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Gibt es bald Bildungsurlaub in Sachsen?

In den meisten Bundesländern müssen Firmen einige freie Tage im Jahr für Schulungen geben. Der DGB hat Hoffnung, dass Sachsen jetzt bald folgt.

Von Georg Moeritz
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Außer Bayern und Sachsen haben alle deutschen Länder ein Recht auf Bildungszeit festgelegt.
Außer Bayern und Sachsen haben alle deutschen Länder ein Recht auf Bildungszeit festgelegt. © dpa/Andrea Warnecke

Dresden. Christian Schulze arbeitet ehrenamtlich bei zwei Feuerwehren mit – in Kamenz und Bernsdorf. Doch Kurse an der Feuerwehrschule kommen nach seiner Erfahrung oft nicht zustande, weil die Interessenten wenig Zeit haben. Schulze fände es gut, wenn sein Arbeitgeber, die Daimler-Batteriefabrik Deutsche Accumotive in Kamenz, Mitarbeitern freie Tage für Schulungen gewähren müsste. Als Schulze noch in anderen Bundesländern arbeitete, hat er solche Kurse jedes Jahr genutzt.

Wie Christian Schulze fordern auch andere Betriebsräte aus Sachsen ein Bildungsfreistellungsgesetz nach dem Vorbild der Nachbarländer. Anne-Lynn Schneider aus dem Görlitzer Bombardier-Werk möchte einen Trainerschein im Reitsport machen und Jugendarbeit anbieten, Stephan Straszewski aus den Elbe-Flugzeugwerken sucht mehr politische Bildung. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Sachsen hat am Montag in Dresden einen Entwurf mit neun Paragrafen für ein Gesetz vorgelegt. Die stellvertretende DGB-Landesvorsitzende Anne Neuendorf sagte, das Gesetz werde „der Wirtschaft nutzen, nicht schaden“.

Die Gewerkschafterin schlägt vor, dass alle Beschäftigten ein Recht auf fünf bezahlte Tage im Jahr haben, die sie in Schulungen statt im Betrieb verbringen. Die Kurse könnten berufliche Bildung bieten, aber auch politische, kulturelle oder soziale. Im Gesetzentwurf steht beispielsweise, dass Arbeitnehmer mehr Verständnis für gesellschaftliche Zusammenhänge bekommen sollen. Das könne „zur Entwicklung toleranten Verhaltens gegenüber Andersdenkenden“ beitragen. Laut Neuendorf ähnelt der Text einem Ansatz der Grünen, aber auch SPD und Linke haben in ihren Wahlprogrammen solche Bildungsfreistellungen gefordert. Die CDU lehnte sie ab.

Betriebsräte wollen, dass jeder Zeit für Bildung hat: von links Anne-Lynn Schneider, Stephan Straszewski und Christian Schulze. 
Betriebsräte wollen, dass jeder Zeit für Bildung hat: von links Anne-Lynn Schneider, Stephan Straszewski und Christian Schulze.  © Georg Moeritz

Anne Neuendorf will Gegner des Gesetzes damit überzeugen, dass die Umbrüche in Energie- und Autobranche neues Wissen erfordern. „Wir brauchen Leute, die mit der Digitalisierung umgehen können, keine Angst haben und nicht blockieren“, sagte sie. Dass die Arbeitgeber ausreichend für Bildung sorgten, sei ein Mythos.

Der DGB-Vorschlag wird von Landessportbund und Landesfrauenrat unterstützt. Es gehe nicht um Töpfer- oder Häkelkurse, sagte Neuendorf. Die Schulungen müssten von anerkannten Trägern wie Volkshochschulen kommen oder von einer Ministeriumsstelle bestätigt werden.

Sachsens Arbeitgeberverband VSW hatte in seinen Positionen zum Wahljahr ein Weiterbildungsfreistellungsgesetz als unnötig bezeichnet – es gebe genügend freie Tage. Der Verband schlug stattdessen vor, staatliche Weiterbildungsschecks auch oberhalb der Einkommensgrenze von 2.900 Euro anzubieten. Der DGB regt dagegen Hilfsgeld für kleine Firmen an, wenn sie Beschäftigte freistellen. Chefs müssten keine Sorge vor zu vielen Kursen haben – erfahrungsgemäß würden höchstens zehn Prozent der Bildungszeit genutzt.

So machen es andere

  • Außer Bayern und Sachsen haben alle deutschen Länder ein Recht auf Bildungszeit festgelegt.
  • Fünf Tage im Jahr sind in den meisten Ländern für Bildungszeit vorgesehen. Im Saarland sind es bis zu sechs Tage, von denen der Arbeitnehmer aber die Hälfte selbst einbringt.
  • Berufliche und politische Bildung ist das Ziel in den meisten Ländern. In Sachsen-Anhalt steht nur berufliche Bildung im Gesetz, in Thüringen auch ehrenamtsbezogene, in Brandenburg auch kulturelle Bildung.