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Mein Tattoo zeigt: Ich bin Organspender

Eine Initiative will junge Menschen auf coole Art zur Organspende motivieren - mit einem Tattoo. Phillip Pötzsch aus Chemnitz gehört zu den Vorreitern in Sachsen.

Von Stephanie Wesely
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Phillip  Pötzsch aus Chemnitz zeigt mit seinem neuen Tattoo  die Bereitschaft zur Organspende.
Phillip Pötzsch aus Chemnitz zeigt mit seinem neuen Tattoo die Bereitschaft zur Organspende. © Toni Söll

Zwei halbe Kreise, die zusammen zu einem ganzen werden – dieses Tattoo ist das Zeichen, das die Initiative „Junge Helden“ für die Organspende gewählt hat. Der gemeinnützige Verein will damit vor allem Jugendliche und junge Erwachsene motivieren, frühzeitig eine Entscheidung zur Organspende zu treffen und diese Angehörigen und Freunden mitzuteilen. Wie wichtig Aktionen wie diese sind, zeigt ein Blick auf die aktuellen Zahlen.

Laut Stiftung Eurotransplant stehen in Sachsen 373 Menschen auf der Warteliste für eine Organspende, deutschlandweit 8.500. Die meisten von ihnen brauchen eine Niere, die anderen auch Herz oder Leber. Doch nur 43 Prozent der Sachsen haben einen Organspendeausweis. Das ist weniger als im Bundesdurchschnitt.

Phillip Pötzsch aus Chemnitz hat auch einen. Mit 32 Jahren ist er damit eher eine Ausnahme. Doch er möchte sein Bekenntnis auch öffentlich zeigen. „Ich finde die Idee sehr gut, ein Tattoo zu haben, das die Bereitschaft zur Organspende zeigt“, sagt der Barkeeper. Dass es kostenlos gestochen werde, freue ihn dabei besonders.

Zwei halbe Kreise, die zu einem ganzen werden, ist das Symbol für die Organspende.
Zwei halbe Kreise, die zu einem ganzen werden, ist das Symbol für die Organspende. © Toni Söll

Fünf Tattoo-Studios in Sachsen – zwei in Dresden, eins in Bautzen, eins in Chemnitz und eins in Leipzig– beteiligen sich an der Initiative des Vereins. „Wir stechen dieses Symbol derzeit sehr häufig“, sagt Kevin Schönherr, Inhaber des Chemnitzer Studios „Stich“. Viele junge Leute kämen, weil sie das Tattoo cool fänden. „Doch alle wissen, was sie sich da stechen lassen und dass es ein Bekenntnis ist“, sagt er. Auch Ältere, für die es das erste Tattoo ist, habe er schon als Kunden gehabt. „Sie wollen damit eine Zusammengehörigkeit ausdrücken, ein gemeinsames Erkennungszeichen haben. Ich hätte nicht gedacht, dass das so gut ankommt.“

Phillip Pötzsch hat viele Tattoos, aber nur zwei, die ihm sehr wichtig sind, wie er sagt. Eins sei eine Erinnerung an seine Großeltern, die er sehr geliebt habe, und eins das Organspende-Tattoo. Etwa 15 Minuten dauert es, bis Tattoo-Künstler Jevgenijs Orlovs es auf seine Haut gebracht hat: Begonnen wird mit der Rasur der Haut, dann folgen Reinigung und Desinfektion. Vor dem Stechen wird ein Muster auf seinen Oberschenkel gestempelt. Am Schluss kommt eine Wundschutzsalbe auf die Haut.4.000 dieser Tattoos sind in Deutschland bereits gestochen worden.

Großer Bedarf an Spenderorganen

Wenn diese Menschen alle spenden, können bis zu 16.000 Leben gerettet werden. Denn laut Stiftung Organspende werden pro Spender zwischen drei und vier Organe entnommen – aber nur die, die der Verstorbene zu Lebzeiten oder seine Angehörigen freigegeben haben. Deshalb ist das Tattoo allein auch nicht ausreichend, um als Organspender zu gelten, so Julia Südhölter vom Verein „Junge Helden“. „In Deutschland werden im Falle des Falles immer die Familien befragt, ob die betreffende Person gewillt war, Organe zu spenden. Das Tattoo soll also auch die Konversation im Familienkreis anregen, damit mehr Angehörige künftig eine klare Aussage treffen können“, sagt sie.

Bisher werde die Organspende nämlich meist abgelehnt, weil niemand den Willen der verstorbenen Person in diesem Punkt kannte. „Das wollen wir ändern.“ Deshalb würden auch Ärzte in Fortbildungen darauf aufmerksam gemacht. Wenn sie dieses Tattoo kennen, könnten sie ganz anders auf die Angehörigen zugehen.

Für die Landesärztekammer reichen Aufklärungsaktionen oder Initiativen wie diese aber nicht aus, um den großen Bedarf an Spenderorganen zu decken. Die Ärzte sprachen sich einhellig dafür aus, dass das Transplantationsgesetz in Deutschland geändert werden muss. „Nur eine Widerspruchslösung, wie es sie in sämtlichen Nachbarstaaten, einschließlich der Niederlande, Großbritannien und der Schweiz bereits gebe, könne das Thema Organspende in die Mitte der Gesellschaft bringen“, sagt Knut Köhler, Sprecher der Landesärztekammer.

Bei der Widerspruchslösung gilt jeder als Organspender, wenn er nicht ausdrücklich einer Entnahme seiner Organe widersprochen hat. Derzeit gilt in Deutschland aber die Entscheidungslösung. Organe und Gewebe dürfen danach nur dann nach dem Tod entnommen werden, wenn die verstorbene Person dem zu Lebzeiten zugestimmt hat. Liegt keine Entscheidung vor, werden die Angehörigen gefragt.

Folgende fünf Tattoostudios in Sachsen stechen kostenfrei die Organspender-Tattoos:

  • Dresden: Yin Raum für Tätowierung, Clara-Zetkin-Straße 3, 01159 Dresden,
  • Dresden: Hagazussa Tattoo und Illustration, Großenhainer Straße 146, 01129 Dresden,
  • Bautzen: Tattoo und Piercingstudio Syndikat, Kurt-Pchalek-Straße 3, 02625 Bautzen,
  • Chemnitz: Tattoo und Piercing Stich, Am Alten Bad 5, 09111 Chemnitz,
  • Leipzig: Tattoo Hub, Dresdner Straße 26, 04317 Leipzig, www.instagram.com/tattoohubleipzig

Quelle: junge-helden.org