Die Situation hat sich verändert: Während noch vor wenigen Monaten ein Platz in einem Altenpflegeheim nur sehr schwer zu bekommen war, sind jetzt in mehreren Heimen im Landkreis Görlitz Plätze frei. Mindestens ein Heim in Görlitz meldete für Mitarbeiter sogar Kurzarbeit an, weil sehr viele Plätze frei sind und offenbar nicht so viele Pflegekräfte benötigt werden. Auf eine Anfrage von sächsische.de und SZ reagierte das Heim nicht.
Der Landkreis bestätigt, dass in einzelnen Einrichtungen die Auslastung um 20 Prozent geringer ist als sonst. Wo genau, sagt der Landkreis aber nicht. Bei anderen sind nur wenige Plätze frei, wie im DRK-Pflegeheim in Königshufen. Dort sind derzeit von 96 Heimplätzen 93 belegt, berichtet der Görlitzer DRK-Vorstand Rüdiger Neumann. Im Pflegestift Görlitz-Rauschwalde ist derzeit nur ein Pflegeplatz frei, im ASB-Pflegeheim am Grenzweg werden die wenigen freien Plätze schnell wieder belegt. Im AWO-Zentralhospital in Görlitz sind freie Plätze derzeit gar kein Thema. Im Nieskyer Altenheim "Abendfrieden" ist der Bedarf nach einem Platz im Heim groß. "Von Zurückhaltung, einen Heimplatz in Anspruch zu nehmen, spüren wir nichts", sagt Heimleiterin Viola Knappe. Das Heim ist eines der wenigen im Kreis, in dem noch einzelne Wohngruppen unter Quarantäne stehen. Am Donnerstag wurden alle Bewohner getestet, niemand ist infiziert. Deswegen wird am Montag die Quarantäne aufgehoben.
Warum Plätze frei sind
Die freien Plätze in den Pflegeeinrichtungen resultieren aus der Corona-Pandemie. In mehreren Heimen wütete das Coronavirus. Knapp 1.400 Bewohner von Altenpflegeheimen waren mit dem Corona-Virus infiziert, das ist etwa ein Drittel der Menschen, die im Kreis Görlitz im Altenheim leben. Viele der Senioren starben. Auch 467 Mitarbeiter in den Heimen erkrankten. "Sicherlich wirkten sich die hohen Todesraten im Landkreis unter den hochbetagten Personen aus, sodass Plätze frei sind", sagt Rüdiger Neumann. Alte Menschen seien die Zielgruppe der stationären Altenpflege. Der Bedarf nach einem Altenheimplatz könne derzeit gedeckt werden, informiert Neumann. Cornelia Brussig, Bereichsleiterin stationäre Pflege beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) in Görlitz, sieht aber auch viele Interessenten, die auf Grund der momentan unsicheren Lage von einem Einzug ins Heim Abstand nehmen. "Viele haben Ängste, ihre Angehörigen nicht mehr in dem Umfang wie vor der Pandemie besuchen zu können", sagt sie.
Carsten Seitz, Fachbereichsleiter Altenhilfe bei der Arbeiterwohlfahrt Oberlausitz (Awo), schätzt die Nachfrage vielleicht deshalb als geringer ein, "weil die Angehörigen Sorge haben, strengeren Besuchsregeln zu unterliegen. Außerdem sorgen sie sich wegen möglicher Erkrankungen in der Einrichtung." Zu Hause seien die Pflegebedürftigen oft isolierter und die gefürchtete Ansteckungsgefahr deshalb nicht so hoch.
Kathrin Nachtigall, Leiterin des Pflegestiftes Rauschwalde, vermutet, dass Angehörige, die derzeit zu Hause arbeiten, selbst in Kurzarbeit sind oder Arbeitslosigkeit befürchten, zurückhaltender in der Entscheidung sind, ob sie Angehörige selbst pflegen oder ein Heim aufsuchen. "Die Überlegungen bleiben länger im Familienkreis und werden stärker abgewogen als in der Vergangenheit", erklärt Frau Nachtigall.
