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Tournee nach Schicksalsschlag: Zwei Stunden frieren mit Heino in Görlitz

Nach zehn Jahren tritt Heino noch einmal in Görlitz auf. Auch nach dem plötzlichen Tod seiner Frau hält der Künstler an seiner Kirchenlieder-Tournee fest. Das wird ihm hier hoch angerechnet.

Von Sebastian Beutler
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Heino trat am Sonntagnachmittag in der Görlitzer Lutherkirche im Rahmen seiner Kirchenliedertournee auf.
Heino trat am Sonntagnachmittag in der Görlitzer Lutherkirche im Rahmen seiner Kirchenliedertournee auf. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Den Besuchern des Heino-Konzertes am Sonntagnachmittag in der Görlitzer Lutherkirche wird einiges zugemutet. Der Andrang eine halbe Stunde vor Konzertbeginn ist so groß, dass die Schlange die ganze Treppe bis an den Fuß des Lutherdenkmals reicht. Und in der Kirche ist es bitterkalt. Sie ist seit Jahren nicht beheizbar, doch nicht alle haben sich mit wärmenden Decken ausgerüstet. Da hilft auch der Glühwein wenig, den junge Mitglieder der Innenstadtgemeinde in der Pause verkaufen. Und schließlich poliert der schnittige Wind den verbliebenen Schnee auf den Straßen verdammt glatt.

Doch das hindert die 750 Besucher alles nicht zu kommen. Vielleicht die weiteste Anreise liegt hinter Rolf Lohbeck. Ihm gehört nicht nur das Parkhotel in Görlitz, sondern auch die Landskron Brauerei, und er lebt in Schwelm bei Wuppertal. Das sind 640 Kilometer bis nach Görlitz. Doch Lohbeck nahm die gern in Kauf. Seit Heino bei der Nachfeier zu seinem 80. Geburtstag ein kleines Privatkonzert gegeben hatte, fühlen sich die beiden Männer verbunden. Von Heinos Manager, Helmut Werner, wird Lohbeck als Ehrengast des Konzertes begrüßt. Lohbeck aber kommt nicht allein. Seine Hoteldirektoren, sein Aufsichtsrat, weitere wichtige Mitarbeiter, sie alle lud er nach Görlitz ein - rund 50 Karten orderte der Landskron-Eigentümer.

Unternehmer Rolf Lohbeck bei dem Konzert von Heino in der Lutherkirche in Görlitz.
Unternehmer Rolf Lohbeck bei dem Konzert von Heino in der Lutherkirche in Görlitz. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Darunter ist auch Maria Daniela Schulze, die Geschäftsführerin der Lohbeck-Hotels. Auch sie war bei der Geburtstagsfeier von Lohbeck dabei, wie auch Landskron-Geschäftsführer Uwe Köhler. Beide sind nun nicht von Geburt an Heino-Fans, aber der Auftritt des fast 85-Jährigen in einem Winterberger Hotel überraschte sie doch. Seitdem ist ihr Respekt vor dem Sänger gewachsen. Der 83-jährige Lohbeck fasst das gegenüber der SZ so zusammen: wie fit er noch mit seinen 85 Jahren sei, das erinnere ihn an Johannes Heesters, der ja noch mit über 100 auf der Bühne sang. "Und wer singt dann noch deutsche Lieder, die einen so berühren", sagt Lohbeck. Er habe nichts gegen englische Songs, aber das, was Heino singt, ist eben einzigartig.

Da hat Heino gerade als letztes Lied vor der Pause "Teure Heimat" gesungen, in dem es heißt: "Es ist nichts so schön wie die Heimat auf der Welt." Das löst bei vielen der Besucher die emotionale Handbremse, die zuvor zu spüren war. Auf einmal waren Bravo-Rufe zu hören, brach ein wahrer Klatsch-Orkan aus. Da waren Gäste und Sänger ganz bei sich. Das spürt auch Heino-Manager Helmut Werner, der durch das Programm führt und so etwas wie das Sprachrohr Heinos nicht nur an diesem Abend ist: "Das sind die Lieder, die Ihnen gefallen. Das haben wir uns gedacht." Und dafür so sagt er später, sei Heino kritisiert worden. Revanchismus betreibe er, hieß es lange Zeit. Doch der Sänger habe sich davon nie beeindrucken lassen und sei seinen Weg konsequent gegangen. Als am Wochenende die Bild-Zeitung 50 Promis nach ihrer Ansicht über ein AfD-Verbot befragte, war auch Heino dabei. Er sprach sich für ein solches Verbot aus, warf den etablierten Parteien aber vor, Brauchtumspflege und Heimatverbundenheit vernachlässigt zu haben.

Im Zentrum des Konzertes aber stehen Kirchenlieder. Die meisten sind bekannt, das Ave Maria von Schubert, Wiegenlieder, "Lobe den Herren", "Der Mond ist aufgegangen" oder auch "Die Himmel rühmen die Ehre Gottes" - das vertonte Gedicht von Christian Fürchtegott Gellert gibt dem Programm auch seinen Titel. Manche der Besucher sind gerade wegen dieser Kirchenlieder gekommen. So berichtet Hans-Ulrich Lehmann, der frühere Görlitzer Stadtrat, dass er sich die Karte zu Weihnachten gewünscht hatte. Wegen der Kirchenlieder. Schon vor zehn Jahren war Heino in der Kreuzkirche mit diesem Programm zu erleben, in den Jahren nach der Wende trat der Künstler in der Stadthalle auf. Seinerzeit mit Volksliedern, bis hin zum Schlesierlied.

