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Unerfüllter Kinderwunsch: Immer öfter steckt Endometriose dahinter

Mehr als 18.000 Frauen in Sachsen leiden unter starken Regelschmerzen. Ärzte sind sensibilisiert, dass das eine ernste Krankheit sein kann. Und auch Kassen zahlen inzwischen.

Von Stephanie Wesely
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Immer diese Bauchschmerzen während der Regel.
Immer diese Bauchschmerzen während der Regel. © dpa

Etwa jede zehnte Frau im gebärfähigen Alter leidet an Endometriose – einer sehr schmerzhaften Erkrankung, die typischerweise vor und während der Regelblutung Beschwerden macht. Aktuellen Daten der Barmer zufolge sind mindestens etwa 18.300 Frauen in Sachsen betroffen. Verglichen mit 2012 gab es demnach 2021 sachsenweit rund 40 Prozent mehr Patientinnen. Besonders in den letzten Jahren sei die Diagnose häufiger gestellt worden.

„Das ist aber auch eine positive Nachricht“, sagt Pauline Wimberger, Direktorin der Frauenklinik am Uniklinikum Dresden. Denn sie zeige, dass das Bewusstsein für diese Krankheit gewachsen sei. „Wurden Regelschmerzen früher als etwas Normales, Unabänderliches hingenommen, lassen sich Frauen heute von Gynäkologen helfen.“ Auch bei Ärzten sei die Krankheit bekannter geworden, sagt Monika Welfens, Barmer Landesgeschäftsführerin in Sachsen. Dennoch dauere es im Schnitt sechs Jahre, bis Frauen die Gewissheit bekommen – häufig sogar erst, wenn sie sich wegen ihres nicht erfüllten Kinderwunschs in eine Praxis begeben. Denn Endometriose sei einer der häufigsten Gründe dafür. Bei der Endometriose siedelt sich Gewebe, ähnlich der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium), außerhalb der Gebärmutterhöhle an – am häufigsten am Bauchfell, im kleinen Becken oder an den Eierstöcken.

So wie sich die Gebärmutterschleimhaut zyklusabhängig verändert, tut sie dies auch an diesen anderen Stellen im Körper. Die Folge sind Entzündungsreaktionen, die Bildung von Eierstockzysten oder die Entstehung von Verwachsungen. „Das verursacht die starken Schmerzen“, sagt Pauline Wimberger. Oft helfen selbst starke Schmerzmittel nicht. Bei etwa 10 bis 15 Prozent der Patientinnen liegt ein fortgeschrittenes Stadium vor. „Die Herde wachsen dann tief in Organe wie Darm, Blase oder Harnleiter ein, was ihre Funktion stark beeinträchtigen kann“, sagt die Frauenärztin. Dann seien aufwendige Operationen notwendig.

Es gibt heute gute Therapien

Über die Ursachen der Endometriose gebe es verschiedene wissenschaftliche Erklärungsversuche. „Zum Beispiel Blutungen in die Bauchhöhle während der Menstruation“, erklärt Professorin Wimberger. „Doch solche retrograden Blutungen wurden bei vielen Frauen festgestellt, aber nur bei einem kleinen Teil ist eine Endometriose nachweisbar.“ Außerdem spielten immunologische Faktoren eine Rolle, auch familiäre Häufungen seien bekannt. Die Krankheit ist hormonabhängig. Sie tritt oft im Zusammenhang mit den ersten Regelblutungen auf und endet häufig erst mit den Wechseljahren.

„Doch Frauen müssen die Schmerzen nicht aushalten, es gibt heute gute Behandlungsmöglichkeiten“, so Pauline Wimberger. Der Klassiker sei die Bauchspiegelung – ein minimalinvasiver Eingriff, der unter Narkose erfolgt. „Mit dieser Methode werden die Erkrankungsherde operativ entfernt, und das Gewebe wird histologisch untersucht“, sagt sie.

Nach kompletter Entfernung aller Herde kann mitunter die Chance auf eine Schwangerschaft bestehen. Häufig wird bei Kinderwunsch die Mitbehandlung in einem Kinderwunschzentrum empfohlen. Besteht momentan kein Kinderwunsch, kommen andere Behandlungsmöglichkeiten, wie spezielle gestagenhaltige Pillen oder Spiralen infrage. Sie sorgen dafür, dass die Regelblutung reduziert wird oder ganz ausbleibt. Damit gehen auch die Schmerzen zurück. „Nur die Gebärmutterschleimhaut abzutragen oder sie mittels Goldnetztherapie zu veröden, sind keine ursächlichen Therapien bei Endometriose“, sagt Professorin Wimberger. Ziel dieser Therapien sei bei definitiv abgeschlossener Familienplanung, dass Periodenblutungen aufhören. Laut Barmer sei die Goldnetztherapie kürzlich Kassenleistung geworden. „Da die Eierstöcke aber weiter aktiv sind und Hormone produzieren, können die Beschwerden nach den Behandlungen auch weiterhin auftreten“, die Frauenärztin.

Neben den medikamentösen und chirurgischen Behandlungsverfahren profitieren viele Frauen auch von Entspannungsübungen, Yoga, Bauchtanz und psychologischer Begleitung. In zertifizierten Endometriose-Zentren – die Uniklinik Dresden ist das Einzige in Sachsen – könnten Patientinnen solche Angebote nutzen. Auch spezielle Reha-Angebote gebe es. Für viele ist es wichtig, sich mit Frauen auszutauschen, die das gleiche Schicksal haben, so die Klinikdirektorin. Solch ein Austausch findet zum Beispiel über Selbsthilfegruppen statt. Laut dem Verein Endometriose Deutschland gibt es in Sachsen vier Selbsthilfegruppen – in Dresden, Bautzen, Görlitz und Chemnitz.

Eine App hilft zu Hause

„Wir empfehlen Frauen, die an Endometriose erkrankt sind, die Nutzung der Endo-App“, sagt die Landeschefin der Barmer. Dabei handelt es sich um eine zertifizierte digitale Gesundheitsanwendung. Die Kosten dafür können Frauen direkt mit ihrer gesetzlichen Krankenkasse abrechnen. Voraussetzung dafür sei die bestätigte Diagnose der Endometriose oder eine Verordnung des behandelnden Frauenarztes. Dann erhält die Patientin von ihrer Kasse einen Aktivierungscode zur Nutzung der App, erklärt die Barmer. Neben eigenen individuellen Möglichkeiten der Behandlung lassen sich dort der Krankheitsverlauf dokumentieren und umfassende Informationen über Endometriose abrufen. Hinzu kommen spezielle Übungen, die Schmerzen reduzieren und die Lebensqualität verbessern sollen.

Weitere Informationen:
Eine junge Frau, die an Endometriose leidet, spricht in einem Video über ihr Leben mit der Krankheit.