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Kreis Görlitz: Sind Energie-Genossenschaften die Zukunft?

In Zeiten hoher Strompreise machen sich Kommunen im Umland Gedanken über Alternativen. Während in Königshain ein Solarpark offenbar nicht kommt, gibt es nun in Friedersdorf Ideen.

Von Constanze Junghanß
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Sieht so die Zukunft der Felder im Kreis Görlitz aus?
Sieht so die Zukunft der Felder im Kreis Görlitz aus? © dpa

Es ist mittlerweile keine Ausnahme mehr: Investoren für den Bau von Photovoltaik-Anlagen klopfen bei den Kommunen an. In Königshain sorgte das jüngst für einigen Wirbel. Eine Firma aus Bayern plante da, etwa 170 Hektar fruchtbares Land zu einem riesigen Solarpark zu machen. Der Gemeinde wurde viel Geld dafür versprochen. Bürgermeister Maik Wobst initiierte eine Bürgerumfrage, um zu erfahren, was die Leute davon halten. Letztendlich gehören die Flächen verschiedenen Eigentümern und Landwirten. Ein Solarpark kommt offenbar nicht.

Und doch treibt es die Gemeinden um, wie mit den Investitions-Ansinnen von Unternehmen in der Region umgegangen werden soll. „Unser großes Ziel ist es, das langfristig selber zu steuern“, sagte jetzt Helmut Perk im Ortschaftsrat Friedersdorf. Da ging es um das Thema Energie-Genossenschaft. Der Rietschener ist ehrenamtlicher Vorstand der Energie-Genossenschaften Kodersdorf, Rietschen, Boxberg und Weißkeißel.

Allerdings steckt ein riesiger Aufwand hinter jeder Gründung einer Genossenschaft, weiß Perk. Die Kodersdorfer haben es nach anderthalb Jahren geschafft, seit Anfang April ist die Bürgerenergie eine eingetragene Genossenschaft. Die Neue Energie Weißkeißel begann mit 150 Gründungsmitgliedern, inzwischen traten weitere 50 Interessenten bei. Vier ehrenamtliche Leute seien seit einem Jahr mit den Formalitäten beschäftigt. „Da steckt so viel Kraft und Energie drin“, sagt Perk. Nun seien für die Energiegenossenschaft Weißkeißel alle Unterlagen abgegeben.

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Jetzt steht der Gedanke im Raum, ob auch Friedersdorf eine solche Genossenschaft gegründet oder Einwohner sich einer der bestehenden Genossenschaften anschließen wollen. Dabei geht es eher nicht um eine autarke Energie- und Wärmeversorgung für den Markersdorfer Ortsteil. Im brandenburgischen Feldheim gibt es ein solches Vorzeigeprojekt oder auch in Ascha in Bayern und anderenorts. Da spielen neben Solaranlagen auch regenerative Energie- und Wärmerzeugungsmethoden, wie Biogasanlagen, eine wichtige Rolle. In Friedersdorf dagegen könnte es vor allem um langfristig preiswerteren Strom gehen, wenn ein Genossenschaftsmodell verwirklicht wird.

Auf die Idee, sich dazu beraten zu lassen, kam das Dorf wegen des Bundeswettbewerbs „Unser Dorf hat Zukunft“. Der knapp 630 Einwohner zählende Markersdorfer Ortsteil hatte sich dafür qualifiziert, war neben Rammenau eines der beiden sächsischen Dörfer, die es bis in die Endrunde schafften und bekam Bronze. Friedersdorf hatte sich zuvor beim Landeswettbewerb durchgesetzt, landete da auf dem Siegertreppchen, gewann 10.000 Euro und punktete mit seinem engagierten, dynamischen Gemeinschaftsleben und großem Zusammenhalt. Wie das Preisgeld sinnvoll eingesetzt wird, dazu hatten sich Ortschaftsrat und Bürger Gedanken gemacht. Einer davon, so sagt Ortsvorsteher Wolfgang Hübner, sei die Energiegenossenschaft gewesen. Und das Interesse an dem Projekt ist deutlich. Etwa 25 Friedersdorfer wollten sich dazu während der Ortschaftsratssitzung informieren.

Vier Genossenschaften im Kreisgebiet

Helmut Perk berichtete über vier Genossenschaften im Kreisgebiet und erklärte, dass auch in Schleife und Weißwasser bereits Arbeitsgemeinschaften ins Leben gerufen wurden: „Es geht darum, langfristig Strom und Wärme selbst zu erzeugen und so günstig wie möglich dem Bürger anzubieten.“ Das wiederum brauche große Anlagen und die entsprechenden Flächen. Und „überall wollen Solarinvestoren aktuell Flächen haben“, sagte Perk auch. Übernimmt ein Investor, sind die Flächen weg, die Bürger hätten dann eher nichts davon, wenn vor der eigenen Haustür Solarstrom produziert wird. Bei einer Genossenschaft, möglicherweise im Zusammengang mit einem Investor, würde der so produzierte Strompreis sinken können. Perk sprach von angepeilten 25 Cent, wofür der Genossenschaftsstrom an die Menschen vor Ort verkauft werden könnte. „Und zwar langfristig“, so der Rietschener.

Um Mitglied einer solchen Genossenschaft zu werden, müsste eine erschwingliche Mindestsumme von 50 Euro gezahlt werden. Ziel jedenfalls ist, dass ein solches Genossenschaftsmodell wirtschaftlich, aber auch ökologisch sinnvoll wird. Und jemand müsse sich den Hut dafür aufsetzen, wie Perk erläuterte: „Wir wollen nicht mehr, dass Fremde unsere Flächen zuspiegeln und wir haben dann gar nichts davon.“ Denn mittlerweile würden von Investoren für landwirtschaftliche Flächen bis zu 4.000 Euro Pachtgeld pro Hektar und Jahr angeboten. Die Sorge ist, dass da der eine oder andere Landwirt Flächen abgibt, ohne dass die Menschen vor Ort davon mit profitierten.

Ob Friedersdorf tatsächlich eine Genossenschaft gründen wird oder Bürger sich den bestehenden Genossenschaftsmodellen anschließen, soll in weiteren Gesprächen ausgelotet, das Für und Wider abgewogen werden. Noch ist alles offen. So oder so haben auch andere Kommunen Ideen, wie die energetische Zukunft der Gemeinde aussehen könnte. Reichenbach beispielsweise hatte im Herbst dazu einen Grundsatzbeschluss gefasst, bei dem es darum geht, die Stadt zu einer energieautarken Kommune hinsichtlich Energie- und Wärmeversorgung zu machen und die Versorgungssicherheit mit geringeren Kosten als bisher zu garantieren.