand einer Checkliste.
  • Die Auszeichnung ist für zwei Jahre gültig.
An diesem Label erkennen Sie eine gute Kinderklinik
An diesem Label erkennen Sie eine gute Kinderklinik © PR

In Sachsen haben bislang folgende Kliniken die Kriterien für 2022/2023 erfüllt:

  • die Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin der Oberlausitz-Kliniken in Bautzen, des städtischen Klinikums in Dresden, des Helios Weißeritztal-Klinikums in Freital, des Lausitzer Seenland Klinikums in Hoyerswerda, des Kreiskrankenhauses Freiberg in Mittweida, des Helios Vogtland-Klinikums in Plauen, des Kreiskrankenhauses „Johann Kettmann“ in Torgau sowie die Abteilung für Kinderchirurgie des Klinikums Chemnitz und die Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie des Uniklinikums in Leipzig. Andere sind noch in Prüfung.
  • Viele weitere Kliniken hatten das Prädikat in den Vorjahren meist mehrfach erworben, darunter das DRK Krankenhaus Chemnitz-Rabenstein, die Uniklinik Dresden und das Städtische Klinikum Görlitz. (rnw)