Dippoldiswalde
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Glashütte: Lilien-Klau im Hochwald

Kathrin Lehmann kann nicht verstehen, warum Mitbürger Blumen im Wald ausgraben und mitnehmen. Leider ist das kein Einzelfall.

Von Maik Brückner
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Kathrin Lehmann ist empört über das Verschwinden einer seit Jahren regelmäßig am Wegesrand im Hochwald bei Oberfrauendorf blühenden Türkenbundlilie, sie wurde offenbar ausgegraben.
Kathrin Lehmann ist empört über das Verschwinden einer seit Jahren regelmäßig am Wegesrand im Hochwald bei Oberfrauendorf blühenden Türkenbundlilie, sie wurde offenbar ausgegraben. © Karl-Ludwig Oberthür

Kathrin Lehmann ist verbittert. Die Oberfrauendorferin kann es nicht fassen. Irgendjemand hat eine Türkenbundlilie, die an der Hochwaldstraße zwischen Oberfrauendorf und Falkenhain wuchs, ausgegraben und aus dem Wald getragen. Da ist sich Kathrin Lehmann sicher. Sie zeigt auf das Loch am Wegesrand.

Für sie ist das unbegreiflich, wer zu so einer Tat in der Lage ist. "Die Türkenbundlilie ist eine Rarität in unserem Gebiet", sagt die Oberfrauendorferin, die als Reiseleiterin viel in der Welt herumgekommen ist und sich seit frühster Jugend auch für die hiesige Natur und deren Schönheiten interessiert. Türkenbundlilien brauchen ein ganz bestimmtes Klima, um zu wachsen, sagt sie. Deshalb wachsen diese Blumen eher in Norwegen und in den Alpen, selten aber im Osterzgebirge.

So sah die Türkenbundlilie aus, die über zehn Jahre an der Hochwaldstraße stand und über die sich Kathrin Lehmann jedes Mal auf Neue freute.
So sah die Türkenbundlilie aus, die über zehn Jahre an der Hochwaldstraße stand und über die sich Kathrin Lehmann jedes Mal auf Neue freute. © privat

Von daher hat sie sich gefreut, dass es ein Exemplar unweit ihres Heimatortes gedeiht. Die Türkenbundlilie an der Hochwaldstraße hat sie vor gut zehn Jahren entdeckt. Jedes Mal, wenn sie daran vorbeigekommen ist, hat sie sich an deren Anblick erfreut.

Auch Jens Weber, Sprecher der Grünen Liga Osterzgebirge, ist sauer. Er kannte diese Lilie. Ganz in der Nähe wuchs vor ein paar Jahren noch eine zweite Gruppe Türkenbundlilien im Straßengraben. "Diese waren schon 2019 verschwunden. Nun also auch der Hauptteil? Schade", sagt der Umweltschützer aus Bärenstein.

Am Geisingberg sind Orchideen verschwunden

Sollte sie wirklich jemand ausgegraben haben, wäre das kein Einzelfall. "Sowas kommt bei verschiedenen attraktiven Arten immer wieder mal vor", so Jens Weber. Diese Spatenbotaniker, wie Weber sie nennt, würden keinen Naturschutzskrupel kennen. Auch am Geisingberg wurden schon Orchideen und Feuerlilien ausgegraben.

Auch Anette Zimmermann, Leiterin des Botanischen Gartens in Schellerhau, findet es nicht schön, dass diese Lilie aus dem Wald gebracht wurde: "Das ist wirklich ärgerlich und ein Frevel". Das sei ähnlich schlimm wie das Vermüllen von Parkanlagen, Wiesen und Wäldern.

So wie Kathrin Lehmann schätzt auch Anette Zimmermann die Schönheit der Türkenbundlilie. Sie ist froh, dass sie diese den Besuchern zeigen kann. Im Botanischen Garten ist sie im Laubwald-Quartier zu bewundern.

Die Türkenbundlilie braucht einen basenreichen, stickstoffsalz- und humushaltigen Boden, erklärt Anette Zimmermann. In tieferen Lagen der Mittelgebirge steht die Pflanze gern im Halbschatten, in den höheren Lagen und in den Alpen kann man sie eher auf offenen Grasflächen finden.

Lilien wachsen auch bei Frauenstein und Oelsen

Oft sei sie gar nicht so leicht zu entdecken, da es auch nicht blühende Exemplare gibt. Und dann gibt es Flächen, auf denen sich die Lilie nicht wohlfühlt. Das ist das Tiefland und Flächen, die 2.000 Metern und höher liegen.

"Im Osterzgebirge kommt die Türkenbundlilie eher selten vor", erklärt die Gartenexpertin. Jens Weber kennt einige Standorte der Lilie. Er hat schon Exemplare bei Oelsen unweit der tschechischen Grenze sowie in Frauenstein und bei Obercunnersdorf entdeckt. Nicht immer sind sie auf natürliche Art dorthin gekommen, sagt Weber.

Denn es gebe auch "Heimatverschönerer", die solche Arten immer wieder mal aktiv in der Natur ausbringen. Auf so eine Aktion geht möglicherweise das Türkenbundlilien-Vorkommen am Luchberg zurück, das Ende der 1990er-Jahre plötzlich an prominenter Stelle auftauchte, sagt der Bärensteiner.

Auch Tiere lieben diese Blumen

Eine Idee, wie man das Ausgraben solcher Pflanzen verhindern kann, hat Jens Weber nicht. "Wer sollte permanent auf der Hochwaldstraße patrouillieren, um das Ausgraben der Türkenbundlilien zu verhindern?", fragt er sich. Eigentlich könne man da nur an die Vernunft und Obacht der Mitmenschen appellieren.

Doch nicht nur Menschen erfreuen sich an dieser Lilie. Auch Rehe. "Sie lieben die Knospen und fressen sie gerne ab", sagt Anette Zimmermann. Steht die Lilie auf Bergwiesen, werden dort grasende Rinder einen Bogen um sie herum machen. "Sie verschmähen diese Lilie. Warum das so ist, ist unklar", sagt Anette Zimmermann.