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Soziokulturelle Szene: "Wir sind wichtig für Görlitz"

Beim Neujahrsempfang im Werk 1 unterstreichen die Initiativen, was sie für die Stadt alles leisten. Und erhalten Wertschätzung vom Bürgermeister.

Von Sebastian Beutler
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Das soziokulturelle Zentrum "Werk 1" in einer früheren Waggonbauhalle ist ein Anker für die gesamte Szene in der Stadt Görlitz.
Das soziokulturelle Zentrum "Werk 1" in einer früheren Waggonbauhalle ist ein Anker für die gesamte Szene in der Stadt Görlitz. © Archivfoto: Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.c

Es ist eine Premiere, zu der sich am Donnerstagabend im Werk 1 rund 70 Gäste einfinden. Zum ersten Mal lädt die soziokulturelle Szene der Stadt Görlitz zu einem Neujahrsempfang. Nach der Corona-Pandemie will man sich treffen, aber auch das Gespräch mit Vertretern der klassischen Kultureinrichtungen suchen. So sind auch der Leiter des Görlitzer Museums, des Gerhart-Hauptmann-Theaters und die Geschäftsführerin des Kulturservices der Einladung gefolgt. Und die meisten Fraktionen des Stadtrates sind vertreten, die Fraktionen der Bürger für Görlitz, von Motor/Grünen und der Linken sogar mit ihren Chefs. Nur die AfD ist nicht zu sehen.

Sekt und Schnittchen, aber auch Spiele und eine Performance

Sekt und Schnittchen gibt es auch an diesem Abend, aber der Empfang ist eben doch auch ein wenig anders, die Gäste werden zum Mittun und Spielen eingeladen, manchmal wird dabei - weil die Schar der Freiwilligen überschaubar bleibt - auch etwas nachgeholfen. Vom Streifen-Verein gibt es eine Performance, bei der zwei Männer sich mit roten und weißen Schnüren einen Ring zimmern, anschließend darin Kartoffeln schälen, derweil aus dem Off die Stimme von dem ukrainischen Präsidenten erklingt sowie liturgische Versatzstücke aus verschiedenen Religionen. Einem Ringkampf gleich soll das die politische Großwetterlage illustrieren. Die Spannung löst sich, als beide Akteure zur Schere greifen und die Schnüre zerschneiden. Wenn es in der Wirklichkeit doch auch nur so einfach wäre.

Aber das ist nur der Rahmen. Tatsächlich will die soziokulturelle Szene an diesem Abend das Bild eines wichtigen Akteurs im Görlitzer Stadtgeschehen vermitteln, an dessen Anfang die Auseinandersetzungen um neue Begegnungsorte für junge Menschen standen. Daraus entstand schließlich die Idee für das soziokulturelle Zentrum Werk 1.

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Es gehört zur Eigenwilligkeit dieses Akteurs, dass viele Vereine und Initiativen ihn bilden, es nur wenige institutionell geförderte Einrichtungen wie das Werk 1 gibt. Das ist auch der große Unterschied zu den etablierten Kulturbetrieben. Es ist daher naheliegend, dass Julia Schlüter, die die Geschäfte im Werk 1 führt, nun auch seit einiger Zeit das soziokulturelle Netzwerk in Görlitz führt. Vier bis sechsmal treffen sich mehr als 60 Akteure im Jahr, um Veranstaltungen abzustimmen, Technik zu verleihen, Projekte zu beantragen.

41.000 Teilnehmer bei mehr als 1.300 Veranstaltungen

Natürlich sind sie stark von öffentlicher Unterstützung abhängig. Da macht sich schon der eine oder andere angesichts der Löcher in den öffentlichen Haushalten Sorgen. Wenige Zahlen von Julia Schlüter aber sollen nachweisen, dass diese Gelder gute Investitionen in die Zukunft der Jugend, ja der gesamten Stadt sind. Mehr als 1.300 Veranstaltungen zählte diese Szene im vergangenen Jahr, darunter sind große Feste wie das Fokus-Festival und kleine Filmvorführungen im Camillo-Kino. Zusammen erreichten sie knapp 41.000 Teilnehmer. Dafür engagieren sich 84 Mitarbeiter, wenige Festangestellte, viele Honorarkräfte, aber vor allem die vielen ehrenamtlichen Mitglieder der Vereine - fast 500 sind es nach einer Zählung. Zusammen macht die Görlitzer soziokulturelle Szene einen Umsatz von 2,3 Millionen Euro.

Für Julia Schlüter ist daher klar, dass sich die Szene nicht verstecken und schon gar nicht ihr Existenzrecht bestreiten lassen muss. Zumal sie auch die Szene als wichtigen Anreiz für Menschen ansieht, nach Görlitz zu kommen oder zu bleiben.

Darin wird sie auch vom Görlitzer Bürgermeister, Benedikt Hummel, bestärkt. Wegen einer Corona-Erkrankung kann er zwar nicht dabei sein, aber lässt sich wenigstens zuschalten. Er will die Kommunikation zwischen der Stadt und den Vereinen über Fördermöglichkeiten und die Verbreitung ihrer Veranstaltungen verbessern. Eine große Diskussion löst er damit nicht aus, doch in drei Wochen will er sich ohnehin mit allen nochmals treffen.

Dass es trotzdem nicht so einfach für die Szene ist, zeigt derzeit die Spendenaktion für einen gemeinsam genutzten Transporter. Obwohl die Spendenfrist nochmals verlängert wurde, droht die Internetsammlung spätestens am 3. März finanziell zu scheitern.