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Große Fledermaus-Zählung: Im Kreis Görlitz sind die Tiere von Windrädern bedroht

20 Grundstücksbesitzer aus dem Görlitzer Umland bieten den Fledermäusen zusätzlich ein Dach über dem Kopf an. Noch aber wissen die Tierschützer wenig über deren Verbreitung.

Von Constanze Junghanß
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Christina Schunk ist Fledermaus-Projektkoordinatorin und für das Gebiet des Landkreises Görlitz zuständig. Der Detektor kann sogar die Arten bestimmen.
Christina Schunk ist Fledermaus-Projektkoordinatorin und für das Gebiet des Landkreises Görlitz zuständig. Der Detektor kann sogar die Arten bestimmen. © Constanze Junghanß

Sind Windräder ein wachsendes Problem für Fledermäuse? Darüber macht sich Christina Schunk Gedanken. Denn die Bundesregierung hält an den Ausbauplänen für Windkraft fest. Und dafür sollen die Prüfungen auf Umweltverträglichkeit vor dem Neubau solcher Anlagen deutlich beschleunigt werden, sagt die Regionalkoordinatorin des Landschaftspflegeverbandes (LPV). Damit ist auch die Befürchtung verbunden, „dass die Arten benachteiligt werden und zu kurz kommen".

Schunk ist gleichzeitig verantwortlich für das Fledermaus-Projekt. Das wird in diesem Jahr im Kreis Görlitz vorangetrieben. Ein aktuelles Monitoring über die Fledermauswelt in der Region gibt es bisher nicht und auch keine Zahlen, wie viele der nachtaktiven Flugmäuse im Oberlausitzer Gebiet herumschwirren. Sie stehen unter strengem Schutz „und sind relativ blind“, sagt die Expertin. Die Orientierung erfolgt per Echolot mit Klicklauten in einem für den Menschen nicht hörbaren Ultraschallbereich.

Genau das sei das Problem der Fledermäuse mit den Windrädern, sagt Christina Schunk. Die rotierenden Flügel erkennen die Tiere nicht, wenn ihr Echolot auf die Lücken trifft. Fliegen die Fledermäuse dagegen, geht das für die kleinen Insektenvertilger in der Regel tödlich aus. Aus Artenschutzgründen sieht die 29-Jährige den schnelleren Ausbau mit Windkraft deshalb kritisch.

Alte Windräder besonders gefährlich für die Tiere

Zählungen haben ergeben, dass pro Jahr mehr als zehn Fledermäuse an jeder konventionell betriebenen Windenergieanlage zu Tode kommen. Bei etwa 30.000 Windkraftanlagen deutschlandweit eine beträchtliche Zahl. Zu diesem Ergebnis kommt das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin. In einer Pressemitteilung des Instituts aus dem Jahr 2022 heißt es dazu: „Der Tod von Fledermäusen an Windenergieanlagen hat negative Auswirkungen auf die Populationen betroffener Arten und weitreichende Konsequenzen für die biologische Vielfalt im ländlichen Raum.“

Zwar würden neuere Anlagen mittlerweile in Zeiten hoher Fledermausaktivität zeitweise abgeschaltet, um die Fledermäuse davor zu bewahren mit den Rotorblättern zu kollidieren und das könne „die Schlagopferzahl auf ein bis zwei Tiere pro Jahr und Windkraftanlage reduzieren.“ Doch alte Anlagen, die 75 Prozent ausmachen würden, würden ohne Abschaltregeln betrieben. Eine Zwickmühle zwischen angestrebtem Klima- und Artenschutz also.

Die Fledermäuse im Kreisgebiet jedenfalls sollen nun erst einmal mit dem Fledermausprojekt unterstützt werden. Bereits in diesem Jahr wurden dafür 20 Grundstückseigentümer gewonnen, die mit Unterstützung über den Pflegeverband mit Sitz in Reichenbach spezielle Fledermauskästen bekommen. Etwa 100 solcher Behausungen werden in der nächsten Zeit an Bäumen und Gebäuden angebracht, wie Christina Schunk erklärt. Dazu gehört auch der Königshainer Park am Schloss.

Einige der „Kinderstuben“, wo sich die Tiere über den Sommer aufhalten und Junge großziehen, sind bekannt. Besonders oft nutzen die Fledermäuse dafür Kirchen. So haben sich in Diehsa das Graue Langohr, in Sohland am Rotstein das Große Mausohr und in Reichenbach das Braune Langohr die Kirche als Wochenstubenquartier ausgesucht.

Fledermaus-Wochenstube unter A4-Brücke

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Ungewöhnlich ist die Wochenstube unter der Autobahnbrücke in Nieder Seifersdorf. Der darüber brausende Verkehr störe die Fledermäuse nicht, wie die Fachfrau sagt. Wie groß die jeweiligen Kolonien sind, dazu gibt es derzeit keine genauen Erkenntnisse, „da Leute fehlen, die die Fledermäuse zählen“, so Christina Schunk. Mit dem Projekt soll sich das ändern. In den Kästen finden Fledermäuse außerhalb der Wochenstubenzeit Unterschlupf, könnten bestimmt und registriert werden.

Beim LPV gibt es neuerdings auch einen Detektor. Wer unter dem eigenen Dach, im Schuppen oder Keller Fledermäuse findet, kann sich bei Christina Schunk melden. Mit dem Gerät wird ausgezählt und sogar die Art bestimmt. Das kann dazu beitragen, mehr über die wichtigen Schadinsektenvertilger herauszufinden und über ihre Rolle im Ökosystem. Fest jedenfalls steht: „18 der 22 sächsischen Fledermausarten sind in unserer Region nachgewiesen“, sagt Christina Schunk. Vielleicht werden es dank des Projektes noch mehr werden.