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Görlitzer Ultraläufer rennt 100 Meilen nonstop

Hartmut Kohn aus Görlitz hat schon viele Marathons und ultralange Läufe absolviert. Aber der Mauerlauf in Berlin war in diesem Sommer noch mal eine Herausforderung der besonderen Art.

Von Sebastian Beutler
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Hartmut Kohn zeigt sein Finisher-Shirt des Mauerlaufs von Berlin.
Hartmut Kohn zeigt sein Finisher-Shirt des Mauerlaufs von Berlin. © Martin Schneider

Ein Marathon ist für Hartmut Kohn keine große Herausforderung mehr. Der Ultraläufer aus Görlitz, der seit vielen Jahren bereits in Dresden wohnt, läuft auf ärztlichen Rat seit geraumer Zeit. Doch 100 Meilen nonstop, das war auch für Kohn etwas Neues.

Die Herausforderung heißt Berliner Mauerlauf. Zum Tag des Mauerbaus Mitte August rennen Läufer einmal entlang der früheren Mauer - 161 Kilometer mitten durch Berlin und rund um Westberlin. Kohn hatte schon zweimal an dem Lauf teilgenommen, allerdings in Teams mit anderen Läufern, beispielsweise auch mit der Radio-Lausitz-Chefin Ines Pröhl. Diesmal aber wollte er die gesamte Strecke allein schaffen - in einem Ritt. Das Limit liegt bei 30 Stunden. Wer länger braucht, wird nicht mehr gezählt.

Obwohl diese Tortur enorm ist, sind die Startplätze sehr begehrt. 550 Einzelstarter waren es am Ende, die teilnahmen. Rund 400 erreichten das Ziel.

Hartmut Kohn kam praktisch im zweiten Anlauf auf die Starterliste - ein anderer Läufer zog seine Anmeldung drei Monate vor dem Rennen zurück. Das war die Chance von Hartmut Kohn. Der 54-jährige Koch schlüpfte in die Lücke, trainierte in den darauffolgenden Wochen morgens vor der Arbeit auf dem Elberadweg und stellte sich vor, dass die Elbe die Spree war. Oder er lief nachts im Wald und nutzte die zweiwöchige Betriebsruhe, um schließlich am 12. August frühmorgens um 4 Uhr aufzustehen und um 6 Uhr an der Startlinie beim Mauerlauf zu stehen. Zwei Begleiterinnen unterstützten ihn, spornten ihn an, wenn er gerade eine Durststrecke hatte.

Und die kamen. Nach 100 Kilometer, so schildert es Kohn, habe der Mann mit dem Hammer auf ihn gelauert und "brutal zugeschlagen". Die nächsten 25 Kilometer musste er sich irgendwie durchkämpfen. Vor allem der Schlafentzug, schildert er gegenüber der SZ, habe ihm am meisten zu schaffen gemacht. Zeitgefühl und Orientierung gingen verloren, nur die Beine trugen ihn weiter und schließlich ins Stadion. Nach 28 Stunden und 38 Minuten kam er ins Ziel. Da war es bereits Sonntag, 13. August, 10.27 Uhr. Kohn ist damit sehr zufrieden. Während Profis 100 Meilen in 14 bis 16 Stunden zurücklegen, benötigen Hobbyläufer wie er rund 29 Stunden. Da lag er gut in der Zeit. Und so konnte er auch gut verschmerzen, dass in den Tagen nach dem Lauf "alle Knochen weh taten".

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Kohn nimmt nicht nur regelmäßig an Marathonläufen teil, sondern hat schon sehr verrückte Strecken absolviert. In drei Tagen lief er rund 180 Kilometer von Dresden nach Görlitz oder auf den Spuren der Wettiner 219 Kilometer in drei Tagen. Im Schneegestöber erreichte er das Ziel beim Lauf von Dresden nach Theresienstadt, und vor dem Mauerlauf war er bislang am längsten beim Radebeuler Treppenlauf unterwegs - genau 22 Stunden und 23 Minuten.

Kohn verbindet aber gern auch eine Botschaft, ein Thema mit seinen Läufen. Nach Theresienstadt lief er, um seinen Beitrag zum Gedenken an den 13. Februar in Dresden zu leisten. Vor sieben Jahren machte er sich laufend und Rad fahrend auf den Weg nach Litauen, um an das Schicksal seines Onkels zu erinnern, der als Wolfskind am Kriegsende 1945 verschollen ging. Und auch jetzt beim Mauerlauf gingen ihm viele Gedanken durch den Kopf. Bis hin zu der berühmten Nacht des 9. November 1989, als sich die Mauer öffnete und Kohn auf Montage zufällig in Berlin war. Ein Kollege zog ihn nach Feierabend in den Westen.