Wen stört noch der Kiesabbau in Hagenwerder?

Begrünte Erdwälle verbergen dem Vorbeifahrenden auf der Bundesstraße 99, was linker Hand am Ortseingang von Hagenwerder in Richtung Zittau auf einer ehemaligen Feldfläche passiert. Ziemlich unaufgeregt baut die Niederschlesische Kieswerke GmbH & Co. KG, ein Unternehmen der Heim-Gruppe, dort Kiessand ab. Es ist ruhig geworden um die Arbeiten. Im Vorjahr war das anders, im Jahr 2010 erst recht.
Argumente gegen Kiesabbau wogen schwer
Als 2010 bekannt geworden war, dass entlang der B 99 zwischen Hagenwerder und Görlitz-Weinhübel in vier Abbaufeldern auf knapp 54 Hektar Fläche 40 Jahre lang Kies abgebaut werden soll, regte sich erheblicher Widerstand. Eine Bürgerinitiative gründete sich, Landtagsabgeordneter Volker Bandmann schaltete sich ein, auch Landrat Bernd Lange sprach sich gegen den Kiesabbau aus.
Die zahlreichen Argumente gegen den Kiesabbau wogen schwer: Von Beeinträchtigung des Tourismus am Berzdorfer See war die Rede, von erheblicher Staub- und Lärmbelästigung der Anwohner ebenso. Mit dem Hochwasserschutz sei der Abbau nicht vereinbar. Außerdem liegen die Flächen in einem sogenannten FFH-Gebiet, das besonderen Schutzes bedürfe. Und schließlich gebe es im Landkreis Görlitz bereits mehrere Tagebaue, in denen von dem Unternehmen Kies gewonnen wird.
Doch die Landesdirektion Dresden genehmigte den Neuaufschluss der Kieslagerstätte Berzdorf-Ost, stellte aber Bedingungen. Und dann - passierte nichts. Die Protestler wähnten sich schon erfolgreich und legten den Kiesabbau ad acta.

Alle wurden vom plötzlichen Abbau überrascht
Doch im Frühjahr 2021 rollten plötzlich Baufahrzeuge auf die Kiesabbaufläche nahe Hagenwerder und begannen mit der Abtragung des Mutterbodens. Das sächsische Oberbergamt mit Sitz in Freiberg hatte am 30. Dezember 2020 den Hauptbetriebsplan für die Betreibung des Kiessandtagebaus Berzdorf-Ost durch die Niederschlesische Kieswerke GmbH bestätigt. Allerdings auf nur zwei Abbaufeldern mit insgesamt 8,5 Hektar Fläche und mit einer maximalen Abbauzeit von fünf Jahren.
Die Stadt Görlitz zeigte sich von der Entscheidung der Landesdirektion überrascht, Kommunalpolitiker, der Ortschaftsrat und Bürger von Hagenwerder sowieso. Wieder gab es Protest, sogar eine Online-Petition. Doch der Kiesabbau startete und läuft immer noch. Doch trafen die Befürchtungen der Protestler tatsächlich ein?
Andreas Zimmermann ist der Vorsitzende des Ortschaftsrates Hagenwerder. "An mich ist noch keine Beschwerde wegen des Kiesabbaus herangetragen worden", sagt Zimmermann. Er wisse nichts von Lärm- oder Staubbelästigung, offenbar halte sich das Unternehmen an die Vorgaben. Gearbeitet werde Montag bis Freitag von 8 bis 16 Uhr, am Wochenende nicht. Auf den Oder-Neiße-Radweg, der am Kiestagebau vorbeiführt, habe der Abbau keine Auswirkungen. Und schließlich stünden unmittelbar am Abbaufeld Pferde von der Ranch am See, die Marianne Thiel betreibt. Sie gehörte im Vorjahr zu den eifrigsten Protestlern gegen den Kiesabbau. Dass ausgerechnet ihre Pferde nun auf der Fläche grasen, stößt so manchem in Hagenwerder sauer auf.

Ranch-Inhaberin hofft auf Kauf der Fläche
Marianne Thiel weidet ihre Pferde auf der Fläche der Kieswerke, die nicht vom Abbau betroffen sind und die sie von den Kieswerken gepachtet hat. Schließlich sei das ein Naturschutzstreifen, sagt sie. Im Gespräch mit SZ berichtet die Frau, dass der Kiesabbau 2023 beendet werde. Weiter informiert sie, dass die Heimgruppe durchaus bereit sei, Flächen an sie zu verkaufen, wenn der Kiesabbau beendet ist und die Fläche in den vorherigen Zustand versetzt wurde. Bis es soweit ist, ficht Marianne Thiel gemeinsam mit ihrem Mann andere Kämpfe um ihre Existenz aus. Vor allem fordert sie Unterstützung von der Stadt für weitere, andere Vorhaben. Bleibt die aus, droht sie mit dem Verkauf der Ranch.
Oberbergamt weiß nichts von Beeinträchtigungen
Nachdem der Kiesabbau läuft, sind auch dem Oberbergamt keine Beeinträchtigungen der benachbarten Grundstücke bekannt geworden. "Durch entsprechende Lärmschutzmaßnahmen, insbesondere Emissionsschutz-Wälle, wurde die Belästigung auf ein Minimum reduziert", erklärt Martin Herrmann, Abteilungsleiter im Oberbergamt. Auf den öffentlichen Straßenverkehr, den Oder-Neiße-Radweg sowie unweit gelegene Gewerbebetriebe habe der Kiestagebau nach Kenntnis des Amtes keinen Einfluss.
Im Rahmen der Betriebsplanzulassung seien dem Bergbauunternehmer auch Schutzauflagen hinsichtlich Lärm- und Staubemissionen gemacht worden, die er einhält und die ihre Wirkung zeigen. "Eine Grundwasserabsenkung erfolgt nicht", erklärt Herrmann.

Weiteres Kies-Tagebauloch wird verfüllt
Der Kiesabbau Berzdorf-Ost ist aber nicht das einzige Betätigungsfeld der Niederschlesischen Kieswerke GmbH in Hagenwerder. Viele Jahre lang gewann das Unternehmen Kies im Tagebau auf einer Fläche zwischen Sportzentrum und ehemaligem Freibad. Für den Nordteil dieses Kiessandtagebaus liegt ein zugelassener Abschlussbetriebsplan vor, bestätigt Martin Herrmann auf Nachfrage. Dieser sieht vor, die bergbaulich entstandenen Kiesseen geländegleich zu verfüllen.
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Im Anschluss daran wird das Areal landschaftsgerecht durch Wiesenansaat und einzelne Gehölzpflanzungen begrünt. Der Bergbauunternehmer erhält die Auflage, die Wiedernutzbarmachung des Areals so durchzuführen, dass eine spätere Integration des Abbaufeldes in das Landschaftsschutzgebiet „Görlitzer Neißeaue“ möglich ist. Der Abschlussbetriebsplan ist aber nicht befristet. Das heißt, das Unternehmen hat keine Vorgabe, wann die Flächen fertig sein müssen. Die Tagebauverfüllung erfolgt, wie gerade Rückstände aus der Kiessandaufbereitung vorhanden sind und wie das Unternehmen an geeignete, tagebaufremde Verfüllmassen gelangen kann.
Für den Südteil dieses Tagebaus existiert noch ein zugelassener Hauptbetriebsplan. "Die Gewinnung ist hier beendet, eine Entscheidung über die Art der Wiedernutzbarmachung wurde aber noch nicht getroffen", erklärt der Abteilungsleiter aus dem Oberbergamt.