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Reichsbürger wehren sich gegen Polizeieinsatz

Für drei Polizeibeamte aus Dresden wurde die Razzia in einem Wohnhaus in Mücka vor vier Jahren zum Albtraum. Am Donnerstag endete er mit einer Entscheidung des Landgerichts Görlitz.

Von Frank Thümmler
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Am Görlitzer Landgericht wurde jetzt im Fall dreier Polizeibeamten ein Urteil gefällt.
Am Görlitzer Landgericht wurde jetzt im Fall dreier Polizeibeamten ein Urteil gefällt. © Archivfoto: SZ/Timotheus Eimert

Eigentlich war dieser Einsatz im September 2019 für die drei Bereitschaftspolizisten aus Dresden wohl ein Routineeinsatz: Es ging um nicht mehr als ein gestohlenes Damenfahrrad, von dem die Ermittler damals vermuteten, dass es sich in der Wohnung eines Bewohners eines Mehrfamilienhauses in Mücka befindet. Normalerweise keine Sache für die Bereitschaftspolizei. Aber eine Hintergrundabfrage der hiesigen Polizei hatte ergeben, dass die Bewohner des fraglichen Hauses der Reichsbürger-, eventuell auch der Neonazi-Szene zuzuordnen seien. Und da wollten die Polizisten nicht einfach so klingeln, sondern forderten Unterstützung aus Dresden an und entschieden auch, wegen vorheriger Erfahrungen und vor allem, um mögliche Ansprüche gegen die Polizei abzuwehren, den Einsatz auf Video festzuhalten.

Keine Namen an Klingelanlage und Türen

Vor Ort stellte der Einsatzführer dann fest, dass weder an der Klingelanlage noch an den Wohnungseingangstüren Namensschilder zu finden waren, es also unklar war, welche Wohnung dem Diebstahl-Verdächtigen zuzuordnen war. Die Entscheidung des Einsatzleiters lautete dann: Alle Anwohner müssen auf den Hof, wo ihre Personalien festgestellt werden sollten, um so den Verdächtigen zu finden. Falls sich jemand weigere, solle er auch mit polizeilicher Gewalt auf den Hof geführt werden.

Die drei jetzt vor Gericht stehenden Polizisten klingelten an der Wohnungstür der Hauseigentümerin. Deren Mann fragte nach dem richterlichen Durchsuchungsbefehl und befolgte nicht sofort die Anweisungen der Polizisten. Im Flur der Wohnung kam es wohl zu einem kleinen Gerangel. Die Polizisten wandten den üblichen Festhaltegriff an Schulter und Kopf an und führten den Mann, der nicht der gesuchte Diebstahlverdächtige war, auf den Hof. Dort wurde er sofort losgelassen. Die Situation entspannte sich. All das ist auf Video festgehalten. Der gesuchte Mann wurde schließlich identifiziert. Er führte die Polizisten dann auch bereitwillig zu jenem Damenfahrrad.

Freispruch vor dem Amtsgericht Weißwasser

Die Staatsanwaltschaft hielt das ganze Vorgehen für überzogen und überzog die drei Polizisten mit einem Gerichtsverfahren wegen Körperverletzung im Amt. Im Oktober 2020 lehnte das Amtsgericht Weißwasser aber eine Eröffnung des Verfahrens ab, die Staatsanwaltschaft legte Beschwerde ein. So kam es im Dezember 2022, drei Jahre nach jenem Vorfall, vor dem Amtsgericht Weißwasser zu einer Hauptverhandlung. Die endete mit einem Freispruch für die drei Polizisten. Begründung: Der Festhaltegriff der Polizisten sei erlaubt und angemessen gewesen. Der Einsatzleiter hatte als Zeuge auch die entsprechenden Befehle bestätigt. Und eine Körperverletzung hatte es nicht gegeben. Jener abgeführte Mann hatte vor dem Amtsgericht zwar erstmals von Schmerzen in der Schulter gesprochen, das Gericht ihm aber nicht geglaubt, zumal seine eigene Ehefrau als Zeugin das nicht bestätigte. Die Frau regte sich darüber auf, dass die gesamte Maßnahme völlig überzogen gewesen sei.

Gegen diesen Freispruch ging die Staatsanwaltschaft in Berufung: Die rechtliche Würdigung des Geschehens durch das Amtsgericht träfe nicht zu, der Befehl des Einsatzleiters schütze die Polizisten nicht. Sie hätten prüfen müssen, ob dieser Befehl gerechtfertigt war. Die Gewalt sei nicht notwendig gewesen. Eine Befragung hätte ausgereicht. Und so kam es jetzt, über vier Jahre nach jener Wohnungsdurchsuchung, zu einer Verhandlung vor dem Landgericht in Görlitz.

Ganz korrekt haben sich die Polizisten nicht verhalten

Richter Frank Theis gab eine vorläufige rechtliche Einschätzung. Es gebe drei Dinge zu prüfen: Durften die Polizisten das? Waren sie zuständig? Und haben sie die nötigen Formalien eingehalten? Zur ersten Frage sagte Theis, dass die Ermächtigungsgrundlage für die Polizisten aus seiner Sicht gegeben gewesen sei. Durch den Einsatzbefehl und um die Personalien der Bewohner des Hauses festzustellen. Und auch, um den Gesuchten so zu finden, auch unter Berücksichtigung der besonderen Situation in jenem Haus. Zuständig waren die drei angeklagten Polizisten auch unstrittig. Nur eine entscheidende Formalie hätten sie nicht eingehalten: Vor der Anwendung der Gewalt wäre eine mündliche Androhung notwendig gewesen. Die aber fehlt auf dem Video, und ein Verteidiger erklärte auch, dass es diese nicht gegeben habe. Deswegen käme aus seiner Sicht der Straftatbestand der Nötigung infrage, eine Körperverletzung habe es wohl nicht gegeben", sagte Theis. Angesichts der langen Verfahrensdauer und der Geringfügigkeit der Schuld schlug Theis die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage von 1.500 Euro für jeden der drei Angeklagten vor, so wie es die Strafprozessordnung (§ 153) vorsieht. Der anwesende Staatsanwalt stimmte dem sofort zu.

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Die Angeklagten und ihre Verteidiger zogen sich zu einer Beratung zurück. Einer der Verteidiger sagte dann zum Richter: "Wir sehen ihr Argument zwar anders, weil aus Sicht der Polizisten die Gefahrenlage, auch aus Erfahrungen mit anderen Reichsbürgern, doch sehr hoch wahrgenommen wurde und sie deshalb so gehandelt haben. Aber wir wollen dieses Verfahren endlich auch beenden. Solange dieses Verfahren läuft, können unsere Mandanten nämlich nicht befördert werden, obwohl sie längst dran wären. Das hat ihnen auch einen erheblichen finanziellen Verlust gebracht. Wir bitten deshalb darum, die Geldauflage auf 1.000 Euro zu senken." Auch diesem stimmte der Staatsanwalt zu. Richter Frank Theis stellte das Verfahren gegen die drei Polizisten gegen eine Geldauflage von jeweils 1.000 Euro ein. Wenn die drei Polizisten binnen sechs Monaten bezahlen, ist dieser Albtraum für sie endgültig beendet.