"In den acht Häusern der Diakonie St. Martin machten anfangs unklare Vorgaben und das Fehlen von Testmöglichkeiten eine schnelle Wiederbelegung frei gewordener Plätze schwierig", erklärt Kristina Milewski, Geschäftsbereichsleiterin stationäre Altenpflege. Später kamen die vielen Corona-Erkrankungen und Quarantäne bei Pflegekräften dazu. "Dadurch konnte nur mit einem Mindestmaß an Personal gearbeitet werden, was Neuaufnahmen nicht möglich machte", erklärt sie weiter. Kurzarbeit war aber nicht geplant.
Landkreissprecherin Julia Bjar sagt: "Der Rückgang bei der Nachfrage nach Heimplätzen hängt teilweise mit einer Skepsis zusammen, die den Heimen während der gesamten pandemischen Lage entgegenschlägt."
Individuelle Lösungen für ungeimpfte neue Heimbewohner
Von Seiten des Landkreises Görlitz gibt es keine Vorbehalte, freie Heimplätze zu belegen. Allerdings können die Einrichtungen vor Neu- oder Wiederaufnahme des Bewohners einen PCR-Test oder einen Schnelltest zur Abklärung einer eventuell bestehenden Infektion verlangen, auch wenn keine Symptome erkennbar sind. Alle hier befragten Altenheime fordern diese Tests oder nehmen ihn selbst noch vor der Aufnahme vor. Inwiefern die Einrichtungen die Aufnahmen von einer erfolgten Impfung abhängig machen, ist dem Landratsamt nicht bekannt.
Allerdings könnte es schwierig werden, wenn der neue Bewohner noch keine Corona-Schutzimpfung hat, das Pflegeheim jedoch schon durch die mobilen Impfteams versorgt wurde. Darauf verweist Kristina Milewski und ergänzt: "Hier müssen, sofern der neue Bewohner eine Impfung wünscht, individuelle Lösungen gefunden werden."

Keine Sonderrechte für Geimpfte
Sonderrechte für geimpfte Heimbewohner gibt es nicht, obwohl in den Pflegeheimen des Landkreises Görlitz das Impfen gegen das Coronavirus vorankommt. Die mobilen Impfteams waren mittlerweile in fast allen Altenpflegeheimen des Kreises, nur wenige stehen noch aus. Am 11. März wird ein mobiles Impfteam in Seifhennersdorf als letztes Heim im Kreis zu den Erst-Impfungen erwartet.
Wie groß die Schutzwirkung durch die Impfungen ist, lässt sich derzeit noch nicht sagen. "Hier liegen noch keine validen Daten vor", informiert Kreissprecherin Julia Bjar. In zwei Einrichtungen hat es Infektionen zwischen der ersten und der zweiten Impfung gegeben. "In beiden Fällen gab es keine schweren Verläufe bei den Bewohnern", erklärt die Sprecherin weiter.
In den Pflegeheimen liegen die Impfraten bei den Bewohnern im Durchschnitt bei 80 bis 90 Prozent. Nur wenn im Heim innerhalb der letzten drei Monate viele Bewohner mit Corona infiziert waren, liegt der Anteil deutlich niedriger, denn diese Bewohner werden vorerst nicht geimpft. Das Robert-Koch-Institut geht davon aus, dass zumindest für einige Monate ein Schutz durch selbst gebildete Antikörper besteht. Generell sei das Interesse an einer Impfung unter den Heimbewohnern sehr groß, übermitteln die hier genannten Leiter der Heime.
Aktuell kommen Altenheime im Kreis nach teilweise schweren Zeiten wieder in ruhigeres Fahrwasser. Die Impfungen, die Tests von Bewohnern, Besuchern und Mitarbeitern sowie die strikte Einhaltung der Schutzmaßnahmen zeigen offenbar Wirkung.