Andere Besucher des Konzertes staunen, wie Heino, der erst Mitte Dezember 85 Jahre alt geworden ist, die über zwei Stunden durchhält, sein Bass tiefgrundiert, fest und noch immer wirkungsvoll erklingt und sogar geschmeidig bis in Bariton-Höhen klettern kann. Im Pressegespräch vor dem Görlitzer Konzert berichtete er von täglichen Gesangsübungen, die ihn fit und seine Stimme in Schuss halten. Das war Anfang November. Und obwohl das erst zweieinhalb Monate her ist, ist das für den Sänger wie eine andere Zeit. Denn wenige Tage darauf starb überraschend seine Frau Hannelore. Für einen Moment stand die gesamte Kirchentournee infrage. Schließlich sollte sie bereits Anfang Dezember beginnen.

Ein Bild von Hannelore, der verstorbenen Frau von Sänger Heino, stand auf der Bühne bei dem Konzert in der Lutherkirche in Görlitz.
Ein Bild von Hannelore, der verstorbenen Frau von Sänger Heino, stand auf der Bühne bei dem Konzert in der Lutherkirche in Görlitz. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Zwar wurde ihr Beginn etwas verschoben, anfangs auch weniger Konzerte eingeplant, dafür aber in den Spätwinter verlängert, aber die Tournee findet statt, das Konzert in Görlitz sogar zu dem ursprünglich vorgesehenen Termin. "Auch ein 85-Jähriger braucht Zuversicht", sagt Helmut Werner in der Lutherkirche, "und diese Zuversicht sind Sie als Publikum. Das gibt Heino extrem viel Kraft. Seine Frau hätte sich nichts anderes gewünscht, als dass Heino heute Abend in Görlitz auftritt."

Wie auch bei allen anderen Heino-Konzerten hätte seine Frau in der ersten Reihe gesessen. Nun steht ihr Bild an der Bühnenseite, als wäre sie doch noch dabei. Die Erkennungsmelodie der Dornenvögel-Filme von Henry Mancini erklingt, es sei ihr liebstes Lied gewesen, sagt Organist Franz Lambert.

Doch dann gehört die Bühne Heino, der als Privileg auf einem beheizten Teppich steht. Nach den ersten Songs macht er Platz für seinen Gast, die norwegische Sängerin Anita Hegerland, die alle nur als Kinderpartnerin von Roy Black beim Lied "Schön ist es auf der Welt zu sein" kennen. Auch Rolf Lohbeck verbindet damit eine Erinnerung: "Als ich die beiden im Fernsehen sah, rief ich zu meiner damals vierjährigen Tochter, die singt aber süß im Fernsehen. Da sprang mir meine Tochter gleich auf den Rücken vor lauter Eifersucht." Nun aber nach so vielen Jahren, findet Lohbeck, habe Heino eine gute Wahl getroffen mit einer so guten Sängerin, die "Ein bisschen Frieden" von Nicole singt, gefolgt von "Amazing Grace" und noch von einem Lieblingslied von ihren Konzerten in Norwegen. Es sei ihr eine "Ehre", sagt sie, "mit einer lebenden Legende wie Heino auf der Bühne zu stehen. Und auch Roy Black hätte sich gefreut, wenn er wüsste, dass sie mit seinem alten Freund zusammen singt". Da taut das Publikum auf und klatscht laut Beifall.

Sänger Heino bei seinem Konzert in der Lutherkirche in Görlitz.
Sänger Heino bei seinem Konzert in der Lutherkirche in Görlitz. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Unter den 750 Besuchern sind auch fünf junge Männer. Sie sind um die 20 und stechen schon deshalb aus dem überwiegend Ü-60-Publikum heraus. Schon am Vormittag, so erzählen sie, haben sie sich getroffen, um sich auf das Konzert einzustimmen. Franz, der aus einer Gemeinde bei Görlitz stammt, berichtet, dass sie wegen der Heimatlieder zu Heino gekommen sind und froh waren, als sie noch eine Karte bekamen. Tatsächlich, so heißt es von Manager Helmut Werner, wären auch 1.000 Karten weggegangen. Kurz habe man sogar überlegt, in eine andere, noch größere Kirche zu wechseln. Doch dann blieb man in der Lutherkirche, was Rolf Lohbeck zu einer neuen Einsicht verhalf: Er war zuvor noch nie in dieser Kirche und findet deren Architektur großartig, Anita Hegerland spricht von einer "fantastischen Kirche".

Die jungen Männer um Franz sitzen also weit vorn in den Reihen, haben sich in der Pause mit Büchern, CDs und Autogrammen eingedeckt und hoffen, dass Heino noch ein paar Volkslieder singt, die Schlesierfahne haben sie auch mit. Tatsächlich singt Heino "In einem kühlen Grunde" noch und "Wenn das Glöcklein erklingt", aber dann wechselt er wieder zu den Kirchenliedern und gibt als Zugabe nicht das erhoffte Schlesierlied, das einzelne Besucher lautstark einfordern, sondern "Großer Gott wir loben Dich". Frank wickelt die Schlesierfahne wieder ein, enttäuscht gibt er sich nicht. Es sei ein Erlebnis gewesen. Man weiß ja nie, meint dann noch Franz im Hinausgehen, wie oft Heino noch live zu erleben ist.

Hinweis: Heino tritt noch einmal im Rahmen der Kirchenlieder-Tournee in Sachsen auf, am 2. Februar, 17 Uhr, in der Philippuskirche in Leipzig. Restkarten für dieses Konzert sind noch im Kartenverkauf.